INV-OBK921 Beidelstrasse 5A, 5B, 1700 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-OBK921
Signatur Archivplan:OBK921
Titel:Beidelstrasse 5A, 5B
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Norden (2019)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Oberkulm
Adresse:Beidelstrasse 5A, 5B
Versicherungs-Nr.:115A, 115B
Parzellen-Nr.:191, 190
Koordinate E:2651563
Koordinate N:1238469

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1700
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:Ehemals strohgedeckter bäuerlicher Vielzweckbau wohl aus dem 17./18. Jahrhunderts, der sich als markantester Vertreter dieses einst siedlungs- und landschaftsprägenden Haustyps unweit des alten Bebauungsasts Obersteg, westlich des denkmalgeschützten Strohdachspeichers (OBK002), erhalten hat. Der grossvolumige, unter einem charakteristisch steilen, weit hinabreichenden Walmdach geborgene Baukörper ist in seiner äusseren Gesamtform intakt erhalten. Im Innern birgt er eine imposante, bautechnisch interessante Hochstudkonstruktion sowie Teile des alten Ständergerüsts mit einzelnen Bohlenfüllungen. Die im 19. und 20. Jahrhundert weitgehend erneuerten Fassaden weisen mit den holzgenagelten Tenntoren, den Ständern zwischen Tenn und Wohnteil samt Schwellenschlössern und den vorstossenden Decken- und Bundbalken noch einzelne bauzeitliche Elemente auf. Das Innere des längs des Firsts in zwei Hälften unterteilten Wohnteils ist tiefgreifend umgebaut. Darunter hat sich ein Gewölbekeller erhalten.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Hochstudhaus dürfte im 18., wenn nicht sogar 17. Jh. entstanden sein. Die Beschaffenheit des kräftig ausgebildeten Wandständers mit breitem verblattetem Kopfholz, welcher sich zwischen Tenn und Wohnteil an der Südostfassade befindet, spricht eher für eine frühe Datierung. Gemäss erstem verfügbarem Brandkataster von 1829 war das ursprünglich wohl nur für eine Familie konzipierte "Wohnhaus mit Bescheurung von Holz, mit gewölbtem Keller und Strohdach" bereits unter zwei Eigentümern aufgeteilt, wobei Rudolf Hunziker die südöstliche Hälfte (Vers.-Nr. 81A) und Abraham Hofer die nordwestliche (Vers.-Nr. 81B) besass. Die Teilung dürfte entsprechend den heutigen Verhältnissen längs dem First bestanden haben. Wohl anlässlich der Handänderung von Abraham Hofers Anteil an Ludwig Hunziker wurden am Gebäude bauliche Verbesserungen vorgenommen, welche eine Erhöhung des Schätzwertes von insgesamt 2000 auf 3300 Franken zur Folge hatten [1]. Vermutlich stehen diese in Zusammenhang mit der weitgehenden Ummauerung des Wohnteils, welche im drauffolgenden Brandkataster von 1850 erstmals Erwähnung findet. Seit derselben Zeit ist neben dem Gewölbekeller, der über einen ehemals bestehenden Innenabgang nur von den Eigentümern der nordwestlichen Haushälfte genutzt werden konnte, zu jedem Anteil auch ein wohl nachträglich geschaffener Tremkeller (Keller mit Balkendecke) vermerkt [2]. Noch im 19. Jh. erfolgte gemäss Brandkataster der Ersatz weiterer Holzwände durch Fachwerk. Mit Ausnahme des Firsts, welcher wie gemeinhin üblich bereits im späten 19. Jh. Ziegel erhielt, fand die Umdeckung von Stroh auf Eternit und später Ziegel ab dem frühen 20. Jh. statt [3].
Aus einer älteren Aufnahme ist zu ersehen, dass sich die südostseitige, im Erdgeschoss hell verputzte Stubenfront im frühen 20. Jh. in einen längeren, an das Tenn anschliessenden Abschnitt mit Tür und Reihenfenstern sowie einen kürzeren Abschnitt mit einer zweiten Tür und einem einzelnen Fenster gliederte (siehe Bilddokumentation).
Rudolf Hunzikers Anteil blieb bis ins frühe 20. Jh. in Familienbesitz. Er ging 1855 an den Sohn Jakob Hunziker über, 1897 an Emil Hunziker, im frühen 20. Jh. an Emils Sohn Friedrich, Buchhalter, und 1934 an den Fabrikarbeiter Rudolf Kaspar, Rudolfs [4]. Der strassenseitige Hausanteil befand sich zeitweise in den Händen derselben Familie. Nachdem Rudolf Hunziker diesen 1838 von Ludwig übernommen und später mit der Witwe von Jakob Hunziker geteilt hatte, wechselte er jedoch an Jakob Steiner, 1867 an Gottlieb Huber, Peterrüdels, im frühen 20. Jh. an den Landwirt Gottlieb Huber-Hirt und 1917 an Emil Hunziker, Alberts, bei dem es sich um den vorherigen Besitzer des anderen Hausteils handeln könnte [5].
