INV-SAF901 Stammhaus Hüssy, 1820-1822 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SAF901
Signatur Archivplan:SAF901
Titel:Stammhaus Hüssy
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordosten (2022)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Safenwil
Ortsteil / Weiler / Flurname:Striegel
Adresse:Striegelstrasse 35
Versicherungs-Nr.:39
Parzellen-Nr.:765
Koordinate E:2640012
Koordinate N:1240800

Chronologie

Entstehungszeitraum:1820 - 1822
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:Brunnen (SAF904A)
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Landhaus

Dokumentation

Würdigung:Wohnhaus vom Typus eines barocken bernischen Landhauses, das 1820/22 für Johann Rudolf Hüssy-Zimmerli (1789-1857), den Gründer der Weberei und Färberei Hüssy & Co., errichtet wurde. Der unter einem behäbigen Mansarddach geborgene, verputzte Stein- und Fachwerkbau mit Holzlaube auf gedrechselten Säulen ist am Äusseren weitgehend unverändert erhalten und bewahrt im Innern die ursprüngliche Raumstruktur und Teile der wertvollen bauzeitlichen Ausstattung. Mit der Nachbarliegenschaft Striegelstrasse 37, einem 1873 zu Wohnzwecken umgebauten Magazingebäude, teilt es einen schönen gepflasterten Vorplatz mit Brunnen (Bauinventarobjekt SAF904A). Als Stammhaus der erfolg- und einflussreichen Safenwiler Textilunternehmerfamilie Hüssy und als ältester erhaltener Bauzeuge des im 19. Jahrhundert gewachsenen, bis vor wenigen Jahren den Striegel prägenden Industrieensembles kommt dem Gebäude eine erhebliche lokal- und siedlungsgeschichtliche Bedeutung zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Wohnhaus bildet den Ausgangspunkt einer baulichen Entwicklung, die im Verlaufe des 19. Jh. und frühen 20. Jh. auf der Striegelhöhe ein umfangreiches Ensemble von Wohn-, Geschäfts- und Fabrikationsbauten entstehen liess und den westlichen Dorfeingang bis vor wenigen Jahren massgebend prägte. Heute bestehen noch die locker gruppierten Wohnhäuser der Familie Hüssy (vgl. Bauinventarobjekte SAF902, SAF903, SAF905 und SAF906, ferner Striegelstrasse 37 und Obersumpfstrasse 44). Die zugehörigen Produktions- und Verwaltungsbauten (das in den 1840/50er-Jahren erstellte und 1949 abgebrannte Kontor und die 1852 errichteten, 1905-08 stark ausgebauten und 2021/22 abgebrochenen Färberei- und Appreturgebäude) waren beidseits der Striegelstrasse angeordnet.
Anstelle des Hüssy-Stammhauses stand ehemals ein mit Stroh gedecktes Doppelwohnhaus, von dem die Hälfte den Eltern von Johann Rudolf Hüssy-Zimmerli (1789-1857) gehörte. Dieser erwarb 1807 nach einer Lehre als Leinenweber einen Webstuhl und stellte im Keller seines Elternhauses zunächst im Auftrag von Verlegern und wenig später selbstständig Tuch her. Durch Fleiss und Sparsamkeit konnte er die Produktion langsam auf- und ausbauen und ein kleines Unternehmen gründen. 1816 begann er mit der Fabrikation von Bauwolltüchern, die er ausser Haus weben liess. 1820 oder 1822 baute er das Strohhaus, das er inzwischen hatte ganz übernehmen können, in das bestehende steinerne Gebäude mit Ziegeldach um, wobei er während des Umbaus im Haus wohnen blieb [1]. 1828 besass Hüssy neben dem Stammhaus, einem Waschhaus und einem weiteren Strohdachhaus mit Scheune auch eine neu erstellte Scheune mit Magazin und Zettelstuben (Striegelstrasse 37 (Vers.-Nr. 38)) sowie weiter östlich ein neues Wohn- und Geschäftshaus (Bauinventarobjekt SAF903), das der kinderreichen Familie als zweiter Wohnsitz diente. Nach dem Tod von Johann Rudolf Hüssy-Zimmerli 1857 zog sein zweitältester Sohn Jakob Hüssy-Scheurmann (1818-1864) in das Stammhaus. Von dessen Erben wurde es im Jahr 1900 an den Sohn Albert Hüssy-Perry (1843-1921) überschrieben, der bereits 1873 das ehemalige Garnmagazingebäude (Striegelstrasse 37 (Vers.-Nr. 38) zu Wohnzwecken umgebaut hatte. Es folgten als Eigentümer 1936 der verwandte Max Matter und zwei Jahre später Paul Matter-Bally [2].
