INV-SPB919 Stellwerk Rangierbahnhof Limmattal, 1978 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SPB919
Signatur Archivplan:SPB919
Titel:Stellwerk Rangierbahnhof Limmattal
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Norden (2020)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Spreitenbach
Adresse:Rangierbahnhof 23
Versicherungs-Nr.:223
Parzellen-Nr.:2540
Koordinate E:2670953
Koordinate N:1252749

Chronologie

Entstehungszeitraum:1978
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:SPB920
Nutzung (Stufe 1):Verkehrs- und Infrastrukturbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Stellwerk

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2020

Dokumentation

Autorschaft:Max Vogt, Architekt
Würdigung:Hauptstellwerk des damals neu angelegten Rangierbahnhofs Limmattal, das 1971-78 nach einem Projekt von Max Vogt als Chefarchitekt der SBB-Kreisdirektion III errichtet wurde. Das am Rand des Gleisfelds markant in Erscheinung tretende Gebäude ist in der für Vogt charakteristischen Architektursprache als brutalistischer Sichtbetonbau ausgeführt. Es fällt durch seine blockhafte Gestalt wie auch die auf die Funktion verweisende Stellwerkskanzel auf und hat sich äusserlich weitgehend intakt erhalten. Zusammen mit dem an der Zufahrt gelegenen Dienstwohnhaus (Bauinventarobjekt SPB920), mit weiteren Gebäuden auf der zürcherischen Seite des Rangierbahnhofs – darunter dem als Pendant gestalteten Stellwerk Ost – sowie dem nahegelegenen Stationsgebäude von Killwangen-Spreitenbach (Bauinventarobjekt KIL915) ergibt sich ein Ensemble architektonisch sorgfältig gestalteter Sichtbetonbauten von Max Vogt. Verkehrsgeschichtlich steht der Rangierbahnhof für die Entflechtung von Personen- und Güterverkehr in der Nachkriegszeit. Das Stellwerk dokumentiert technikgeschichtlich den Übergang von der rein elektromechanischen zur rechnergestützten Relaistechnik.
Im Kanton Zürich ist der angrenzende Teil des Rangierbahnhofs als Gesamtanlage in das Inventar der Denkmalschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung aufgenommen.
Bau- und Nutzungsgeschichte:1955 erfuhren die betroffenen Gemeinden wie auch die Öffentlichkeit erstmals davon, dass die SBB auf dem Gebiet der Gemeinde Spreitenbach und des zürcherischen Dietikon einen Rangierbahnhof für die ganze Ostschweiz von entsprechend gewaltigen Ausmassen planten [1]. Anlass war der zusätzliche Platzbedarf, der im Gleisvorfeld des Zürcher Hauptbahnhofs auf Stadtgebiet nicht mehr befriedigt werden konnte. Mit der Schaffung eines separaten Rangierbahnhofs steht die Planung im Kontext der Entflechtung von Personen- und Güterverkehr in der Nachkriegszeit. Vor Ort hatte man an der neuen Infrastrukturanlage, die lokal kaum Wertschöpfung erzeugte und Kulturland verbrauchte, begreiflicherweise von Anfang an keine Freude; später traten die Lärmimmissionen in den Vordergrund. Versuche der Gemeinde Spreitenbach, die SBB unter Zuhilfenahme des Regierungsrats zu einer Verschiebung der geplanten Anlage in das (zürcherische) Furttal zu bewegen, blieben allerdings erfolglos, und 1958 fiel bei den SBB der definitive Entscheid für Spreitenbach. Im Oktober 1966 wurden die Bauarbeiten aufgenommen. Bereits 1969 wurde eine erste Etappe mit zehn Richtungsgleisen (Gleise für die Zusammenstellung der Güterzüge) dem Betrieb übergeben. Die Aufnahme des Vollbetriebs erfolgte mit dem Fahrplanwechsel 1978. Bis heute handelt es sich beim Rangierbahnhof Limmattal (RBL) um die grösste Anlage ihrer Art in der Schweiz wie auch eine der grössten in Europa.
Die Hochbauten der gesamten Anlage wurden vom bekannten SBB-Architekten Max Vogt (1925-2019) entworfen. Als Mitarbeiter der Sektion Hochbau bei der SBB-Kreisdirektion III seit 1957 und als deren Leiter von 1974 bis 1989 prägte Vogt mit seinen charakteristischen, meist in Sichtbeton realisierten Neubauten das bauliche Erscheinungsbild der SBB in der Region Zürich und der Ostschweiz in massgeblicher Weise; vom Kanton Aargau gehörten hingegen nur die östlichsten Limmattalgemeinden zur Kreisdirektion Zürich [2]. Zu Vogts bekanntesten Bauten zählen neben dem RBL das Zentralstellwerk Zürich (1963) und der Bahnhof Zürich-Altstetten (1966); im Zusammenhang mit dem Bau des Rangierbahnhofs und der Heitersberglinie realisierte Vogt auch ein neues Stationsgebäude für Killwangen-Spreitenbach (Bauinventarobjekt KIL915, Gemeinde Killwangen).
