INV-SAF903 Schnepfwinkelstrasse 2, 1828 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SAF903
Signatur Archivplan:SAF903
Titel:Schnepfwinkelstrasse 2
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Norden (2021)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Safenwil
Ortsteil / Weiler / Flurname:Striegel
Adresse:Schnepfwinkelstrasse 2
Versicherungs-Nr.:40
Parzellen-Nr.:766
Koordinate E:2640062
Koordinate N:1240796

Chronologie

Entstehungszeitraum:1828
Grundlage Datierung:Literatur
Nutzungen:in den 1930/40er Jahren Restaurant im EG

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus mit Gewerbelokal

Dokumentation

Würdigung:Wohn- und Geschäftshaus, das 1828 für Johann Rudolf Hüssy (1789-1857), den Gründer der Weberei und Färberei Hüssy & Co., errichtet wurde und Anfang 20. Jh. an der rückwärtigen Eingangsfassade und im Innern eine qualitätvolle Umgestaltung erfuhr. Das prominent am westlichen Ortseingang gelegene Gebäude erhebt sich als herrschaftlicher klassizistischer Mauerbau unter hohem, barock geprägten Mansarddach. Als einem der letzten Bauzeugen des am Striegel einst umfassenden Baubestands der Weberei und Färberei Hüssy & Co. kommt dem Gebäude neben dem hohen Situationswert ein ausserordentlich hoher lokalgeschichtlicher Wert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Haus Schnepfwinkelstrasse 2 (Vers.-Nr. 40) wurde 1828 für Johann Rudolf Hüssy (1789-1857) errichtet. Johann Rudolf Hüssy hatte 1816 die Weberei und später auch Färberei Hüssy & Co. gegründet, die mit ihren Fabrikgebäuden noch bis in die jüngste Gegenwart den Striegel prägte. Die Familie Hüssy beeinflusste im 19. Jahrhundert nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die gesellschaftliche Entwicklung des Dorfes entscheidend, indem sie sich über Generationen hinweg für das öffentliche Wohl der Gemeinde einsetzte, politische Ämter übernahm und u. a. durch Schenkungen den Bau der Pfarrkirche samt Friedhof ermöglichte sowie den Armenverein gründete [1].
Vermutlich war das Gebäude ursprünglich als Wohn- und Geschäftshaus konzipiert, gemäss schriftlicher Überlieferung dürfte es der grossen Familie jedoch schon bald vornehmlich als Wohnhaus gedient haben. In den 1850er-Jahren wurde das grosse mittlere Zimmer im Obergeschoss zeitweise auch als Schulzimmer für den Privatunterricht der Hüssy-Kinder genutzt. Gemäss erstem verfügbarem Brandkataster von 1850 wies der zweigeschossige Mauerbau mit Mansarddach damals noch in Analogie zum benachbarten Stammhaus der Familie Hüssy (Vers.-Nr. 39, Bauinventarobjekt SAF901) eine "ausgebaute, eingewandete & eichen berandete Laube unter gleichem Dach" auf.
Als Johann Rudolf Hüssy 1857 verstarb, führten die fünf Söhne das Unternehmen gemeinsam weiter. Erst 1866 wurden die nicht zu den Fabriken gehörenden Liegenschaften unter den Teilhabern verteilt, wobei der drittälteste Sohn Hans Hüssy-Walty (1818-1906) das Haus Schnepfwinkelstrasse 2 übernahm. Er bezog die Wohnung im Obergeschoss, während sein Neffe Rudolf Hüssy-Zwicky noch bis zur Errichtung seines eigenen Hauses 1874 im Parterre wohnte. Nach dem Tod von Hans Hüssy-Walty ging die Liegenschaft 1906 zunächst an die Firma Hüssy & Co. und 1915 an Karl Ernst Hüssy-Spälty über. Unter ihm erfolgte ein grösserer Umbau des Gebäudes, indem anstelle der rückseitige Laube mit Abortanbau ein neuer dreigliedriger Anbau angefügt wurde. Im Brandkataster ist in diesem Jahr ein erheblicher Anstieg des Versicherungswertes von 35'000 auf 88'000 Franken vermerkt. Aus dieser Zeit stammen nicht nur die flankierenden Eckanbauten mit dazwischen eingeschobenem Eingangstrakt auf der Südseite samt Haustür, sondern auch ein Grossteil der historisch wertvollen Ausstattung im Innern [2].
