INV-BUS917 Alte Mühle, 1799-1800 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-BUS917
Signatur Archivplan:BUS917
Titel:Alte Mühle
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordwesten (2018)
Bezirk:Aarau
Gemeinde:Buchs (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Ausserdorf
Adresse:Müliweg 2, 4
Versicherungs-Nr.:75, 1190
Parzellen-Nr.:467, 2325
Koordinate E:2648286
Koordinate N:1248849

Chronologie

Entstehungszeitraum:1799 - 1800
Grundlage Datierung:Inschrift (Hauseingang); Literatur
Nutzungen:1906 Weberei; 1913 Bandappreturfabrik; um 1960/70 Betriebseinstellung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Mühle

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2019

Dokumentation

Inschriften:"1800 SA GY" (Türsturz Eingang Kernbau)
Würdigung:1799/1800 für Samuel Gysi errichtetes und 1824 um ein Wohnhaus erweitertes Mühlegebäude, das später die Bandappreturfabrik Albiez beherbergte. Das hart über dem Flusslauf der Suhre aufragende Gebäudeensemble, das sich aus zwei verputzten Mauerbauten mit regelmässiger Einzelbefensterung und leicht versetzten Satteldächern sowie einem schmalen Quergiebelanbau zusammensetzt, hat in den vergangenen Jahren einen erfreulichen Umbau zu einem Wohn- und Geschäftshaus erfahren; bereits seit längerem umgestaltet ist der heute zur benachbarten Überbauung gehörende Anbau auf der Ostseite. Mit ihrer Gründung, die sich der Gewerbefreiheit der Helvetik verdankte, und der späteren, für Mühlen durchaus typischen Umwandlung zu einem kleinen Industriebetrieb dokumentiert das Gebäude exemplarisch ein Stück Gewerbegeschichte des 19. Jahrhunderts.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Eine Mühle in Buchs wird erstmals 1358 erwähnt, dürfte aber bereits wenig später eingegangen sein, zumal in den nachfolgenden Jahrhundert nie von einer Mühle die Rede ist. 1799 nutzte Samuel Gysi, Munizipalbeamter und Kirchmeier in Buchs, die neue Gewerbefreiheit der Helvetik, um die Konzession für den Betrieb einer neuen Mühle zu erhalten [1]. In diesem Zusammenhang entstand der Kernbau der heute noch bestehenden Anlage, der auf dem Türsturz das Baudatum 1800 sowie Gysis Initialen «SA GY» zeigt. Gemäss dem ersten Brandkatastereintrag von 1805 umfasste die Liegenschaft zum einen «die Mühli ein zweystökiges steinernes Gebeü mit Ziegel gedeckt», zum anderen «Nebentgebeü die Ribe [Reibe] von Holtz und Steinen mit Ziegel gedeckt» [2]. 1817 wurde die Mühle an Säckelmeister Jakob Wildi von Suhr und von diesem bereits 1818 an Jakob Märki verkauft, von dem sie 1822 an den gleichnamigen Sohn und in der Folge an dessen Nachkommen überging [3]. Ab 1840 waren dies gemäss Brandkataster Jakob, Daniel und Samuel, später wiederum Samuel, wohl ein Sohn, ab 1893 Jakob und Gottlieb. 1824 errichtete Jakob Märki, der hier als Wagner bezeichnet wird, das westseitig an die Mühle angebaute Wohnhaus, ein «zweistökiges Haus von Holz und Riegel mit Ziegel gedekt und Tremkeller». Dieses ging im Unterschied zur übrigen Anlage 1830 an Abraham Stadler, 1848 an Wittwe Richner in Aarau, 1849 an Johannes Märki, Gärtner, über und befand sich 1875 wieder im gleichen Eigentum wie die Mühle.
