INV-RUF904 Mühle, 1639 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-RUF904
Signatur Archivplan:RUF904
Titel:Mühle
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Osten (2022)
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Rudolfstetten-Friedlisberg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Rudolfstetten
Adresse:Mühlegasse 10
Versicherungs-Nr.:42
Parzellen-Nr.:285
Koordinate E:2671498
Koordinate N:1247210
Situationsplan (AGIS):https://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2671498&y=1247210

Chronologie

Entstehungszeitraum:1639
Grundlage Datierung:Inschrift (Südostfassade, Portal)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:Mühlescheune (Bauinventarobjekt RUF905)
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Mühle

Dokumentation

Würdigung:1639 für den Ammann von Dietikon, Heinrich Widerkehr, errichtete Getreidemühle. Der langgestreckte Baukörper aus verputztem Bruchsteinmauerwerk unter einem steilen Satteldach bewahrt trotz diverser baulicher Eingriffe seine spätgotisch geprägte Gesamterscheinung. Wie typologisch üblich, unterscheidet sich das Mühlegebäude nicht grundlegend von der ortsüblichen Bauernhausarchitektur. Es fällt jedoch durch seine stattliche Bauweise auf, mit der man ebenso den praktischen Erfordernissen Rechnung trug wie den Wohlstand und die gehobene soziale Stellung des Müllers innerhalb des Dorfverbandes zum Ausdruck brachte. An der südöstlichen Giebelseite hat sich das bauzeitliche Türgewände mit Ziergiebel und Bauinschrift erhalten. Zusammen mit der benachbarten Mühlescheune (Bauinventarobjekt RUF905) bildet die ehemalige Mühle eine historisch wertvolle und ortsbildprägende Baugruppe.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Mühlen nahmen aufgrund ihrer Bedeutung für die Nahrungsmittelversorgung seit jeher eine herausragende wirtschaftliche Stellung sowohl im städtischen wie auch im ländlichen Raum ein. Ein wesentlicher Teil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Getreide, Früchte, Samen) wurde in den Mühlen zu den lebenswichtigen Produkten Mehl und Öl verarbeitet. Schlecht ausgebaute Verkehrswege und mangelhafte Transportmittel bedingten ein dichtes Netz von Mühlebetrieben. Im Aargau, wo der Getreidebau traditionell sehr verbreitet war und die zahlreichen Flüsse und Bäche günstige Voraussetzungen für wassergetriebene Anlagen boten, gab es früher kaum eine grössere Ansiedlung ohne eigene Mühle. Wie beispielsweise auch Tavernen, Trotten oder Schmieden gehörten Mühlen zu den konzessionspflichtigen Gewerbebetrieben («Ehafte»). Die grundherrliche Konzession betraf die ganze Anlage mit Gebäude, maschineller Einrichtung und Wasserrechten. Sie wurde dem Müller als Hand- oder Erblehen übertragen, wofür er einen jährlichen Zins in Form von Geld oder Naturalabgabe zu entrichten hatte. Diesen Ehaften-Status behielten die Mühlen bis zur Einführung der generellen Handels- und Gewerbefreiheit in der Bundesverfassung von 1874. Bis ins 19. Jh. waren Mühlen per se Kundenmühlen und somit verpflichtet, das Mahlgut ihrer Kunden für einen fixen Lohn zu mahlen. Dafür genossen sie wesentliche Privilegien hinsichtlich der Wassernutzung und der Holzvergabe aus öffentlichen Wäldern. Innerhalb des Dorfverbandes nahm der Müller eine bedeutende wirtschaftliche und soziale Stellung ein. Mit dem technischen Fortschritt und der damit verbundenen Rationalisierung sowie dem Ausbau der Verkehrswege nahm die Zahl der Mühlen seit dem späteren 19. Jh. sukzessive ab [1].
