INV-OBK920 Brühlstrasse 10, 12, 1700 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-OBK920
Signatur Archivplan:OBK920
Titel:Brühlstrasse 10, 12
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Osten (2018)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Oberkulm
Adresse:Brühlstrasse 10, 12
Versicherungs-Nr.:223A, B
Parzellen-Nr.:38, 37
Koordinate E:2650849
Koordinate N:1239290

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1700
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:Mehrfach erweitertes und umgebautes ehemaliges Strohdachhaus, dessen Kernbau aus dem 17./18. Jh. noch die solide, rauchgeschwärzte Dachkonstruktion mit drei mächtigen Hochstüden bewahrt. Die ostseitige Erweiterung von 1830 erfolgte in Respektierung der althergebrachten Bauweise. Dem damals unter einem angesetzten First auf liegendem Stuhl verlängerten Wohnteil wurde das traditionelle Fassadenbild der Stubenfront in Ständerbohlenbauweise mit Reihenfenstern und durchlaufenden Brust- und Sturzriegeln belassen. Er ist in zwei ungleiche Wohneinheiten unterteilt, von welchen die strassenseitige noch eine alte Sichtbalkendecke über den Stuben sowie einzelne, wieder eingebaute Ausstattungselemente bewahrt. Wiederverwendet wurde am Scheunenanbau auch das alte holzgenagelte Tenntor. Aufgrund des markanten Walmdachs, das sich sowohl konstruktiv als auch in seiner charakteristischen äusseren Form erhalten hat, kommt dem Bauerhaus als Vertreter dieses einst landschaftsprägenden Haustyps ein erheblicher Bauzeugenwert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das im Kern auf das 17./18. Jh. zurückgehende Bauernhaus dürfte ursprünglich für eine Familie konzipiert gewesen sein. Bereits 1829 war das "Wohnhaus mit Bescheurung von Holz, mit gewölbtem Keller und Strohdach" gemäss Brandkataster jedoch unter zwei Eigentümern aufgeteilt, wobei Johann Jakob Kuhn mit einem Schätzwert von 1600 Franken den Hauptanteil besass und Rudolf Hubers Anteil mit einem Versicherungsbetrag von 300 Franken sehr bescheiden gewesen sein muss. Nach der 1830 eingetragenen Errichtung "neuer Bauten" erhöhte sich der Schätzwert von Kuhns Anteil 1833 auf beachtliche 3650 Franken [1]. Dieser wichtigen Bauphase ist die ostseitige Erweiterung des Wohnteils zuzuschreiben, welche früher angeblich am Sturz des Hauseingangs mit der Jahrzahl "1830" ausgewiesen war [2]. Mit dem Anbau dieser zusätzlichen Raumschicht ging die in der Konstruktion deutlich ablesbare Verlängerung des Dachs einher. Gleichzeitig wurde die nach Süden ausgerichtete Stubenfront weitgehend erneuert, worauf die jeweils aus einem Stück geschaffenen, durchlaufenden Sturz- und Brustriegel über den Erdgeschossfenstern und am Obergaden hindeuten, aber auch das schlank proportionierte Türblatt des Hauseingangs und die entsprechend hohen Aussparungen für die Fenster im Erdgeschoss (Obergaden beim jüngsten Umbau erneuert).
Auch 1850 ist Johann Jakob Kuhn, nun Bezirksrichter, noch als Haupteigentümer des Gebäudes aufgeführt. Er liess 1854 durch Joh. Andres Aelter, Hafnermeister in Aarau, einen neuen Kachelofen aufsetzen und eine der bemalten Frieskacheln mit seinem Namen versehen. Seinen Anteil mit zwei Dritteln des Wohnteils und drei Vierteln der Scheune übernahm 1858 Jakob Fehlmann, der nach einigen Wechseln mit den Eigentümern des anderen Gebäudeteils im Brandkataster von 1875 als Alleineigentümer erscheint. 1891 ging die Liegenschaft wohl durch Erbschaft an den gleichnamigen Sohn Jakob Fehlmann und Johann Fehlmann, alt Gemeinderats über, welche den Vielzweckbau nahezu hälftig unter sich aufteilten [3].
