INV-AAB904 Alte Spinnerei, 1824-1837 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-AAB904
Signatur Archivplan:AAB904
Titel:Alte Spinnerei
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Aarburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Bahnhofstrasse, Weberei
Adresse:Weberstrasse
Versicherungs-Nr.:304, 309, 311, 312, 313, 315, 316, 317
Parzellen-Nr.:970, 2458
Koordinate E:2635114
Koordinate N:1241060
Situationsplan (AGIS):https://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2635114&y=1241060

Chronologie

Entstehungszeitraum:1824 - 1837
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Baugruppe
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Fabrikgebäude, Manufakturgebäude

Dokumentation

Würdigung:Gruppe von klassizistischen Fabrikbauten in einem weitläufigen Industrieareal. Die drei entlang dem Mühletych-Kanal aufgereihten Kernbauten gehen auf die Gründung der Baumwollspinnerei durch Johann Jakob und Rudolf Grossmann 1824/25 zurück. Die aus der Gründungszeit erhal¬tenen klassizistischen Fabrikbauten, insbesondere die monumentale Spinnerei mit ihren 21 Achsen zählenden Längsfronten, sind eindrückliche Denk¬mäler der frühindustriellen Zeit. Die späteren Erweiterungen, namentlich aus dem frühen und fortgeschrittenen 20. Jahrhundert, zeigen die Entwicklung der Textilindustrie. Das weitläufige Areal mit seinen Bauten aus verschiedenen Epochen ist ein industriearchäologisches Denkmal von höchstem lokalgeschichtlichen und wirtschaftsgeschichtlichem Wert.
Bau- und Nutzungsgeschichte:1824/25 gründete Johann Jakob Grossmann, Spross einer aus Lörrach zugezogenen Familie, zusammen mit seinen Söhnen eine Baumwollspinnerei und -färberei. Bereits vier Jahre zuvor hatte die Firma Jakob Grossmann, Väter und Söhne, nördlich des Städtchens eine Färberei errichtet [1].
Das erste Ensemble bestand aus der grossen Spinnerei als Zentrum der Anlage (Nr. 312) sowie den beiden quer dazu stehenden Gebäuden der Färberei (Nr. 309) und der mechanischen Weberei (Nr. 317), die spätestens seit 1837 bestanden. 1836 konnte Rudolf Grossmann von der Ortsbürgergemeinde den nicht mehr rentablen Kupferhammer samt Land und Zugaben übernehmen. Damit entfielen die alten Wasserrechte am Mühletych und es konnte ein Wasserkanal zum Betrieb der Wasserräder für die Spinnerei und die Weberei gebaut werden. Schon die Zeitgenossen rühmten den Betrieb und erkannten dessen Bedeutung für das Städtchen, so etwa der Aargauer Kantonsarchivar Franz Xaver Bronner in seiner Studie über den Kanton Aargau von 1844 [2]. Die Grossmannsche Spinnerei war die erste Firma in der Schweiz, die fertige und gefärbte Rohbaumwolle auf den Markt brachte. Mehrere Wasserräder trieben die zahlreichen Web- und Spinnstühle in den drei Produktionsgebäuden an.
Exportschwierigkeiten führten allmählich zum Niedergang der Grossmannschen Textilindustrie. 1880 kam es zur Liquidation des Grossbetriebs, der auch in Murgenthal und Lörrach Filialen unterhielt. Das Aarburger Geschäft wurde von Felix Weber-Kubli aus Netstal GL erworben und von seinen drei Söhnen erfolgreich weitergeführt. Unter Weber-Kubli wurde die Spinnerei modernisiert. 1889 waren über 16'000 Spindeln und 120 Webstühle in Betrieb. Der nicht mehr rentable Bereich der Weberei wurde später zugunsten der neu eingeführten Stickerei reduziert. Nach 1900 wurde der Antrieb von Wasserrädern auf Turbinen umgestellt. Durch Zusammenlegen der verschiedenen Gefälle und den Bau eines rund 220 m langen Unterwasserkanals sowie den Einbau von zwei Francis-Turbinen konnte die Leistung weiter optimiert werden. Dafür wurde 1917/19 der grossen Spinnerei ein Maschinenhaus angebaut (Nr. 313), nachdem bereits 1911 die Spinnerei und die Färberei durch einen Zwischentrakt (Nr. 311) miteinander verbunden worden waren. Im rückwär¬tigen Maschinenhaus der Spinnerei haben sich Teile der alten Turbinenanlage von 1917/19 erhalten, dazu ein grosser, ungefähr gleichaltriger Diesel-Schiffsmotor der Firma Sulzer.