Gemäss Brandkataster fanden am Haus 1861 und 1872 bauliche Verbesserungen statt. 1936 wurde das Dachwerk teilweise erneuert (gemäss Kurzinventar 1995). Seither trägt der Walmteil eine Doppeleindeckung, während das Mansardgeschoss mit teilweise handgefertigten Biberschwanzziegeln noch mehrheitlich einfach gedeckt ist. Im frühen 20. Jh. wurden in der Stube ein neuer Kachelofen aufgesetzt und eine Zentralheizung eingebaut, deren Radiatoren filigranes Jugendstildekor zeigen.
Beschreibung:Das Wohnhaus steht nahe der Kantonsgrenze zu Solothurn, im Spickel zwischen der Hauptverkehrsachse und der nach Südwesten abzweigenden Schnepfwinkelstrasse. Es war ehemals von einem grossen Grundstück umgeben und besass neben der Zufahrt von Osten her auch einen Zugang auf der Südseite. Der im Stil eines barocken bernischen Landhauses gehaltene längliche Baukörper ist unter einem ausladenden, breitbehäbigen Mansarddach mit kleinen Giebelgauben und einem Aufzugserker auf der Südseite geborgen. Zwischen Walm und Mansarde hat sich das hölzerne Profilgesims erhalten. Die über einem niedrigen Kellersockel zweigeschossig aufgeführten Fassaden bestehen im Erdgeschoss aus Mauerwerk, im Obergeschoss wohl mit Ausnahme der Ostseite aus verputztem Fachwerk. Sie werden von Eckquadern aus Sandstein eingefasst und durch ein gerades Gurtgesims horizontal gegliedert. Am Obergeschoss der nördlichen Längsseite verläuft eine holzverkleidete, mit Zwillingsfenstern ausgestattete Laube, die von hölzernen gedrechselten Säulen auf Kalksteinsockeln gestützt wird. Die achsensymmetrisch angeordneten Fenster, schmalseitig je zwei und auf der südlichen Längsseite fünf, sind im Erdgeschoss und auf der ganzen Ostseite mit steinernen Stichbogengewänden versehen, im übrigen Obergeschoss mit hölzernen Rechteckgewänden. Die mittleren drei Südfenster sind jeweils zu einer Gruppe zusammengerückt. Der auf der Nordseite unter der Laube leicht aus der Mitte verschoben angelegte Hauseingang ist als stichbogiges, mit Faszien und einem geschuppten Louis-XVI-Schlussstein verziertes Sandsteinportal auf Kalksteinpostamenten gestaltet. Er bewahrt das originale, zweiflüglige Türblatt mit wahrscheinlich nachträglich geschaffenen Lichtern. Ebenfalls an der Nordseite befindet sich der Abgang zum Webkeller (gemäss Kurzinventar 1991/95). Die Erschliessung erfolgt mittels eines Stichgangs mit Treppe ins Obergeschoss und Türen auf die Küche, eine Kammer auf der Ostseite und die Stube auf der Gartenseite, die von zwei weiteren Räumen flankiert wird. Die Aufkammerung im Obergeschoss ist identisch, wobei die Funktion der Räume verändert wurde. Vom Gang des Obergeschosses führt eine Treppe in das von Anfang an ausgebaute Dachgeschoss, dessen Räumlichkeiten zur Unterbringung auswärtiger Geschäfts- und Fuhrleute diente. So konnten sich in der sog. Judenstube jüdische Kaufleute koschere Mahlzeiten zubereiten (gemäss Kurzinventar 1995). An bauzeitlicher Ausstattung haben sich diverse Parkettböden, Wand- und Deckentäfer (letztere zum Teil unter einer jüngeren Verkleidung verborgen), Füllungstüren, Sprossenfenster mit Espagnolettenverschlüssen und Wandkästen erhalten. In der Stube befinden sich zudem ein Zeithäuschen samt Uhr und ein eingebauter Empire-Sekretär. Aus der Bauzeit stammt weiter ein blaugrüner Ofen mit weissen Fayencekacheln als Gesims, Fries und Ecklisene auf konischen Sandsteinfüssen (Inneres gemäss Kurzinventar 1995).
Anmerkungen:[1] Zur Bau- und Besitzergeschichte siehe Hüssy, Staelin-Hüssy, Zwicky 1939, S. 111-112, 115.
[2] Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0651 (1850-1874), Vers.-Nr. 21, CA.0001/0652 (1875-1898) Vers.-Nr. 28, CA.0001/0653 (1899-1938), Vers.-Nr.39, Brandkataster Gemeinde Safenwil.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 40.
- Michael Stettler, Die Kunstdenkmäler des Kanton Aargau. Bd. 1: Die Bezirke Aarau, Kulm, Zofingen, Basel 1948, S. 298.
- A. Hüssy, C. Staelin-Hüssy, J.P. Zwicky, Die Hüssy vom Strigel. Vorfahren und Nachfahren des Johann Rudolf Hüssy-Zimmerli von Safenwil 1789–1857, Zürich 1939, S. 111-112, 115.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0651 (1850-1874), Vers.-Nr. 21, CA.0001/0652 (1875-1898) Vers.-Nr. 28, CA.0001/0653 (1899-1938), Vers.-Nr. 39, Brandkataster Gemeinde Safenwil.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=139893
 

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