Gemäss dem Brandkataster-Band von 1828 besass die Mühle drei Mahlgänge mit drei Wasserrädern, das «Gebäudli» der Beimühle, das später vielleicht im ostseitigen Anbau aufging, ein weiteres Wasserrad. 1881 plante man gemäss Konzessionsakten den Ersatz der Wasserräder durch eine Girard-Turbine, die 1885 gleichzeitig mit einer ebenfalls neu erstellten «Dampfmaschine (Halblokomobil)» in den Brandkataster eingetragen wurde [4]. Im ausgehenden 19. Jh. wurde der ostseitige Anbau mit dem Turbinenhaus auf seine heutige Grösse erweitert, wie er auf einer (im übrigen stark idealisierten) Ansicht von 1899 erscheint (vgl. Bilddokumentation).
Nach der Betriebseinstellung der Mühle im Jahr 1906 ging die Anlage an Fabrikant Fritz Oboussier über, Eigentümer der gleichnamigen Weberei, welcher die Wasserkraft nun zum Betrieb eines Generators nutzte und dazu eine Francis-Turbine von Rieter in Winterthur einbauen liess [5]. Bereits 1913 folgte als neuer Eigentümer Gustav Albiez, der seine 1909 in Unterentfelden gegründete Bandappreturfabrik in die Gebäude verlegte [6]. Wohl im Zusammenhang mit einer dieser beiden Neunutzungen wurden bauliche Veränderungen an der inneren Tragstruktur der Gewerberäume vorgenommen. Vielleicht im selben Zeitraum erfolgte auch eine flussseitige Erweiterung des Gebäudes. Die Betriebseinstellung der Firma Albiez erfolgte um 1960/70.
Um 1980/90 wurde der ostseitige Anbau in ein Gemeinschaftslokal für die damals auf dem östlichen Nachbargrundstück realisierte Überbauung umgebaut. Seit 2014 erfolgte etappenweise ein schonender, gut gestalteter Umbau der Hauptgebäude zu Wohnungen sowie einem Ladenlokal (Architekt Stephan Walther, Aarau). Zur Zeit (2018) stehen die Arbeiten kurz vor dem Abschluss.
Beschreibung:Die Alte Mühle ist mit dem First parallel an das nördliche Ufer der hier in Ost-West-Richtung verlaufenden Suhre gestellt. Sie besteht aus dem Kernbau von 1800, dem westseitig in gleicher Flucht anschliessenden Wohnhaus von 1824 sowie einem ostseitigen Anbau mit dem ehemaligen Turbinenhaus, der im ausgehenden 19. Jh. in mehreren Etappen entstanden ist und nach Norden über die Bauflucht des Kernbaus vorragt. Es handelt sich um verputzte zweigeschossige Mauerbauten, von denen Kernbau und Wohnhaus unter geknickten Satteldächern mit leicht versetztem First liegen, während der ostseitige Anbau von Quergiebeln abgeschlossen wird. Der Kernbau tritt von der Zufahrt am Müliweg her mit vier regelmässig verteilten Achsen von Einzelfenstern in Erscheinung. Die gefalzten Muschelkalkgewände haben im Erdgeschoss gedrungene, im Obergeschoss schlanke Rechteckform. Der exzentrisch zum Kernbau gelegene ebenerdige Eingang wird von einem Rechteckportal gerahmt, das am wuchtigen Sturz die Initialen «SA GY», Mühlrad und Pflugschar – wohl das Familienwappen Gysis – sowie das etwas krakelige Baudatum 1800 zeigt. Das nach Westen anschliessende, über einem Kellersockel aufragende Wohnhaus von 1824 ist an der Traufseite zum Müliweg mit drei, an der Stirnseite mit vier Achsen von Einzelfenstern besetzt, die von gefalzten Muschelkalkgewänden mit Blockbänken gerahmt werden. Die stirnseitigen Fensteröffnungen sind am Erdgeschoss mit profilierten Verdachungen ausgezeichnet und besitzen durchgehend hölzerne Jalousieläden (zur Zeit eingelagert). Der Eingang in das etwas höher gelegene Erdgeschoss liegt ebenfalls nordseitig und wird über eine doppelläufige Freitreppe erreicht. Er bewahrt noch ein gefeldertes Türblatt mit schmiedeeiserner Vergitterung aus dem späten 19. Jh.
