INV-TEU909 Alte Landstrasse 15, 1828 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-TEU909
Signatur Archivplan:TEU909
Titel:Alte Landstrasse 15
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Südliche Schaufront des Grazihofs (2019)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Teufenthal (AG)
Hist. Name Objekt:Gratzihof
Adresse:Alte Landstrasse 15
Versicherungs-Nr.:12
Parzellen-Nr.:300
Koordinate E:2652361
Koordinate N:1241940

Chronologie

Entstehungszeitraum:1828
Grundlage Datierung:Inschrift (Hauseingang)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:TEU004
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2020

Dokumentation

Inschriften:"1828 / 1894 S" (Hauseingang); „Egli Arau 1828" (Ofenkachel)
Würdigung:Am östlichen Dorfausgang im offenen Kulturland gelegener bäuerlicher Vielzweckbau, der mit dem zugehörigen älteren Speicher (Kantonales Denkmalschutzobjekt TEU004) eine malerische Hofanlage mit gepflegtem Bauerngarten und mächtigem Nussbaum bildet. Im Volksmund als „Grazihof“ bekannt, weist das Anwesen einen eigentumsgeschichtlichen Bezug zur benachbarten Mühle von Teufenthal auf (Bauinventarobjekt TEU901). Das mit zwei Umbauten 1828 und 1832 aus einem strohgedeckten Vorgängerbau hervorgegangene Gebäude tritt als behäbiger spätbarocker Mauerbau mit stichbogigen Tür- und Fenstergewänden sowie mächtigem Teilwalmdach in Erscheinung. Für damalige Verhältnisse grosszügig bemessene Räume und die in Teilen erhaltene historische Ausstattung bezeugen einen gehobenen ländlich-bäuerlichen Lebensstandard.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Wie den geschichtlichen Aufzeichnungen zum Familienstamm der „Grazimüller“ zu entnehmen ist, geht die Bezeichnung „Grazi“ auf den in Unterkulm geborenen und später in Gontenschwil und auf dem Wannenhof in Oberkulm wohnhaften Gratian oder „Grazi“ Müller (1572-1642) zurück [1]. Ein Urenkel von „Grazi“, Melchior Müller (1675-1725), konnte 1695 das Bürgerrecht von Teufenthal erwerben. Er war in erster Ehe mit der zwanzig Jahre älteren Barbara Hüsler, Besitzerin der Teufenthaler Mühle (Bauinventarobjekt TEU901), verheiratet. Melchior Müller war indessen wohl nicht selber als Müller tätig, sondern erwarb etliche landwirtschaftliche Güter und ein „Haus beyr Mühli“. Es ist davon auszugehen, dass es sich bei der besagten Liegenschaft um den Vorgängerbau des heutigen „Grazihofs“ handelte. Über Melchiors Sohn Hans Rudolf Müller (1725-1801) und dessen gleichnamigen Sohn (1757-1830) gelangte der „Grazihof“ schliesslich in die Hände von Samuel Müller (1806-1869). Da dieser keine männlichen Nachkommen hatte, endete mit seinem Tod die Familiendynastie der Müller auf dem „Grazihof“; die Liegenschaft ging 1872 an Johann Gall und 1879 an Rudolph Mauch über.
Das bestehende Gebäude ist am Hauseingang wie auch am Kachelofen mit 1828 datiert. Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1829 wird es als „Wohnhaus mit Bescheuerung von Stein und Holz, 2 Stock hoch mit gewölbtem Keller, theils Stroh und theils Ziegeldach“, in Besitz von Samuel Müller, aufgeführt [2]. Der Hinweis auf eine damals noch existierende partielle Strohbedachung und der Rückverweis auf eine ältere Brandversicherungsnummer machen glaubhaft, dass das heute bestehende Gebäude schrittweise aus einem strohgedeckten Vorgängerbau hervorgegangen ist. Demnach dürfte 1828 vorerst eine Erneuerung des Wohnteils stattgefunden haben, ehe kurz danach ein vermutlich vollständiger Ersatz des Scheunentrakts erfolgte. Ein entsprechender Hinweis findet sich in einem Brandkatastereintrag von 1832, als von einer „Verbreiterung der Scheune und Eindeckung mit Ziegeln“, verbunden mit einem deutlichen Anstieg des Versicherungswertes von vormals 3100 auf 5000 Franken, die Rede ist. Offensichtlich wurde die Transformation des ehemaligen Strohdachhauses derart umfassend vorgenommen, dass am heutigen Gebäude keine Spuren des Vorgängerbaus mehr zu erkennen sind. Der auf dem Hofplatz stehende Speicher (Kantonales Denkmalschutzobjekt TEU004) dürfte jedoch noch aus dem 18. Jh. stammen und war somit Teil der vormals bestehenden Hofanlage mit strohgedecktem Hauptgebäude.
1894 ging der „Grazihof“ kurzzeitig an den Teufenthaler Zigarrenfabrikanten Otto Säuberli über, ehe er 1916 an Emil Waldvogel-Näf gelangte. Vermutlich liess Otto Säuberli im Hausinnern und wohl auch an der Fassade bauliche Veränderungen vornehmen; so dürfte der gebänderte Fassadenputz an der südlichen Stubenfront aus dieser Zeit stammen. Am Scheitelstein des stichbogigen Türsturzes sind zwischen dem geteilten Baujahr 1828 denn auch eine zweite Jahreszahl 1894 sowie der Buchstabe S (für Säuberli?) eingelassen. Weitere Umbauten und Modernisierungen namentlich auch am Ökonomieteil fanden in den 1980er Jahren statt.
Beschreibung:Das im Volksmund „Grazihof“ genannte bäuerliche Anwesen steht am östlichen Dorfausgang nahe der Mühle (Bauinventarobjekt TEU902) im offenen Kulturland, wo es mit dem zugehörigen älteren Speichergebäude (Kantonales Denkmalschutzobjekt TEU004) und dem gepflegten vorgelagerten Bauerngarten eine intakte Hofanlage mit erheblicher Fernwirkung bildet. Der stattliche bäuerliche Vielzweckbau erhebt sich als langgestreckter gemauerter Baukörper, welcher in Ost-West-Ausrichtung traufständig an die Alte Landstrasse nach Dürrenäsch gestellt ist. Ein mächtiges, grösstenteils noch mit Biberschwanzziegeln eingedecktes und von einer Sparrenkonstruktion mit liegenden Stuhljochen getragenes Teilwalmdach fasst den 1828 datierten Wohnteil und den 1832 erneuerten Scheunentrakt zusammen. Südlich vorgelagert ist ein ausgedehnter, von einem Steinmäuerchen mit jüngerem Lattenzaun eingefasster Bauerngarten, welcher wesentlich zur malerischen Situation beiträgt. Gleiches gilt für den südwestlich vor dem Ökonomietrakt stehenden mächtigen Nussbaum. Im rückwärtigen Hofraum steht ein mächtiger Brunnen aus Muschelkalk, mit zweigeteiltem Trog und mehrfach gestufter pyramidenartiger Abdeckplatte am Stock.
Einen repräsentativen Charakter zeigt die südliche Stubenfront, welche mit sechs Achsen von stichbogigen Einzelfenstern, einem gebänderten Verputz am Erdgeschoss sowie einem kantig profilierten Gurtgesims gestaltet ist. Die innere, tennseitige Achse nimmt der Hauseingang ein, welcher leicht erhöht gelegen und über eine dreiseitige Treppe aus Muschelkalkblöcken erreichbar ist. Das aus Muschelkalk gehauene Türportal ist wie die Fenstergewände stichbogig ausgebildet und zeigt im oberen Bereich der Seitenwangen ein Relief mit Würfelfriesmotiv. Am Sturz finden sich das geteilte Baujahr 1828, am dazwischen gesetzten Scheitelstein eine zweite Jahreszahl 1894 sowie der Buchstabe „S“ vermutlich für Säuberli. Aus der Bauzeit erhalten ist der vierteilige gestemmte Türflügel mit beschnitztem Rautenmotiv. Im Vergleich zur südlichen Stubenfront sind die Stirnseite und die rückseitige Fassade des Hauses mit zwei bzw. drei Fensterachsen zurückhaltender gestaltet. Immerhin aber zeigt die Stirnfront ein offenes Fluggespärre mit beschnitzten Pfettenköpfen sowie mit Stabprofilen verzierten Bügen.