Projektierung und Ausführung des hier beschriebenen Stellwerks West erfolgten 1971-78 [3]. Technisch handelte es sich ein Relaisstellwerk mit rechnergestützten Fahrstrassen. Seit den 1950er Jahren waren Gleisbildstellwerke in Relaistechnik entwickelt worden, welche im Unterschied zu älteren Stellwerken nicht mehr die Ansteuerung einzelner Weichen und Signale bedingten, sondern die Auswahl ganzer Fahrstrassen ermöglichten. Rechnergestützte Systeme dieser Art wurden erstmals in Spreitenbach und etwa gleichzeitig auch im Rangierbahnhof Muttenz (1975) realisiert.
Die technischen Anlagen erfuhren eine zeitgemässe Erneuerung, wodurch die ursprünglich von den Relaisanlagen eingenommenen Räume im Hauptbaukörper frei wurden und für andere Zwecke umgenutzt werden konnten. Das Äussere hat bis heute keine wesentlichen Veränderungen erfahren.
Beschreibung:Der Rangierbahnhof Limmattal (RBL) erstreckt sich über eine Länge von rund 4 Kilometern zwischen den Bahnhöfen Killwangen-Spreitenbach und Dietikon südlich des für den Bau verlegten Stammgleises der Mittelland-Haupttransversale in der Ebene des Limmattals. Über ein gleichzeitig erstelltes Verbindungsgleis zum Bahnhof Würenlos, welches die Limmat bei der in denselben Jahren erstellten Raststätte Würenlos (Bauinventarobjekt WLO952) überquert, kann er aus der Ostschweiz und von Stuttgart-Schaffhausen her auch über die Furttallinie angefahren werden. Hauptrangierrichtung ist von West nach Ost. Die Anlage (vgl. Schema in der Bilddokumentation) gliedert sich in dieser Richtung in eine Einfahrgruppe auf der Westseite, von wo die Züge auf den daran anschliessenden Hauptablaufberg geschoben werden können, die Richtungsgruppe mit den langen Gleisen für die Zusammenstellung der neuen Züge in der Mitte sowie die Ausfahrgruppe im Osten. Ein Nebenablaufberg ermöglichte anfänglich auf einem Teil der Gleisanlagen auch das Rangieren in Ost-West-Richtung. Vom Ablaufberg erreichen die Wagen unter Ausnützung der Schwerkraft ihr Ziel in der eingestellten Fahrstrasse, wobei sie über hydraulische und elektrodynamische Bremsanlagen im Gleis abgebremst werden [4].
Beim hier beschriebenen Stellwerk West, das ein baulich ähnliches, betrieblich aber untergeordnetes Pendant im Osten des Rangierbahnhofs besitzt (Stadt Dietikon ZH, Vers.Nr. 377), handelt es sich um das Hauptstellwerk der Anlage. Es erhebt sich auf der Höhe der Einfahrt in die Richtungsgruppe am Rand der sich hier auffächernden Gleisanlagen und bildet damit auch für vorbeifahrende Zugsreisende eine weithin sichtbare Landmarke des Rangierbahnhofs. Beibehalten wurde für die Standortwahl wie bei älteren Anlagen die Sicht auf den Rollberg und die Gleisanlagen, obwohl dies bereits zur Entstehungszeit technisch nicht mehr dringend notwendig war. Wie die meisten Bauten von Max Vogt ist das Stellwerk als Sichtbetonbau realisiert und dem Brutalismus («beton brut») zuzuordnen. Der viergeschossige, blockhafte Baukörper erhebt sich auf rechteckigem Grundriss und erfährt durch vor- und zurückspringende Fassadenabschnitte eine stark skulpturale Gliederung. Das Erdgeschoss wie auch das dritte Obergeschoss besitzen eine eingezogene Fassade, wodurch die mittleren Geschosse zu schweben scheinen und die bis zur Fassadenflucht vorgezogene Dachplatte als markant auskragendes Flugdach in Erscheinung tritt. Einen Blickfang bildet die an der Nordwestecke über die Gebäudeflucht vorkragende Stellwerkskanzel, welche durch ihre Gestaltung dem Hauptzweck des Gebäudes Ausdruck verleiht. Sie besitzt eine einwärts geneigte Glasfront, welche zusammen mit den Brise-soleils (Sonnenblenden) in der ebenfalls vorspringenden Dachpartie die Blendung durch spiegelndes Sonnenlicht vermeiden sollte. Ein von Anfang an vorhandener Antennenmast auf dem Dach dient dem SBB-internen Funknetz.