Der heutige Zustand der nordwestseitigen Haushälfte geht auf einen Umbau von 1983 zurück, bei der die alte Aufkammerung teilweise aufgehoben, die Balkenlage zwischen Erd- und Obergeschoss galerieartig geöffnet und die Raumhöhe im Obergeschoss angehoben wurde. Die Fassade neben dem Tenn wurde in Holz neu gestaltet [6]. 1989 erfuhr die südostseitige Haushälfte einen tiefgreifenden Umbau, wobei die zwischenzeitlich veränderte Stubenfront in Anlehnung an die traditionelle Holzbauweise vollständig erneuert wurde. In die durch die vorkragende Nordostmauer gebildete Ecke fügte man einen Wintergarten ein. Über dem Tremkeller (Keller mit Balkendecke) wurde eine Betondecke eingezogen und zwischen Erd- und Obergeschoss die Balkenlage ersetzt. Der Einbau von Dachflächenfenstern auf den von der Strasse abgewandten Seiten erfolgte 1997 im Hinblick auf einen allfälligen späteren Ausbau des Dachraums [7].
Beschreibung:Das ehemalige Bauernhaus liegt leicht abseits des Hauptbebauungsastes, an einer schmalen Fahrstrasse, die vom Obersteg Richtung Beidel ins hügelige Gelände westseitig der Wyna führt. In nächster Nachbarschaft befinden sich der denkmalgeschützte Strohdachspeicher (OBK002) aus dem 16. Jh. sowie das Gerichtsweibelhaus (Bauinventarobjekt OBK904) von 1820.
Der sich über eine eindrückliche Fläche von rund 20 auf 26 Metern ausbreitende Baukörper ist unter einem steilen, weit hinabgezogenen Walmdach geborgen, das noch in der charakteristischen Form dieses ursprünglich mit Stroh gedeckten Haustyps erhalten ist. Das Gebäude gliedert sich in einen nach Nordwesten ausgerichteten Wohnteil und einen nach Südwesten anschliessenden Ökonomietrakt mit der noch ablesbaren ehemaligen Nutzungsabfolge Tenn, Stall und Futtertenn.
Die Fassaden des Wohnteils sind nordost- und nordwestseitig eingeschossig, bis auf Höhe der Dachtraufe, in verputztem Bruchsteinmauerwerk aufgeführt. Die auf das 20. und teilweise vielleicht noch 19. Jh. zurückgehende Anordnung der einzelnen, gekuppelten und aneinandergereihten Fenster ist entsprechend der unter dem First verlaufenden Hausteilung uneinheitlich. Typologisch interessant ist der stockartige Vorsprung, den die Nordwestmauer gegenüber der sonst hölzernen Rückfassade des Wohntrakts und der damit fluchtenden Scheunenfront bildet [8]. Darunter befindet sich ein Gewölbekeller, der ursprünglich über eine Innentreppe verfügte, heute aber über den von aussen her erschlossenen, durch einen Gang verbundenen Tremkeller (Balkendecke in Beton erneuert) unter dem tennseitigen Raum zugänglich ist. In den Mauerwinkel der Nordwestmauer integriert ist der Eingang zu dieser Haushälfte, dessen schlichtes Steingewände wohl im Zuge des jüngsten Umbaus an das veränderte Bodenniveau angepasst wurde. Der zum Tenn überleitende zweigeschossige Fassadenabschnitt ist über einer bauzeitlichen Schwelle in Holz umgestaltet.
Die südöstliche Stubenfront und der darüberliegende Obergaden zeigen sich in Anlehnung an die traditionelle Ständerbohlenbauweise auf ansprechende Weise vollständig erneuert, wobei die murale Brüstung im Erdgeschoss und der Hauseingang neben dem Tenn beibehalten wurden. Über dem Obergeschoss sind hier noch die Balkenvorstösse der originalen Bund- und Deckenbalken mitsamt der Flugpfette sichtbar. Diese Balkenlage ist auch im Bereich der Scheune noch vorhanden.