Das Hausinnere weist ein gängiges Grundrissmuster mit quer zum First verlaufendem Hausgang und vierteiliger Raumanordnung auf, wobei Stube und Nebenstube die südseitige Vorderseite sowie Küche und Kammer den rückwärtigen Bereich einnehmen. Eine Ausweitung des Hausgangs zur Küche hin nimmt einen grosszügig disponierten Abgang zu den zwei Gewölbekellern auf. Ebenso führt ein interner Treppenaufgang ins Obergeschoss, welches in ähnlicher Disposition wie das Parterre Wohn- und Schlafräume enthält. An historischer Ausstattung aus der Bauzeit hat sich in der unteren Stube eine hübsch profilierte Balkendecke erhalten, während der braun reliefierte Ofen mit anschliessender Sitzkunst aus der Umbauphase von 1894 stammen dürfte. Gleiches gilt für das sorgfältig gearbeitete Staketengeländer des Treppenaufgangs. An einem jüngeren Sitzofen im Obergeschoss wiederum finden sich ältere (wiederverwendete) Zierkacheln, welche vom originalen Stubenofen stammen dürften. Vasenmotive mit Blumengirlanden und Spruchfeldern sind charakteristische Motive des in Aarau tätigen Ofenmalers Johann Heinrich Egli (1776-1852), welcher sich denn auch mit dem Schriftzug „Egli Arau“ und der Jahreszahl 1828 verewigt hat [3].
Im Vergleich zum Wohnteil hat der stattliche Ökonomietrakt im Laufe der Zeit etwas grössere Veränderungen erfahren. Von der ursprünglichen Konstellation des Mittertennhauses (Nutzungsabfolge Wohnteil-Tenn-Stall-Futtertenn) verblieben ist das zentrale, an den Hausgang anschliessende Tenn mit dem grossflächigen Brettertor. Indessen wurde der anschliessende Stallbereich nachträglich zu einer Remise umfunktioniert. Heute präsentiert sich der aussenseitige Ökonomiebereich als Abfolge von drei remisenartigen Kompartimenten, wovon der äusserste Teil womöglich nachträglich hinzugekommen oder aber erneuert wurde. Davon zeugt das inwendig sichtbare Backsteinmauerwerk an der bestehenden Stirnfront des Hauses. Ebenso hat der Ökonomietrakt eine nachträgliche rückwärtige Erweiterung erfahren (rückwärtige Anbauten nicht Teil des Schutzumfangs).
Anmerkungen:[1] Zur Geschichte des „Grazihofs“ vgl. Richner 2005/06, S. 28-34.
[2] Staatsarchiv Aargau, BA.05.0080: Brandkataster Teufenthal 1829-1950; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0278-0281: Brandkataster Teufenthal 1850-1938.
[3] Zu Ofenmaler Egli vgl. Räber 2002, S. 200-201.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Raoul Richner, Wie die Grazihöfe zu ihrem Namen kamen, In: Jahresschrift der Historischen Vereinigung Wynentla 2005/06, S. 26-34.
- Rolf Bolliger/Markus Widmer-Dean, Trostburg – Liebegg, Menziken 2005.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 48.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05.0080: Brandkataster Teufenthal 1829-1950; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0278-0281: Brandkataster Teufenthal 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=136417
 

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