INV-ROT929 Spinnerei Rothkanal, 1862 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-ROT929
Signatur Archivplan:ROT929
Titel:Spinnerei Rothkanal
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südwesten (2017)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Rothrist
Ortsteil / Weiler / Flurname:Hungerzelg
Adresse:Bernstrasse 281
Versicherungs-Nr.:342
Parzellen-Nr.:2
Koordinate E:2631611
Koordinate N:1238177

Chronologie

Entstehungszeitraum:1862
Grundlage Datierung:Literatur
Nutzungen:1985 Betriebseinstellung udn Umnutzung zu Gewerbe- und Kulturzentrum

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Fabrikgebäude, Manufakturgebäude
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätklassizismus

Dokumentation

Würdigung:Mächtiges spätklassizistisches Fabrikgebäude, das 1862 durch Gemeindeammann und alt Grossrat Johann Georg Schmitter sowie Johann Jakob Jäggi am Rothkanal als Spinnerei errichtet wurde. Der grossvolumige, dreigeschossige Mauerbau, das sich in auffallender Weise seit jeher steinsichtig präsentiert, ursprünglich aber wohl für einen Verputz vorgesehen war, hat sich in seiner äusseren Erscheinung intakt erhalten und bewahrt auch noch die bauzeitlichen Decken- und Dachkonstruktion im Inneren. Am Hangfuss unterhalb des für den Antrieb der Fabrik genutzten Rothkanals (Bauinventarobjekt ROT928) gelegen, entfaltet das weithin sichtbare Gebäude eine erhebliche landschaftsprägende Wirkung. Zusammen mit dem 1944 erstellten, samt der technischen Anlagen intakt erhaltenen Kleinkraftwerk kommt der heute von verschiedenen Kleinbetrieben genutzten Fabrikanlage zudem erhebliche technik- wie auch gewerbegeschichtliche Bedeutung zu. §
Bau- und Nutzungsgeschichte:1862 liessen Gemeindeammann und alt Grossrat Johann Georg Schmitter, der bereits die Buntweberei und Kreppestoff-Fabrik in Fleckenhausen betrieb, sowie Johann Jakob Jäggi auf dem Sennhof die Spinnerei am Rothkanal errichten, nachdem sie im August 1860 von J. J. Lüscher auf der Hungerzelg und von Jakob Plüss im Rank das nötige Land erworben hatten [1]. Der Fortschritt im Turbinenbau ermöglichte es, trotz des schwachen Gefälles zum Antrieb das Wasser des Rothkanals (Bauinventarobjekt ROT928) zu nutzen, der ab 1640 als Wässerungsgraben zur Düngung der kargen Böden der „Hungerzelg“ angelegt worden war. 1864 wurde durch den Kanton die entsprechende Wasserrechtskonzession ausgestellt (vgl. Plan in der Bilddokumentation), wobei sich aus der Nutzung des Rothkanals in der Folge mitunter auch Konflikte mit den Bewirtschaftern der Wässermatten ergaben. 1881 gingen die Anteile von alt Amman Schmitter an die Erben seines Teilhabers, Otto und Paul Jäggi, über. 1896 nahm man zur Versorgung der Spinnerei gemäss Angabe im Brandkataster eine elektrische Kraftanlage in Betrieb [2].
1918 wurde das Unternehmen von Otto Krauer übernommen, 1925 von Textilfabrikant Fritz Hochuli aus Safenwil, der es später zusammen mit seinem Sohn Max als Firma Hochuli & Co. AG, Spinnerei am Rotkanal, weiterführte. 1924 erweiterte man den Hauptbau südostseitig durch einen Flachdachanbau. 1944 entstand das heute bestehende Kleinkraftwerk. Ebenfalls um die Mitte des 20. Jh. wurden eine Bleicherei und Färberei eingerichtet. 1968 stellte man den Betrieb von Natur- auf Kunstfasern um.
1985 erfolgten die Betriebseinstellung und der Verkauf der Maschinen ins Ausland. Das Gebäude wurde vom Rothrister Zimmermeister Willi Hofer übernommen, der es für kleingewerbliche und kulturelle Nutzungen einrichtete. 1987 wurde das zwischenzeitlich stillgelegte Kraftwerk nach einer Renovation wieder in Betrieb genommen. 2000/01 erfolgte eine fachgerechte Gesamtrenovation des Gebäudes, wobei das Dachgeschoss als Kunst- und Kulturraum („KUKU“) ausgebaut wurde [3].
Beschreibung:Die Spinnerei erhebt sich zusammen mit ihren Nebengebäuden am Fuss des Buchrains an der Bernstrasse, wo sie durch eine quer vom Rothkanal abgezweigte, kurze Druckleitung mit der nötigen Wasserkraft versorgt werden konnte. Der mächtige, quer zur Bernstrasse und zum Rothkanal gestellte, spätklassizistische Hauptgebäude präsentiert sich als dreigeschossiger Mauerbau, der über einem Kniestock ein gerades, für seine Entstehungszeit auffallend steiles Satteldach trägt. Die vier Gebäudekanten werden von vier eckturmartig ausgebildeten, von Walmdächern abgeschlossenen viergeschossigen Bautrakten gerahmt, die als viergeschossige Risalite über die Trauffassaden vorspringen, während ihre Flucht gegenüber den Stirnseiten leicht zurückversetzt ist. Das Mauerwerk war nach Ausweis alter Fotografien in einer für die Entstehungszeit untypischen Weise seit jeher steinsichtig belassen, wobei man aus der Ausbildung der Fenstergewände schliessen kann, dass ein Verputz wohl vorgesehen war, aber aus unbekannten Gründen schliesslich nicht ausgeführt wurde. Das Baumaterial besteht aus Jurakalk-Bruchsteinen, wobei im Eckverband besonders kräftige Quader verwendet wurden.
