INV-OBK919 Oberstegstrasse 6, 18. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-OBK919
Signatur Archivplan:OBK919
Titel:Oberstegstrasse 6
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Osten (2018)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Oberkulm
Ortsteil / Weiler / Flurname:Obersteg
Adresse:Oberstegstrasse 6
Versicherungs-Nr.:122
Parzellen-Nr.:183
Koordinate E:2651563
Koordinate N:1238683

Chronologie

Entstehungszeitraum:18th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:Baugeschichtlich und typologisch interessantes Bauernhaus, das im 18. Jahrhundert als Bohlenständerbau errichtet und im Lauf der Zeit eine sukzessive Umwandlung in einen Mauer- und Fachwerkbau erfahren hat. Der unter einem Halbwalmdach geborgene Baukörper bewahrt vom Ursprungsbau noch Teile der Grundkonstruktion sowie charakteristische Elemente wie die Reihenfenster an der Stubenfront und das mit Holznägeln zusammengefügteTenntor. Eine merkwürdige Rarität stellt der seltsam vorkragende Obergaden auf zierbeschnitzten Balken dar. Der bäuerliche Vielzweckbau gehört zur typisch lockeren älteren Bebauung im Ortsteil Obersteg, wo er mit seiner unmittelbar am alten Fahrweg aufragenden Stirnfront eine markante Stellung einnimmt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die frühe Baugeschichte lässt sich nicht mehr genau rekonstruieren, jedoch deuten mehrere bautechnische Merkmale und altertümliche Besonderheiten auf eine Entstehung zumindest im 18. Jh. hin. Von einem ehemals wohl strohgedeckten Ständerbohlenbau stammen noch die mächtige eichene Schwelle und die aneinandergereihten Fensteröffnungen an der Stubenfront, die rund ausgeschnittene Schwelle zwischen Stube und Nebenstube und einige rauchgeschwärzte Deckenbalken, die im Obergeschoss sichtbar geblieben sind. Der massive, nordseitig aus der Grundfläche des Gebäudes vorspringende Mauerwinkel könnte auf einen ehemaligen Stock zurückgehen, ein feuer- und einbruchsicheres Mauergeviert, dem bei strohgedeckten Holzhäusern besondere Bedeutung zukam [1]. Altertümlich mutet das darüber merkwürdig auskragende Obergeschoss an, das wie ein hölzerner Kasten auf profilierten Balken über dem Hauseingang "schwebt" [2]. Dieser "Kasten" spricht denn auch – zusammen mit den rauchgeschwärzten Balken – gegen die nachträgliche Erneuerung und Aufstockung des gesamten Obergeschosses in Fachwerk. Vermutlich wurden die Ständerbohlenwände durch neue Ausfachungen in Fachwerkwände umgewandelt und verputzt. Der Wohnteil dürfte somit in den wesentlichen Elementen der Grundkonstruktion mitsamt der Ankerbalken noch vom Ständerbohlenbau aus dem 18. Jh. stammen. Wie gross der Anteil aus dieser Bauphase beim Scheunentrakt ist, ist unklar. Möglicherweise wurden auch hier Teile der Ständerkonstruktion übernommen. Die über einem Mauersockel in Ständerbauweise errichteten ehemaligen Stallfronten stammen jedoch aus der Zeit um 1900 oder aus dem frühen 20. Jh. Als Relikt noch aus dem 18. Jh. hat sich nordseitig neben dem Hauseingang das mit Holznägeln zusammengebaute Tenntor samt hölzerner Drehpfanne erhalten, wogegen das südseitige Tor mit aufgedoppeltem Rahmen aus dem 19. Jh. oder der Zeit um 1900 stammt.