Gemäss Beschreibung im Brandkataster haben wir uns das Bauernhaus 1899 noch immer mehrheitlich strohgedeckt vorzustellen; die vollständige Umdeckung erfolgte erst im frühen 20. Jh. Erstmals wird auf das Fachwerk verwiesen, welches an der Stubenfront die Ständerbohlenwände ersetzte. Erwähnt ist zudem der Vorgänger des heute noch bestehenden, inzwischen teilweise umgenutzten südseitigen Anbaus unter Quergiebel. Jakobs Anteil A ging 1915 – nun wieder zwei Drittel des Wohntrakts umfassend – an die drei Nachkommen Elise, Jakob und Adolf Fehlmann, von welchen Adolf den Hofanteil 1918 zur Betreibung einer Landwirtschaft ganz übernahm. Anteil B blieb weiterhin im Eigentum von Hans Fehlmann, Johanns (wohl identisch mit dem oben genannten Johann Fehlmann) [4]. Bei diesem von Beginn weg weniger umfangreichen Anteil handelte es sich vermutlich ursprünglich nur um den nordwestlichen Scheunenanteil und einen kleinen anschliessenden Wohnraum, der von der grösseren Wohneinheit L-förmig umschlossen wurde. Bereits 1833, im gleichen Zug wie die ostseitige Erweiterung der vorderen Wohnung, dürfte jedoch auch der nordseitige Anbau der hinteren Wohnung unter abgeschlepptem Dach erfolgt sein. Seither besass er – wie die andere Wohnung – unter der Erweiterung einen Tremkleller. 1861 (Anbau Schweinestallschopf) und 1892 wurde der Anteil durch An- und Umbauten in seinem Wert weiter erhöht und vergrössert [5].
Um 1930/40 ersetzte man den kleinen südostseitigen Schopf, der unter Belassung einer Durchfahrt rechtwinklig an die Scheune angebaut war (siehe Bilddokumentation), durch die bestehende Scheunenerweiterung unter Quergiebel mit aussenliegendem Futtertenn, Stall, und Tenn [6]. Dabei verlegte man das alte holzgenagelte Tenntor aus dem 18. Jh. an die Giebelseite dieses Anbaus.
1987 wurde die innere Erschliessung der hinteren Wohnung in die Tenne eingebaut [7]. 1989-91 erfolgte eine tiefgreifende Innen- und Aussenrenovation des vorderen Hausteils, bei der die Geschosshöhe teilweise angehoben und in diesem Zusammenhang die Fassade des Obergadens ersetzt wurde. Decken, Böden und Wände wurden mit einigen Ausnahmen erneuert, einzelne Ausstattungsteile wieder eingebaut. Gleichzeitig wurde die Scheune teilweise ausgebaut. Respektiert wurde die Hochstudkonstruktion, welche sich in weitgehend unveränderter Form erhalten hat [8].
Beschreibung:Das am Hangfuss, etwas zurückversetzt von der Brühlstrasse stehende Bauernhaus ist aufgrund seines markanten, hohen Walmdachs weithin als ehemaliges Strohdachhaus erkennbar. Die Dachflächen sind mit Ausnahme einzelner liegender Dachfenster und punktuell verlegter Glasziegel weitgehend geschlossen erhalten. Der parallel zur Strasse errichtete, als Mittertennhaus konzipierte Baukörper weist einen grosszügigen nach Nordosten Richtung Dorf ausgerichteten Wohnteil auf und einen nach Südwesten anschliessenden Scheunentrakt, der strassenseitig auf der ganzen Länge durch einen jüngeren Quergiebelanbau erweitert ist. Die Stubenfront zeigt entsprechend der ehemaligen Raumdisposition ein zwei- und ein vierteiliges Reihenfenster am älteren Wohnteil, westlich des ursprünglich aussenliegenden Hauseingangs, und ein zweiteiliges Reihenfenster an der östlich anschliessenden Erweiterung von 1830. Die Brüstung ist im Erdgeschoss als einfaches Sichtfachwerk errichtet, über welchem ein stufenartig profilierter Brustriegel verläuft. Hölzer mit karniesförmiger Profilierung, welche über die ganze Länge des Wohntrakts aus einem Stück bestehen, bilden über den Erdgeschossfenstern den Sturzriegel und auf der ursprünglichen Gesimshöhe der Obergadenfenster den Brustriegel. Dazwischen sind vertikale Bohlen mit Deckleisten eingelassen. Der Obergaden zeigt eine jüngere, in Holz erneuerte Fasssade mit höher gesetzten Einzelfenstern. Den östlichen Abschluss des Gebäudes bildet seit 1830 eine verputzte, nach Südosten vorkragende Bruchsteinmauer, die aufgrund ihrer Lage nur eingeschossig aufgeführt ist und eine unregelmässige Verteilung der Fenster aufweist (aufgrund eines jüngeren schopfartigen Anbaus mit Sitzplatz nur teilweise sichtbar). Auf der Hausrückseite geht die Stirnmauer in die gleichfalls gemauerte, nach Nordwesten vorspringende Wohnungserweiterung wohl aus derselben Zeit über. Im Format und in der Anordnung könnten hier die holzgefassten Fenster noch die Verhältnisse im 19. Jh. wiedergeben. Der verbleibende Teil der alten rückseitigen Trauffassade ist stark verändert und hinter einem wintergartenartigen Vorbau verborgen. Zwischen Wohnung und Tenn ragt aus der Fassadenverkleidung noch ein Stück des Schwellenschlosses der hölzernen Grundkonstruktion aus dem 18. Jh. Dem ehemaligen Stall ist ein rechtwinkliger Schopfanbau vorangestellt. Die westliche Schmalseite des Gebäudes hat mit der hölzernen Fassade den Charakter des Ökonomietrakts bewahrt.