Nach der Auflösung der Firma Hüssy 1934 kaufte Otto Kyburz, Wirt aus Oberentfelden, das Gebäude und betrieb im Erdgeschoss bis in die 1940er-Jahre das Restaurant "Strigel". Hierfür wurde in der Ostfassade ein neuer Eingang angelegt, der direkt auf die saalartige Gaststube im nordöstlichen Teil des Gebäudes öffnete. Wie die zugehörige, zeittypisch schlichte Wandverkleidung verrät, hatte der Raum seine heutigen Dimensionen spätestens dann, möglicherweise aber auch bereits vor der Umnutzung, im frühen 20. Jh. erhalten, indem einige Binnenwände entfernt und stattdessen ein zweckmässiger Längsunterzug mit mehreren Stützen aus Stahl eingebaut worden waren. Ein kleinerer, vom Saal her zugänglicher Raum ist in der Nordwestecke angelegt, in der südöstlichen Ecke liegen die Toiletten. Heute befindet sich in den ehemaligen Räumlichkeiten des Restaurants ein Bekleidungsgeschäft, während im südwestlichen Teil des Erdgeschosses eine Wohnung eingerichtet ist. Letztere weist jüngere Einbauten und eine westseitige Erweiterung auf.
Die Unterteilung der Wohnung im Obergeschoss in zwei kleinere Einheiten dürfte um die Mitte des 20. Jh. erfolgt sein. Damals wurde vermutlich das barockisierende Täfer im Gang angebracht und damit der direkte Zugang zum Wohnzimmer in der Mitte (heute Bestandteil der östlichen Wohnung) aufgehoben. Zur selben Zeit richtete man wohl die beiden Wohnungen im Dachgeschoss ein.
Beschreibung:Das an der Zufahrt zum Hüssy-Stammhaus (Bauinventarobjekt SAF901), schräg zur Striegelstrasse errichtete Wohn- und Geschäftshaus nimmt am westlichen Ortseingang eine strassenraumprägende Stellung ein. Der wohlproportionierte Mauerbau zeichnet sich durch eine differenzierte Gliederung mittels Ecklisenen, Gurt- und profilierten Kranzgesimsen aus. Die der Durchgangsstrasse zugewandte Hauptfassade zeigt sieben eng gesetzte Fensterachsen und einen breiten, die Mittelachse akzentuierenden Quergiebel. Zu den zeittypisch schlichten Hausteingewänden mit Blockgesimsen haben sich hölzerne Jalousieläden erhalten. Die rückseitige Eingangsfassade präsentiert sich seit einer Umgestaltung Anfang 20. Jh. mit einem dem Obergeschoss als Terrasse dienenden Vorbau, der von zwei leicht eingezogenen, zweigeschossigen Eckrisaliten unter geschweiften Pyramidendächern mit Kugelaufsätzen flankiert wird (Erdgeschossfenster im westlichen Risalit in jüngerer Zeit mit einem Querformat überformt, Ausgang im östlichen Risalit vermutlich nachträglich ergänzt). Die Fenster des Mansardgeschosses sind vorderseitig als Giebelgauben gestaltet, an den Schmalseiten wohl aufgrund einer späteren Veränderung nur als Einschnitte (vgl. Bilddokumentation). Die Eindeckung des Dachs, das noch die zugehörigen profilierten Gesimse und die aus Brettern bestehende Verkleidung der Dachuntersicht besitzt, besteht aus älteren Biberschwanzziegeln. Nach Norden und Osten umgibt das Gebäude zur Strasse hin eine alte, mit Radabweisern versehene Kalkbruchsteinmauer mit Schmiedeeisenzaun.
Der in der Mittelachse des südseitigen Anbaus angelegte Hauseingang ist als Rundbogentür mit einem vermutlich aus Muschelkalk gehauenen Gewände, kapitellartigen Bogenanfängern und Schlussstein gestaltet. Das schmucke, zweiflüglige Türblatt aus Eichenholz zeigt reich verzierte schmiedeeiserne Gitter vor den verglasten Füllungen. Die Tür öffnet auf einen Vorraum mit Bodenfliesen und einer Laterne aus der Bauzeit Anfang 20. Jh. Von hier aus führt eine Treppe geradeaus in den Keller unter der nördlichen Gebäudehälfte, linkerhand öffnet eine Tür zu den Räumen im Erdgeschoss und rechterhand eine weitere zum Treppenaufgang. Die Tür zum