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INV-RUA905 "d' Chappele" Chappeleweg 8a, 16. Jh. (Dossier (Bauinventar))
Identifikation |
Signatur: | INV-RUA905 |
Signatur Archivplan: | RUA905 |
Titel: | "d' Chappele" Chappeleweg 8a |
Ansichtsbild: |
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Bildlegende: | Ansicht von Südwesten (2018) |
Bezirk: | Brugg |
Gemeinde: | Rüfenach |
Ortsteil / Weiler / Flurname: | Hinterrein |
Hist. Name Objekt: | "d' Chappele" |
Adresse: | Chappeleweg 8a |
Versicherungs-Nr.: | 66 |
Parzellen-Nr.: | 325 |
Koordinate E: | 2658773 |
Koordinate N: | 1262204 |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 16th cent. |
Grundlage Datierung: | Literatur; Brandkataster |
Nutzungen: | Ursprünglich Wohnhaus des Kaplans |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Sakrale Bauten und Anlagen |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Kaplanei |
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Dokumentation |
Würdigung: | Über dem Hügelsporn von Hinterrein aufragender spätgotischer Mauerbau mit markanten Treppengiebeln, zu dem sich der Name "d' Chappele" überliefert hat. Vermutlich handelt es sich um den letzten Überrest der im 16. Jahrhundert urkundlich bezeugten St. Ulrichs-Kaplanei. In der mit Strebepfeilern verstärkten westliche Stirnfront sind unter dem Verputz noch drei spätgotisch gekehlte Fenstergewände, ein Spitzbogen und ein älterer, tiefer liegender Treppengiebel verborgen. Das repräsentative Gebäude, das nach der Reformation von der ländlichen Oberschicht als Wohnhaus genutzt wurde, blickt auf eine interessante Bau- und Nutzungsgeschichte zurück. Die bis vor kurzem prägenden Gestaltungselemente aus der Umbauphase um 1900 sind im Rahmen der jüngsten Renovation grösstenteils entfernt oder ersetzt worden. Der lokalgeschichtlich bedeutende Bauzeuge ist weithin sichtbar und somit von hohem Situationswert. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Das Gebäude, das im Volksmund noch heute "d' Chappele" heisst, ist in seinem Kern vermutlich identisch mit der urkundlich bezeugten spätmittelalterlichen St.-Ulrichs-Kaplanei. Es handelt sich somit um das ehemalige Wohnhaus des Kaplans (Hilfspfarrers), der die Hinterreiner St.-Ulrichs-Kapelle betreute. Der westlich angrenzende "Chappelacher" dürfte das ehemals zugehörige Land bezeichnen, das dem Kaplan zur Selbstversorgung und Ergänzung des Einkommens diente. Die in den Schriftquellen des 16. Jh. mehrfach belegte Kapelle konnte währenddessen bis heute nicht genauer lokalisiert werden [1]. Sie dürfte im Zuge der Reformation aufgegeben worden sein. Die ehemalige Kaplanei diente später der ländlichen Oberschicht als Wohnhaus [2]. Im frühen 19. Jh. war dies Ammann Hans Jakob Steiner, der mit seiner Familie in Heimarbeit als Strumpfwirker arbeitete und im Haus zu diesem Zweck drei Strumpfwebstühle aufgestellt hatte [3]. Aufgrund der zunehmend schwierigen wirtschaftlichen Lage gegen Mitte des 19. Jh. gaben seine Nachkommen dieses Gewerbe auf und wanderten nach Amerika aus. 1847 übernahm Abraham Hirt, alt Weibel, die Liegenschaft, von dem sie 1852 an die Söhne Heinrich und Abraham Hirt überging. Auch der jüngere Abraham Hirt führte das Amt des Weibels weiter. Der Eigentümer der "Chappele" ab 1913, vermutlich sein Neffe Johann Hirt, Heinrichs, war Vize-Ammann in Rein. Unter der Obhut der Familie Hirt erfolgten im Lauf des 19. und frühen 20. Jh. mehrere bauliche Veränderungen, die das Erscheinungsbild des Gebäudes bis vor wenigen Jahren wesentlich prägten. So muss bereits vor 1875 an der Südostecke ein eingeschossiger Anbau unter Schleppdach erfolgt sein, der gemäss Brandkataster eine Kammer und später die Waschküche enthielt. Im frühen 20. Jh. wurde an der östlichen Stirnseite eine bis vor wenigen Jahren noch bestehende hölzerne Erschliessungslaube angefügt. Auch die Dachkonstruktion wurde um 1900 erneuert und spätestens in diesem Zusammenhang der Treppengiebel leicht erhöht (vgl. weiter unten). Es ist anzunehmen, dass auch die Wohnräume im entsprechenden Zeitgeschmack neu ausgebaut wurden. Insgesamt stieg der geschätzte Wert des Hauses laut Brandkataster zwischen 1898 und 1915 von 3950 auf 12'000 Franken [4]. In den letzten Jahren erfolgten mehrere bauliche Veränderungen, die nicht nur zu einem Verlust historischer Bausubstanz geführt haben, sondern in der Tendenz auch der Wirkung des imposanten, ehemals kompakten Baukörpers abträglich sind. Mit beidseits drei Schleppgauben haben die ehemals ruhigen Dachflächen eine starke Öffnung erfahren. Die hölzerne Laube, die sich als zeittypische Erschliessung der Zeit um 1900 mit ihrer Materialität vom kompakten, steinernen Hauptbau absetzte, wurde durch ein modernes, gemauertes Treppenhaus mit aufgesetzter Schleppgaube ersetzt. Gleichzeitig wurde der ehemals schlichte, mit der Fassade fluchtende Eckanbau nach Osten vorgerückt bzw. erweitert und um ein zweites Geschoss erhöht. |