Die flussseitige Front, die am dicht bewachsenen Ufer kaum einsehbar ist, erhebt sich über einer hohen, aus grossen Quaderblöcken gefügten Böschungsmauer. Sie zeigt sich durch mehrere sukzessive Anpassungen des Gewerbegebäudes geprägt und ist gegenüber der ursprünglichen Flucht des Kernbaus um etwa zwei Meter näher zum Fluss gerückt. Im Zug des laufenden Umbaus wurden hier zurückhaltend gestaltete Balkone angefügt. Der ostseitige Anbau (Vers.-Nr. 1190) bildet eine schmale Raumschicht, die quer zum First das Hauptdaches von zwei Satteldächern abgeschlossen wird. An der Ostseite tritt das etwas höhere, auf geringerer Breite fortgesetzte Hauptdach ebenfalls als Quergiebel in Erscheinung. Ostseitig vor dem Anbau lag früher das Turbinenhaus. Dem Antrieb diente der quer in den Flusslauf der Suhre mündende Mühlekanal (vgl. Aufnahmeplan von 1907 in der Bilddokumentation).
Das Innere des Mühlegebäudes beherbergt seit dem aktuellen Umbau im Erdgeschoss des Kernbaus ein grosses Verkaufslokal, im Wohnhaus von 1824 eine Wohnung. Die Obergeschosse beider Gebäudetrakte sind zu einer durchgehenden Wohnung verbunden. Der im Inneren wohl kurz nach 1900 stark umgestaltete Kernbau besitzt eine Hourdisdecke mit Doppel-T-Trägern, die auf einem längs verlaufenden Unterzug aufliegt. Erhalten ist das mächtige ursprüngliche Dachgerüst, eine Sparrenkonstruktion mit liegendem Stuhl. An der Flussseite ist die nachträgliche Erweiterung unter abgeschleppten Dachflächen gut erkennbar. Das Wohnhaus von 1824 ist durch einen Stichgang erschlossen, in dem eine bauzeitliche Holztreppe mit Staketengeländer ins Obergeschoss führt. Die Erdgeschosswohnung ist modernisiert. Die Zimmer der Obergeschosswohnung bewahren noch Teile der alten Ausstattung wie Türen und Parkettböden. Unter dem Wohnhaus erstreckt sich quer zum Fluss ein Gewölbekeller.
Anmerkungen:[1] Byland 1960, S. 139-142; ders. 1982, S. 21f.; Widmer-Dean / Richner 2010, S. 228f.
[2] Staatsarchiv Aargau: ZwA 1936.0001/0200-0202; CA.0001/0009-0010, Brandkataster Gemeinde Buchs, 1805-1847, 1875-1938.
[3] Byland 1982, S. 21f.
[4] Staatsarchiv Aargau: ZwA 1936.0001/0200-0202; CA.0001/0009-0010, Brandkataster Gemeinde Buchs, 1805-1847, 1875-1938; StAAG, DB.W01/0055/09.
[5] Ebd.; zur Firma vgl. VAMUS, Datenbank Industriekultur: http://www.vamus.ch/industriekultur/index.cfm, Art. 'Weberei Oboussier AG' (Zugriff 5.2.2019).
[6] Staatsarchiv Aargau: ZwA 1936.0001/0200-0202; CA.0001/0009-0010, Brandkataster Gemeinde Buchs, 1805-1847, 1875-1938; zur Firma vgl. VAMUS, Datenbank Industriekultur: http://www.vamus.ch/industriekultur/index.cfm, Art. 'Gustav Albiez Appretur' (Zugriff 5.2.2019); Ammann 1945, S. 40.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung, Erhaltungsziel A.
- Gemeinde Buchs, Inventar der geschützten Kulturobjekte, 2018, Inv.-Nr. 156.
Literatur:- VAMUS, Datenbank Industriekultur: http://www.vamus.ch/industriekultur/index.cfm, Art. 'Gustav Albiez Appretur' (Zugriff 5.2.2019).
- Markus Widmer-Dean / Raoul Richner, Dorf und Gemeinde Buchs, Buchs 2010, S. 228f.
- Max Byland, Die Gemeinde Buchs. Vom Bauerndorf zur Industriegemeinde, Buchs 1982, S. 21f.
- Max Byland, Alt-Buchs, [Buchs] 1960, S. 139-142.
- Hektor Ammann, Der Bezirk Aarau. Heimatgeschichte und Wirtschaft, Zürich 1945, Inserateteil, S. 40.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau: ZwA 1936.0001/0200-0202; CA.0001/0009-0010, Brandkataster Gemeinde Buchs, 1805-1847, 1875-1938.
- Staatsarchiv Aargau (StAAG): DB.W01/0055/09, Wasserwerkskonzessionen Gemeinde Buchs.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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