Die ehemalige Getreidemühle von Rudolfstetten wurde gemäss Portalinschrift 1639 für Heinrich Widerkehr, den damaligen Amman von Dietikon und dessen Ehefrau Margareta Kuony erbaut. 1655 übertrug Widerkehr die Mühle auf seine Enkel [2]. Die Mühle steht im Norden des Dorfkerns bei der Mündung des Chilebachs in den Rummelbach. Der Wasserradantrieb wurde in erster Linie durch den Chilebach gewährleistet. Bei ungenügender Wasserzufuhr konnte dieser aus dem oberhalb der Mühle gelegenen Mühleteich zusätzlich gespiesen werden. Auf der Michaeliskarte von 1837/43 sind der Teich und der verbindende Kanal zum Chilebach deutlich eingezeichnet (siehe Bilddokumentation). Gemäss Brandkataster wurde das Gebäude bereits im ausgehenden 19. Jh. nicht mehr als Mühle genutzt. Im ersten Drittel des 20. Jh. beherbergte es eine Kehlleistenfabrik. Seither dient es als Wohnhaus. Um 1990 fand eine Aussenrenovation statt. (Hausinneres nicht gesehen.)
Beschreibung:Die Rudolfstetter Mühle befindet sich nordöstlich des historischen Dorfkerns bei der Mündung des Chilebachs in den Rummelbach. Sie steht auf der Südwestseite der Mühlegasse, auf welche sie traufständig ausgerichtet ist. Unmittelbar gegenüber liegt die Mühlescheune (Bauinventarobjekt RUF905). Der langgestreckte zweigeschossige Baukörper der ehemaligen Mühle besteht aus verputztem Bruchsteinmauerwerk und trägt ein steiles, knappes Satteldach mit Biberschwanzziegeln. Die Dachkonstruktion umfasst eine Firstpfette und Mittelpfetten, deren Pfettenköpfe an der nordwestlichen Giebelfassade vorstehen und auf Büge abgestützt sind. Die durch Aufschieblinge verbreiterte Dachuntersicht ist verschalt und kassettiert. Die Befensterung bestand bis zu einer Aussenrenovation um 1990 noch zu einem kleinen Teil aus bauzeitlichen Kehlfenstern (siehe Bilddokumentation, Bauernhausforschung 1988), mehrheitlich jedoch schon aus grosszügigen, gefalzten Einzelfenstern des 19. Jh. Weitgehend original erhalten ist das mit Stab und Kehle profilierte Muschelkalk-Türgewände zum Hochparterre an der südöstlichen Giebelfassade. Die von kannelierten Konsolen flankierte Bekrönung zeigte an der Stelle, wo später das Oberlicht herausgeschnitten wurde, ein von zwei Widdern gestütztes Müllerwappen, ähnlich demjenigen auf der Türbekrönung des Zehntenhauses (Bauinventarobjekt RUF901) und eine Beischrift mit den Namen Heinrich Widerkehr und Margaretha Kuony» [3]. Der dreieckige Ziergiebel aus Sandstein darüber zeigt die Bauinschrift «Heinreich Widerker Der Zeit Ammann zu Dietigen 1639».
Die Mittelachse der nordöstlichen Trauffassade weist einen ebenerdigen Hauseingang mit stichbogigem Türgewände auf. Dieser bewahrt eine feingliedrige, fünffeldrige Rahmentür wohl aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. mit Ziergitter und qualitätsvoll geschnitzten Verzierungen in Form von Stäben, profilierten Kartuschen, Kapitellen, Rankenwerk und Rosetten.
An dem Mühlengebäude haben diverse bauliche Eingriffe stattgefunden: Die spätgotischen Kehlfenster und die Falzfenster des 19. Jh. wurden verputzt; im Hausinnern wurde ein Grossteil der originalen Balkenlage ersetzt; der Ausbau des Dachgeschosses erfolgte wohl bereits im späteren 19. Jh. Trotz der baulichen Veränderungen bewahrt der Bau insgesamt seine spätgotisch geprägte Gesamterscheinung.
Anmerkungen:[1] Allgemein zu historischen Mühlen im Aargau bzw. in der Schweiz siehe Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1, Basel 1996, S.411–415; Anne-Marie Dubler, «Mühlen», in: Historisches Lexikon der Schweiz, Online-Version vom 31.05.2012.
[2] Aus der Müller-Dynastie der Wiederkehr stammt auch Untervogt Johann Widerkehr, der Erbauer des Zehntenhauses (Bauinventarobjekt RUF901).
[3] Gemäss Felder 1967, S. 350.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- Peter Felder, Die Kunstdenkmäler des Kanton Aargau. Bd. 4: Der Bezirk Bremgarten, Basel 1967, S. 350.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0100, Brandkataster Gemeinde Rudolfstetten, 1899–1938.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Bauernhausforschung Kurzinventar Rudolfstetten III-15, 5 (1988).
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=139585
 

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