Die Längsseiten sind zwischen den beiden einachsigen Risaliten mit sieben, die Stirnseiten mit drei Achsen grossformatiger Einzelfenster streng regelmässig gegliedert. Südseitig führen zwei Eingänge in die Risalite, die über dem Erdgeschoss und dem zweiten Obergeschoss von Gurtgesimsen umfangen werden und stirnseitig mit kleinen Zwillingslichtern besetzt sind. Die Gewände der grossen Einzelfenster bestehen aus grünlich-grauem Sandstein, jene der Türen und der kleinen Zwillingsfenster aus Kalkstein. An der rückwärtigen, nördlichen Traufseite ist seit 2001 eine Fluchttreppe als Metallkonstruktion an das Haus gefügt.
Das Gebäude enthielt Räume für die Aufbereitung und Reinigung der Baumwollballen sowie die Spinnmaschinen. In den Anfängen wurde die Turbinenleistung noch durch Transmissionen und Gestänge auf die einzelnen Maschinen übertragen, weshalb man diese mit Vorteil auf engem Raum auch vertikal konzentrierte. Teilweise sind noch Elemente der ehemaligen Transmissionsanlagen vorhanden. Heute werden die unteren Geschosse von Gewerbebetrieben genutzt; das Dachgeschoss ist als Kunst- und Kulturraum eingerichtet. Die Deckenkonstruktionen werden von Gusseisensäulen gestützt. Das Treppenhaus im Mitteltrakt zeigt eine Kunststeintreppe mit Schmiedeeisengeländer aus der Zeit um 1900. Die Dachkonstruktion ruht auf einem stehenden Stuhl mit Querverstrebungen in beide Richtungen sowie zangenförmigem Kehlbalken.
An die östliche Stirnseite ist auf L-förmigem Grundriss ein zweigeschossiger, flachgedeckter Erweiterungsbau aus der Zeit um 1900 an das Gebäude gefügt. Im einspringenden Winkel an dessen Rückseite steht das Kraftwerk von 1944, das durch eine in gleicher Lage seit 1862 bestehende Druckleitung aus dem leicht erhöhten Rothkanal mit Wasserkraft versorgt wird. Das Kraftwerk verfügt noch über die gesamten technischen Einrichtungen wie auch Schaltanlagen aus der Entstehungszeit. Nördlich des Fabrikgebäudes steht ein eingeschossiges Nebengebäude aus dem frühen 20. Jh., wohl das ehem. Kesselhaus. Erhalten hat sich ein kurzer Kamin, während der eigentliche Hochkamin an der entgegengesetzten Stirnseite abgebrochen wurde.
Am Rothkanal besteht noch die wohl gleichzeitig mit der Anlage des Kraftwerks erneuerte Wehranlage. Der Einlauf in die Druckleitung führt durch ein kleines Nebengebäude aus Kalksandstein mit Pultdach. Ein zweites Wehr mit hölzernen Schützen, das über Zahnstangen mit Schneckenantrieb zu bedienen ist, staut den Rothkanal ab.
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Boner/Oehler 1959, S. 136f.; AZ, 19.4.2001; Typoskript Hofer 2009; Widmer-Dean 2012, S. 208-211. – Zur Buntweberei und Kreppestoff-Fabrik in Fleckenhausen vgl. den Eintrag zur Villa Bernstrasse 26, Bauinventarobjekt ROT910. Johann Jakob Jäggi war der Erbauer des stattlichen Hauses Bernstrasse 81 (heute Haus Dr. Güttinger, Kantonales Denkmalschutzobjekt ROT004); vgl. R[olf] Hofer, Rothrist in alten Ansichten, Zaltbommel (NL), 2. Auflage, 1981 , Abb. 10.
[2] Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0647-0649, Brandkataster Gemeinde Rothrist, 1875-1938.
[3] Aargauer Zeitung (AZ), 19.4.2001; Widmer-Dean 2012, S. 208-211.
Literatur:- Markus Widmer-Dean, Rothrist im Lauf der Zeit, Rothrist 2012, S. 208-211, 319.
- Ein Fabrikgebäude erzählt, in: Beat Guthauser/Andrea John/Felix Boller, Leben im Aargau. Menschen und Natur in Raum und Zeit : Lehrmittel zu Geografie, Geschichte und Sozialkunde im Kanton Aargau, Buchs AG 2006, S. 86f. (zur Spinnerei am Rothkanal).
- Aargauer Zeitung (AZ), 19.4.2001.
- Georg Boner / Robert Oehler, Rothrist, mein Dorf, Aarau [1959], S. 136f.
Quellen:- R. Hofer, Geschichtliches zum ehem. Spinnereigebäude, Typoskript, 2009 (dankend erhalten vom Verf., 2009).
- Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0647-0649, Brandkataster Gemeinde Rothrist, 1875-1938.
- Staatsarchiv Aargau: DB.W01/0023/03, Wasserwerkskonzessionen Gemeinde Rothrist.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv: LBS_MH03-1299, LBS_MH03-1301, LBS_MH03-1529, LBS_MH03-1694.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=133592
 

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