Beschreibung: | Das in seiner Grundanlage spätgotische Wohnhaus dominiert als hochragender Mauerbau mit markanten Treppengiebeln an der westlichen Hangkante von Hinterrein die umliegende Landschaft. Der sich über nahezu quadratischer Grundfläche zweigeschossig erhebende Baukörper ist mit dem First quer zum Hang gestellt. Er trägt ein gerades Satteldach, das stirnseitig von Treppengiebeln überragt wird. Die nach Süden orientierte Traufseite ist mit jeweils drei gleichmässig verteilten Rechtecklichtern grosszügig befenstert; die Anordnung lässt vermuten, dass bis zur Ergänzung des Eckanbaus eine vierte Achse bestand. Nach Norden weist die Fassade an beiden Geschossen nur zwei axial gesetzte Einzelfenster auf. Unter der roten Farbfassung haben sich hier ältere Gewände aus rötlichem Sandstein erhalten, die vermutlich auf eine Umbauphase im 19. Jh. zurückgehen. Die südseitigen Gewände wurden inzwischen erneuert. Die mit geböschten Eckpfeilern verstärkte westliche Stirnmauer bewahrt unter dem jüngsten Verputz die spätgotisch gekehlten Gewände von drei kleineren spätmittelalterlichen Fensteröffnungen. Gemäss Planaufnahmen, die anlässlich einer Aussenrenovation 1948 angefertigt wurden, befinden sich im Mauerwerk ausserdem ein Spitzbogentor sowie ein älterer, tiefer liegender Treppengiebel. Darin dürfte sich der Kerbau aus dem 15./16. Jh. fassen lassen. Ein weiteres spätgotisches Fenster aus rötlichem Sandstein ist in der Mittelachse des östlichen Giebels teilweise sichtbar geblieben (vom Vordach des Treppenanbaus beschnitten). Ansonsten zeigt sich die dem Hof zugewandte Fassade heute stark verändert. Sie tritt hinter den Vor- und Erweiterungsbauten der jüngsten Bauphase zurück und ist kaum mehr als Bestandteil eines historischen Gebäudes lesbar. Zum unteren Wohnungseingang hat sich das aus dem 19. Jh. stammende profilierte Steingewände erhalten. Im Innern entspricht die Raumstruktur mit Stichgang entlang der Südfassade, östlich anschliessender Küche mit ehemaliger Küchenkammer im Nordosten, Stube im Südwesten und nordwestlichem Zimmer noch weitgehend der althergebrachten Situation. An historischer Innenausstattung ist abgesehen von einfachem Täfer an den Fensterleibungen der unteren Stube nichts mehr vorhanden [5]. Zur spätgotischen Ausstattung der Zeit um 1550 dürfte ehemals eine Fenstersäule aus rötlichem Sandstein gehört haben, die als verbautes Fragment bei der Renovation von 1996 gefunden wurde (gemäss Kurzinventar 1996). Über eine hofseitige Aussentreppe ist durch eine mit rötlichem Sandstein eingefasste Stichbogentür ein kleiner, unter der Küchenkammer liegender Gewölbekeller zugänglich. |
Anmerkungen: | [1] Baumann 1998, S. 86, Anm. 18; Stettler/Maurer 1953, S. 391, Anm. 2; Georg Boner, Die Urkunden des Stadtarchivs Brugg, Aarau 1937, Nrn. 288, 342, 349, 392, 393, 430, 482, 538. [2] Baumann 1998, S. 195. [3] Baumann 1998, S. 161. [4] Staatsarchiv Aargau, 4511: Brandkataster Gemeinde Rein 1829-1849; CA.0001.0169-0170: Brandkataster Gemeinde Rein 1850-1898; CA.0001.0180: Brandkataster Gemeinde Rüfenach 1899-1938. [5] Die obere Wohnung wurde laut Auskunft des Eigentümers 2011 nach einem Brand erneuert. |
Literatur: | - Max Baumann, Rein und Rüfenach. Die Geschichte zweier Gemeinden und ihrer unfreiwilligen Vereinigung, Baden 1998, S. 86, 161, 195. - Michael Stettler, Emil Maurer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 2, Basel 1953, S. 391. |
Quellen: | - Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv. - Kantonale Denkmalpflege Aargau, Planarchiv, RUA839/001 und RUA839/002. - Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar IV-21/10. - Staatsarchiv Aargau, 4511: Brandkataster Gemeinde Rein 1829-1849; CA.0001/0169-0170: Brandkataster Gemeinde Rein 1850-1898; CA.0001/0180: Brandkataster Gemeinde Rüfenach 1899-1938. - Georg Boner, Die Urkunden des Stadtarchivs Brugg, Aarau 1937, Nrn. 288, 342, 349, 392, 393, 430, 482, 538. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=134350 |
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