Erdgeschoss ist im Stil des Historismus mit üppigen Schnitzereien in Eiche ausgeführt. Sie dürfte ehemals zu den Geschäftsräumen der Firma Hüssy geführt haben. Dahinter befindet sich ein Vorraum mit grün glasierten Bodenfliesen und einer verglasten Zweiflügeltür aus dem frühen 20. Jh. zum nördlich gelegenen Hauptraum und späteren Restaurantlokal. Zu diesem Saal und zum nordwestlichen Raum hat sich als Rarität ein herausragender Fensterbestand (Fensterflügel samt Vorfenster) aus der Bauzeit des Hauses um 1828 mit Espagnolettenverschlüssen und barocken Beschlägen erhalten. Dazu sind vertäferte Fensterlaibungen vorhanden sowie ein älterer eichener Dielenboden. Im Südwestzimmer (heute Bestandteil einer abgetrennten Wohnung) besteht noch ein eichenes Tafelparkett aus dem frühen 20. Jh.
Die Tür vom Entrée ins Obergeschoss führt zunächst ebenfalls in einen Vorraum, der mit einem korbbogigen Durchgang zur grosszügig angelegten, einläufigen Treppe überleitet. Diese ist weitgehend in Eiche gefertigt und besitzt einen schönen Handlauf mit Endvolute und ein Geländer mit Brettbalustern und Schnitzereien. Das Obergeschoss weist heute zwei nicht ganz identische Wohnungen auf, die ursprünglich zu einer einzigen Wohnung vereint waren. Die wertvolle historische Ausstattung stammt aus der Umbauphase im frühen 20. Jh. Sie umfasst Bodenbeläge aus Feinsteinzeugfliesen und Eichenparkett, unterschiedliche, teilweise beschnitzte Wandtäfer, Radiatorenkästen mit dekorativer Treibarbeit für die Zentralheizung, vertäferte Fensterlaibungen, Türen, sowie Stuckdecken. Dazu haben sich Fensterflügel mit Espagnolettenverschluss aus derselben Zeit erhalten. Die Raumstruktur dürfte im Wesentlichen noch auf die ursprüngliche Anlage des 19. Jh. zurückgehen und wurde vermutlich vor allem durch den nachträglichen Einbau der Badezimmer verändert. Die neoklassizistischen Türen zum Treppenhaus, welche heute im Ober- und Mansardgeschoss die Wohnungstüren bilden, sind vermutlich ebenfalls Bestandteil der qualitätvollen Umgestaltung unter Karl Hüssy-Spälty. Die sehr ähnlich gestalteten Schrankfronten im Treppenhaus, welche die Türrahmen teilweise überdecken und unpassend proportioniert sind, können jedoch erst mit der Aufhebung des direkten Zugangs zur Stube wohl in Zusammenhang mit der Einrichtung mehrerer Wohnungen Mitte 20. Jh. hinzugekommen sein. Die Räume im Mansardgeschoss sind modernisiert und zeigen keinerlei historische Ausstattung. Das Dach bewahrt die bauzeitliche Konstruktion von 1828.
Unter der talseitigen Gebäudehälfte erstreckt sich über die gesamte Länge ein hoher Gewölbekeller, dessen Unterteilung in einen kleineren und einen grösseren Raum möglicherweise sekundär ist.
Anmerkungen:[1] Zur Bau- und Besitzergeschichte siehe Hüssy, Staelin-Hüssy, Zwicky 1939, S. 112ff.
[2] Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0651 (1850-1874), Vers.-Nr. 25, CA.0001/0652 (1875-1898) Vers.-Nr. 33, CA.0001/0653 (1899-1938), Vers.-Nr. 40, Brandkataster Gemeinde Safenwil.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Michael Stettler, Die Kunstdenkmäler des Kanton Aargau. Bd. 1: Die Bezirke Aarau, Kulm, Zofingen, Basel 1948, S. 298.
- A. Hüssy, C. Staelin-Hüssy, J.P. Zwicky, Die Hüssy vom Strigel. Vorfahren und Nachfahren des Johann Rudolf Hüssy-Zimmerli von Safenwil 1789–1857, Zürich 1939, S. 111–122, insbesondere 112, 115, Taf. 3
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0651 (1850-1874), Vers.-Nr. 25, CA.0001/0652 (1875-1898) Vers.-Nr. 33, CA.0001/0653 (1899-1938), Vers.-Nr. 40, Brandkataster Gemeinde Safenwil.
- ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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