Im fortgeschrittenen 20. Jh. wurde das Areal weiter ergänzt. Architekturhistorisch bedeutend sind dabei vor allem die beiden Sheddach-Hallen. Die Nordwestliche wurde in den 1920er-Jahren (Nr. 317) erbaut, jene im Nordosten stammt von 1956 (Nr. 988, nicht Bestandteil des Schutzumfangs).
1999 stellten die Weber-Textilwerke den Betrieb ein. Seither siedelten sich verschiedene Firmen im Areal an, darunter die Havo Group AG. 2014 übernahm diese Firma das Areal und sanierte in der Folge einzelne Dächer, Fenster und Türen. Veränderungen ergaben sich durch die Überdachung eines der Innenhöfe und die Montage von Photovoltaikanlagen [3].
Beschreibung:Die weitläufige Fabrikanlage liegt auf der Nordseite des Aarburger Mühletychs. Das Herzstück des Areals ist die Alte Spinnerei (Nr. 312). Der viergeschossige Mauerbau unter Walmdach beeindruckt mit seiner monumentalen Grösse: Die schmucklosen Längsfronten zählen 21 Fensterachsen und sind mit dreiachsigen Mittelrisaliten rhythmisiert. Der nördliche Mittelrisalit wurde nachträglich vergrössert und birgt das Treppenhaus sowie einen später eingebauten Warenaufzug. Da auch der gesamte Dachraum der Produktion diente, weist das Dach auf seiner ganzen Länge Schleppgauben zur Belichtung auf. Das Innere ist durch eine Quermauer zweigeteilt und durch zwei hölzerne Stützenreihen dreischiffig organisiert. In den unteren Stockwerken wurden die Holzpfosten aus Brandschutzgründen nachträglich ummantelt.
In der gleichen nüchternen klassizistischen Formensprache gehalten sind die ursprünglichen Nebenbauten der Färberei (Nr. 309) und der Weberei mit angeschlossener mechanischer Werkstätte (Nr. 317). Sie stehen quer zur Spinnerei mit Giebeldach und bestehen aus verputztem Bruchsteinmauerwerk und sind regelmässig befenstert.
Zusammen mit den Erweiterungen des 20. Jh., namentlich den beiden Sheddach-Hallen (Nr. 317) und (Nr. 988, nicht Bestandteil des Schutzumfangs) ist ein grossflächiges Industrieareal entstanden.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung. Einzelobjekt 7.0.16, Erhaltungsziel A
Anmerkungen:[1] Jakob Bolliger, Aarburg. Festung, Stadt und Amt, Aarburg 1970, S. 352–354.
[2] Franz Xaver Bronner, Der Kanton Aargau historisch, geographisch und statistisch geschildert, St. Gallen und Bern 1844, Bd. 2, S. 271
[3] Aline Jost-Solleder, Die Havo Group AG im Wäbi-Areal in Aarburg, in: Aarburger Neujahrsblatt 2020, S. 48–49.
Literatur:- Jakob Bolliger, Aarburg. Festung, Stadt und Amt, Aarburg 1970, S. 358–359.
- U. Heiniger, Alte Geschäftspapiere von Aarburg, in: Aarburger Neujahrsblatt 1986, S. 15–23.
- Annelies Hüssy, Christoph Reding, Jürg Andrea Bossardt, Manfred A. Frey, Hans Peter neuenschwander, Die Burg und Festung Aarburg. Schweizerischer Kunstführer. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.), Bern 2007, S. 55.
- Thomas Klöti, Wasser als gewerbe- und industriestandortbildender Faktor im Raume Olten, in: Industriearchäologie 1, 1983, S. 2 f.
- Thomas Klöti, Industriestandorte im Raume Olten–Zofingen, in: Aarburger Neujahrsblatt, 1984, S. 3–5.
- Aline Jost-Solleder, Die Havo Group AG im Wäbi-Areal in Aarburg, in: Aarburger Neujahrsblatt 2020, S. 48–49.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0599-0602, Brandkataster Gemeinde Aarburg, 1850-1938.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=28188
 

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