In einer zweiten wichtigen Bauphase, die wahrscheinlich um 1800 oder im frühen 19. Jh. anzusetzten ist, wurde die Hochstudkonstruktion durch eine Sparrenkonstruktion auf liegendem Stuhl ersetzt und von der Stroh- auf Ziegeleindeckung gewechselt. Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1829 ist das Gebäude bereits als "Wohnhaus mit Bescheurung, zwei Stok hoch, von Rieg und Holz mit Ziegeldach" beschrieben. 1831 verkaufte der damalige Alleineigentümer Ludwig Fäs einen von zwei Anteilen des Hauses mit dem oberen Stockwerk des Wohnteils an Jakob Müller und 1833 den anderen Anteil mit dem Erdgeschoss des Wohnteils an Rudolf Müller. Die neuen Eigentümer nahmen bauliche Verbesserungen vor, weshalb der Versicherungswert des Gebäudes 1838 mit 2800 Franken leicht höher als bisher angesetzt wurde [3]. Es ist zu vermuten, dass damals zwei Stockwerkwohnungen eingerichtet wurden. Noch im Anschluss an diese dritte Bauphase liess Rudolf in der unteren Stube den Kachelofen erneuern und in der Untermauerung die Sandsteinplatte mit der Inschrift "18 R[u]D[olf] MÜL[ler] 40" anbringen. Der Schrank daneben dürfte gleichzeitig eingebaut worden sein.
Beide Anteile erfuhren 1856 erneut kleinere Verbessungen. Jakob Müller, Weibel, liess den Schätzwert 1874 für seinen Anteil mit der oberen Wohnung auf 2600 Franken anpassen und übergab ihn 1875 seinem gleichnamigen Sohn. Der Anteil von Rudolf Müller mit der Erdgeschosswohnung ging 1867 an Samuel Kaspar und 1868 an dessen Sohn, den Zimmermann Samuel Meier, der 1873 für eine wesentliche "Verbesserung" sorgte, so dass der Schätzwert auf 3000 Franken erhöht wurde [4].
1875 und 1887 übernahmen der Kanzlist Ad. [?] Deppeler und der Lehrer Johann Deppeler zunächst die untere und dann die obere Wohnung. Unter letzterem waren 1899 beide Anteile wieder eigentumsrechtlich zusammengeführt. Nachdem das Haus im frühen 20. Jh. für kurze Zeit unter den Söhnen Gottlieb, Landwirt, und Friedrich, Sattler, aufgeteilt war, war ab 1907 Friedrich alleiniger Eigentümer, von dem es 1936 an den Bannwart Friedrich Hunziker überging [5].
Wohl erst im Laufe des 20. Jh. kam die nordseitige Erschliessungslaube hinzu [6]. Weitere kleinere Veränderungen im Grundriss und in der inneren Erschliessung wurden 1976 vorgenommen. Gleichzeitig erfolgte im Obergeschoss anstelle der alten Küche die Einrichtung eines Badezimmers. Die Scheune, deren ehemalige Stallfronten wohl schon vorher erneuert worden waren, wurde als Töpfereiwerkstatt umgenutzt [7].
Beschreibung:Der mit der nordöstlichen Stirnmauer direkt an den alten Fahrweg im Obersteg gestellte bäuerliche Vielzweckbau vereint unter einem geknickten Halbwalmdach (Sparrendach auf liegendem Stuhl) einen strassenseitigen Wohnteil und eine südwestwärts anschliessende Scheune mit abgeschleppten Anbauten. Der im Erdgeschoss stirn- und rückseitig von einer verputzten Bruchsteinmauer umschlossene Wohnteil springt nordseitig gegenüber dem Ökonomieteil und dem daneben angeordneten Hauseingang kräftig vor. Zur Strasse hin ist die Mauer fensterlos, in die Nordwestseite sind zwei Fenster mit tiefen Laibungen eingelassen: ein zementgefasstes mit gekuppelten Lichtern zum Eckraum (Hinterkammer) und ein Einzellicht zur Küche, dessen Holzeinfassung mit wulstigem Gesims noch aus dem 18. Jh. stammen dürfte. Weitgehend erhalten haben sich die Verhältnisse des 18. Jh. auch an der nach Südwesten ausgerichteten Stubenfront, welche ein vier- und ein zweiteiliges Reihenfenster sowie einen aussenliegenden, jüngeren Gartenausgang aufweist. Unter dem profilierten Brustriegel sind die freigelegten Reste einer Ständerbohlenwand mit mächtiger eichener Schwelle und doppelten Schwellenschloss erkennbar (überstehende Teile abgesägt). Das verputzte Obergeschoss ist wohl in Fachwerk ausgeführt. Es zeigt südostseitig zwei mal zwei locker gruppierte Rechtecklichter und stirnseitig ein gekuppeltes sowie ein einzelnes Fenster mit Zementgussgewänden. Das darüber liegende Dachfenster bewahrt noch die Flügel eines alten, vielleicht in Zweitverwendung hier angebrachten Fensters mit wabenförmiger Bleiverglasung im Oberlicht. Vermutlich infolge mehrfacher Veränderung sind die Öffnungen an der von der jüngeren Laube verdeckten Rückfassade unregelmässig verteilt.