Die beiden vorkragenden mittleren Geschosse werden durch streng axial verteilte, hochrechteckige Einzelfenster gegliedert, die in ihrer klassischen Form vielleicht bereits als Hinweis auf die beginnende Postmoderne zu verstehen sind. Der Bereich unter der Kanzel sowie die ganze nordwestliche Stirnseite sind vollständig fensterlos. Das Erdgeschoss ist zwischen scheibenförmigen Pfeilern mit breiten Fensteröffnungen und Waschbetonbrüstungen besetzt. Unter der auskragenden Dachplatte ist das dritte Obergeschoss über ein ringsumlaufendes Fensterband geöffnet, das mit den dunkelbraunen Rahmen als Schattenfuge in Erscheinung tritt. Die Fassadenoberflächen werden durch den charakteristischen Abdruck der Schalungsbretter strukturiert. Der Eingang befindet sich an der südöstlichen Schmalseite.
Das einfach und zweckmässig gestaltete Innere organisiert sich um einen in Längsrichtung verlaufenden, langen Stichgang, der Räume zu beiden Seiten erschliesst und auch die einläufige Treppe in die Obergeschosse fasst. Diese ist in zeittypischer Weise mit Terrazzostufen, Metallgeländer und hohem Sichtholz-Handlauf gestaltet. Die spärlich befensterten Räume in den Zwischengeschossen dienten ursprünglich der damals sehr viel raumgreifenderen Stellwerkstechnik; heute sind hier Büroräume eingerichtet. An der nordwestlichen Stirnseite verliefen die ebenfalls voluminöseren Kabelkanäle. Das oberste Geschoss des Treppenhauses ist mit dem seriell wiederholten, 1972 eingeführten neuen SBB-Logo geschmückt [5]. Im Stellwerksraum besteht noch das ursprüngliche Gleisbildstellwerk. Die Bedienung erfolgt heute computergesteuert.
Auf dem Areal des Rangierbahnhofs befinden sich zahlreiche weitere Gebäude, die ebenfalls nach dem Projekt der Hochbauabteilung des Kreises III unter Max Vogt und in ähnlichen Sichtbetonformen gestaltet wurden, was dem ganzen Areal ein einheitliches Erscheinungsbild verleiht. Prominent an der Zufahrt zum Areal gelegen ist ein als Dienstwohnhaus realisiertes Doppeleinfamilienhaus (Bauinventarobjekt SPB920). Das benachbarte Hauptdienstgebäude mit Büros, Personalräumen und Werkstätten ist durch eine Aussenwärmdämmung stark verändert (Teil von Vers.Nr. 225, nicht Bestandteil des Bauinventars). Am Rand der Gleise sowie im Gleisfeld erheben sich weitere Kleinbauten, darunter auf aargauischem Gebiet eine Trafostation, Pumpstationen für das Grundwasser sowie verschiedene Unterstände (Nebenbauten nicht Bestandteil des Bauinventars).
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Steigmeier 2000, S. 270-275 sowie Inventarblätter SBB und Kanton Zürich.
[2] Zu Max Vogt vgl. Weidmann/Holenstein 2008; Stollenwerk 2006.
[3] Baugeschichte und technische Einrichtungen nach Inventarblatt SBB.
[4] Rangiervorgang nach Inventarblatt Kanton Zürich.
[5] Vgl. auf der Website des Museums für Gestaltung Zürich: https://www.eguide.ch/de/objekt/sbb/ (Zugriff 14.12.2020).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Kanton Zürich, Inventar der Denkmalschutzobjekte von überkommunaler Bedeutung, Inventarblatt Rangierbahnhof Limmattal, 2018 (angrenzender Bereich des Rangierbahnhofs auf Zürcher Kantonsgebiet, Gesamtanlage).
- Schweizerische Bundesbahnen SBB, Fachstelle für Denkmalpflege, Inventar der schützenswerten Bauten und Anlagen der SBB (ISBA), Inventarblatt Stellwerkgebäude West Spreitenbach, Entwurf (Stand 2020).
Literatur:- Ruedi Weidmann/Karl Holenstein, Max Vogt – Bauen für die Bahn, 1957-1989, Hrsg.: SBB-Fachstelle für Denkmalschutzfragen u. Schweizerische Gesellschaft für Kunstgeschichte, Zürich 2008, S. 38-41, 68-72.
- Andreas Steigmeier, Shopping-Boom: Spreitenbach zwischen 1950 und 2000, in: Andreas Steigmeier/Roman W. Brüschweiler/Anton Kottmann, Spreitenbach, Spreitenbach 2000, S. 259-334, hier S. 270-275.
Quellen:- ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv: LBS_L1-971618 sowie div. weitere.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=137372
 

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