Durch den südseitigen Hauseingang gelangt man in einen Stichgang, der geradeaus in die Küche, linkerhand in die Stube und rechterhand in ein Zimmer im angebauten Hausteil von 1830 führt. Die hinter der Stube angeordnete Küche ist heute durch den hinteren Bereich des jüngeren Hausteils erweitert. Stube und Nebenstube sind zu einem grossen Wohnraum vereint und vermitteln sowohl zum umgenutzten ehemaligen Scheunenteil als auch zum stark umgebauten Obergeschoss. Sie zeigen eine alte Balkendecke mit profilierten, untypischerweise längs verlaufenden Balken, breiten Einschubbrettern und Deckleisten.
Sekundär eingebaut in die Garderobenwand wird noch ein bauzeitliches Fenster mit wabenförmiger Bleiverglasung aufbewahrt. Der beim letzten Umbau gleichfalls erneuerte Kachelofen samt Sitzkunst ist mit bemalten Frieskacheln des Vorgängerofens von 1853-54 sowie eines zweiten, vielleicht aus dem hinteren Hausteil stammenden Ofens von 1840 ausgestattet. Eine mit üppiger Girlande geschmückte Kachel zeigt in der Mitte eine Urne vor einem Morgenstern, einer Hellebarde und einem Köcher mit Pfeilen, auf dem Deckel einen von zwei Pfeilen durchbohrter Apfel und vorne einen Schild mit Anker und ein rundes Feld mit zwei Zuckerrüben [?]. Beidseits dieser symbolhaften Darstellung stehen der Name des Auftraggebers "Joh. Jakob Kuhn" und des Hafners "Joh. Andres Aelter Hafnermeister in Aarau". Auf dem Sockel der Urne sind das Jahr der Aufstellung "1854" und der Name des Malers "Johann Kohler, m." zu lesen. Zu dieser Frieskachel gehören weitere, die mit dem zeittypischen Vasen-Girlanden-Motiv und Sinnsprüchen geschmückt sind. Unter dem Kachelofen hat sich die zugehörige Sandsteinplatte mit der Inschrift "IOH JAKOB KUHN 1853" erhalten. Von einem zweiten Ofen, der möglicherweise für Rudolf Huber, den damaligen Eigentümer des hinteren Hausteils, hergestellt worden war, stammen ausserdem eine Kachel mit der Inschrift "Daniel Ehrsam Hafner Meister in Aarau 1840" und eine mit Girlanden und dem originellen Spruch: "Aemtlisucht ist nicht imstand zu beglücken unser Vaterland".
Ein weiteres Relikt der ursprünglichen Ausstattung aus dem 18. Jh. ist eine im Obergeschoss wieder eingebaute Brettertür mit breitem, aufgedoppeltem Rahmen, originalen Beschlägen und einem nur noch als Umrisszeichnung erkennbaren Berner Bären.
Die rückseitige Wohnung weist einen verschachtelten Grundriss auf, ist stark erneuert und ohne historische Ausstattungsteile.
Von erheblichem Zeugenwert ist die weitgehend intakte, über drei mächtigen Hochstüden errichtete Rafendachkonstruktion, welche noch bis ins 20. Jh. hinein mehrheitlich mit Stroh gedeckt war. Das solide gebaute Dachwerk hat sich einschliesslich First, Unterfirst, Rafen, Sperrrafen und Windstreben erhalten und weist sogar noch Überreste der rauchgeschwärzten Dachlatten auf. Nach Osten ist der First seit 1830 – gestützt auf Dreieckstreben mit Kehlbalen und Firstständer – um drei Rafen verlängert, wobei die Rafen des östlichen Walms in jüngerer Zeit erneuert wurden.
Anmerkungen:[1] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1849 (Vers.-Nr. 193A, B.).
[2] Freundliche Mitteilung der Eigentümerin.
[3] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0257-0258: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1850-1898 (Vers.-Nr. 232A, B; 219A, B). Laut Eintrag von 1892 umfassten beide Anteile je die Hälfte der Wohnung und der Scheune, zu Anteil A gehörten ausserdem der Gewölbe- und ein Tremkeller, zu Anteil B nur ein Tremkeller.
[4] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1899-1938 (Vers.-Nr. 223A, B).
[5] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075; CA.0001/0257-0258: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1898 (Vers.-Nr. 193B; 232B; 219B).
[6] Arbeitsmaterialien Kurzinventar 1995, Kantonale Denkmalpflege Aargau.
[7] Gemäss Baugesuchsakten von 1987.
[8] Gemäss Baugesuchsakten von 1989-91.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Hans Walti, Oberkulm. Vergangenheit und Gegenwart in Bildern, Oberkulm 1995, S. 53 (Abb.).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075; CA.0001/0257-0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1938 (Vers.-Nr. 193A, B; 232A, B; 219A, B; 223A, B).
- Baugesuchsarchiv Gemeinde Oberkulm, Baugesuchsakten von 1987 und 1989-1991.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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