Als wesentliches Element des bauzeitlichen Ständergerüsts hat sich zwischen Tenn und Wohnteil in Teilen die Ständerbohlenwand erhalten. Rähm und Ständer weisen tennseitig breite, sauber geschnittene Zierfasen auf. An den Fassaden sichtbar sind die kräftig dimensionierten Wandständer samt Schwellenschloss, wobei das südostseitige Schloss zur ausserordentlich mächtigen Schwelle dreifach ausgeführt ist. Auf dieser Seite hat sich am Ständer zur Wohnung hin auch noch ein breites, verblattetes Kopfholz erhalten, welches einen Eindruck von der ursprünglichen Ausgestaltung der Fassade gibt. Einen Blickfang bilden an beiden Längsfassaden die holzgenagelten Tenntore, von denen das nordwestseitige an einem Flügel noch die farblich hervorgeholten Reste einer Bemalung zeigt. Zu sehen sind ein Sonnenrad und ein Winkelmass, welche zu den typischerweise angebrachten Dekorationen und Zimmermannsemblemen gehören [9]. Vor dem Stall und dem Futtertenn bildet das über einen Schopfanbau gezogene Dach jeweils einen gedeckten Vorplatz. Während die Stallfronten und -wände im frühen 20. Jh. wohl grösstenteils über einem gemauerten Sockel in Ständerbohlenbauweise erneuert wurden (nordwestseitig wohl ältere Teile erhalten), dürften die einfachen Brettertore des Futtertenns noch älter sein. Die Scheune ist mit Ausnahme eines kleinen, wohl im 19. Jh. eingerichteten Stalls mit verputzter Front an der südwestlichen Schmalseite rundherum mit Holz verkleidet (Bretter nordseitig erneuert).
Nebst den bereits erwähnten Konstruktionsteilen weist der Wohntrakt des Gebäudes nur wenig an historischer Substanz auf. Die Raumstruktur der nordwestlichen Wohnung lehnt sich vielleicht teilweise noch an die früheren Verhältnisse an. Zwischen Erdgeschoss und Obergaden hat sich hier wohl auch ein Teil der Balkenlage erhalten. Historische Ausstattung ist keine mehr vorhanden [10].
Im Vergleich zu den nur noch ansatzweise vorhandenen bauzeitlichen Ständerbohlenwänden hat sich das imposante Dachwerk nahezu vollständig erhalten. Die rauchgeschwärzte Konstruktion, bestehend aus First, Unterfirst, Rafen, Sperrrafen und Windverband wird von vermutlich vier Hochstüden getragen [11]. Die beidseits des Tenns besonders mächtig ausgeprägten Firstständer waren ursprünglich wohl bis zur Grundschwelle geführt. Eine bautechnisch interessante Lösung findet sich über dem Stall, wo anstelle eines weiteren senkrechten Firstständers (Hochstud) eine schräg hinabgeführte Längsstrebe und parallel dazu zwei Windstreben das Ende des Firsts stützen [12]. Demgegenüber erscheint ungewöhnlich, dass über dem Wohnteil neben jenem zwischen ehemaliger Stube und Nebenstube noch ein vierter Firstständer eingefügt sein soll [13]. Angesichts der diesbezüglich nicht restlos geklärten Verhältnisse ist von einer weitgehend intakten Hochstudkonstruktion mit mindestens drei bis vier teilweise abgefangenen Firstständern in Kombination mit einer originellen südwestlichen Abstützung des Firsts mittels Längs- und Windstreben auszugehen.
Anmerkungen:[1] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1949 (Vers.-Nr. 81A, B).
[2] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0257: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1850-1874 (Vers.-Nr. 107A, B).
[3] BK 1899-1938- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1938 (Vers.-Nr. 115A, B).
[4] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075; CA.0001/0257-0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1938 (Vers.-Nr. 81A; 107A; 114A; 115A).
[5] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075; CA.0001/0257-0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1938 (Vers.-Nr. 81B; 107B; 114B; 115B).
[6] Baugesuchsakten von 1983 (Vers.-Nr. 115B).
[7] Baugesuchsakten von 1989 und 1991 (Vers.-Nr. 115A).
[8] Zum Stock allgemein vgl. Räber 2002, S. 214-215.
[9] Zur Verzierung von Tenntoren vgl. Räber 2002, S. 170-171.
[10] Baugesuchsakten von 1983 (Vers.-Nr. 115B).
[11] Gemäss Plänen in den Baugesuchsakten befinden sich zwei Hochstüde über dem Wohnteil, einer zwischen Wohnteil und Tenn und einer zwischen Tenn und Stall, ein fünfter über dem Stall eingezeichneter Hochstud liess sich vor Ort nicht verifizieren, Vgl. Baugesuchsakten von 1989 (Vers.-Nr. 115A) und 1983 (Vers.-Nr. 115B).
[12] Diese Variante ist vor allem von kleineren Bauernhäusern mit nur einem Hochstud bekannt, vgl. Räber 2002, S. 98.
[13] Angaben gemäss Baugesuchsakten, Hochstüde über dem Wohnteil nicht verifiziert.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Hans Walti, Oberkulm. Vergangenheit und Gegenwart in Bildern, Oberkulm 1995, S. 26 (Abb.), 57 (Abb.).
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Basel 2002, S. 98, 170-171, 214-215.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075; CA.0001/0257-0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1938 (Vers.-Nr. 81A, B; 107A, B; 114A, B; 115A, B).
- Baugesuchsarchiv Gemeinde Oberkulm, Baugesuchsakten von 1983, 1989 und 1997.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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