Ein typologisch interessanter Gebäudeteil, der noch in die Bauzeit des Hauses weist, hat sich in der nordwestlichen Ecke des Obergadens erhalten, welche kastenartig über den Mauersockel hinausragt. Die Untersichten und Balkenköpfe des Ständergerüsts, das den "Kasten" einfasst, sind mit Profilen beschnitzt und zeigen teilweise ähnliche Zierformen wie die vorstossenden Ankerbalken.
Der Scheunentrakt des als Mittertennhaus konzipierten Vielzweckbaus bewahrt beidseitig noch die alten Tenntore, wobei das nordwestliche mit Holznägeln zusammengebaut ist und als Relikt des Ursprungsbaus aus dem 18. Jh. von besonderem Bauzeugenwert ist. Das südöstliche Tor ist in der Art des späteren 19. Jh. mit einem aufgedoppelten Rahmen versehen. Die ehemaligen Stallfronten sind über niedrigen Mauersockeln in Ständerbauweise errichtet, während die Stirnfront im unteren Bereich aus kleinformatigem Steinmaterial gefügt und am Giebelfeld mit Brettern und Faserzementschindeln verkleidet ist. Der Ökonomietrakt ist nach allen Seiten durch teils offene Schopfanbauten erweitert.
Auf der Nordseite befindet sich ein zur Liegenschaft gehörender Laufbrunnen mit einem aus Zement gefertigten Trog und Stock wohl aus der Zeit um 1900. Rund um das Haus stehen mehrere grössere Bäume, darunter Tannen und ein grosser Nussbaum.
Anmerkungen:[1] Zum Stock vgl. Räber 2002, S. 214-215. Obschon Mauer und Tremkeller im Brandkataster von 1850 erstmals erwähnt werden, ist ein bereits davor bestehender Stock nicht ausgeschlossen, so wie das Gebäude auch von Anfang an einen gemauerten Kellersockel aufgewiesen haben dürfte. Vermutlich im Zusammenhang mit der Erneuerung der Kellerdecke in Beton wurde auch die Mauer erneuert und verstärkt, so dass heute keine historischen Oberflächen mehr zu sehen sind und der Anteil an ursprünglicher Bausubstanz unklar ist.
[2] Vgl. eine ansatzweise ähnliche Konstruktion mit über den Stock hinausragenden Balken beim Russenhof von 1513/1601 in Hendschiken (1992 abgebrochen), Räber 2002, S. 260 (Abb. 535).
[3] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1849 (Vers.-Nr. 92A, B).
[4] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0257-0258: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1850-1898 (Vers.-Nr. 119B, A; 123A, B).
[5] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0258-0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1875-1938 (Vers.-Nr. 123A, B, 122).
[6] Die Laube findet im Brandkataster bis 1938 keine Erwähnung.
[7] Gemäss Baugesuchsakten von 1976.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Basel 2002, S. 214-215.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075; CA.0001/0257-0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1938 (Vers.-Nr. 92A, B; 119B, A; 123A, B; 122).
- Baugesuchsarchiv Gemeinde Oberkulm: Baugesuchsakten von 1976.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=137193
 

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