INV-AUW908 Mühlauerstrasse 6, 1430-1431 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-AUW908
Signatur Archivplan:AUW908
Titel:Mühlauerstrasse 6
Bezirk:Muri
Gemeinde:Auw
Adresse:Mühlauerstrasse 6
Versicherungs-Nr.:164A
Parzellen-Nr.:440
Koordinate E:2670391
Koordinate N:1229212

Chronologie

Entstehungszeitraum:1430 - 1431
Grundlage Datierung:Dendrochronologische Analyse

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:Auf einen Kernbau wohl von 1430/31 zurückgehendes, ehemals mit Holzschindeln gedecktes Tätschdachhaus, das im Lauf des 17. oder 18. Jahrhunderts nach Norden und Süden erweitert wurde und im 19. Jahrhundert eine neue Dachkonstruktion mit Ziegeleindeckung erhielt. Der Verlust der gesamten alten Innenkonstruktion bei einem durchgreifenden Umbau im Jahr 2008 hat den materiellen Zeugenwert des Gebäudes empfindlich geschmälert; gleichzeitig wurde die ursprünglich freistehende und nachträglich mit dem Haus verbundene Stallscheune durch einen ähnlich dimensionierten Mehrfamilienhausneubau ersetzt. Trotz des erheblichen Verlusts an historischer Bausubstanz kommt dem ehemaligen Doppelhaus als einem der ältesten Zeugnisse des Profanbaus im Oberfreiamt immer noch bautypologischer und konstruktionsgeschichtlicher Zeugenwert zu. Auch entfaltet es vor der markanten Silhouette der Pfarrkirche (Kantonales Denkmalschutzobjekt AUW004) eine erhebliche ortsbauliche Wirkung.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Mit einer baugeschichtlichen und dendrochronologischen Untersuchung (Jahrringmethode) im Vorfeld der eingreifenden Umbaumassnahmen von 2008 konnte die vielschichtige Entstehungsgeschichte des Gebäudes in den Grundzügen geklärt werden [1]. Den zentralen Bereich des breit gelagerten Wohnteils nahm ein spätmittelalterlicher Kern mit quadratischer Grundfläche und einer Seitenlänge von 9.5 Metern ein. Dieser ist am zentralen Schwellenstück an der östlichen Giebelfassade ablesbar und umfasste im Aufgehenden 3 x 4 Ständer. Ebenfalls zum ursprünglichen Baubestand gehörten die Bohlenwand gegen die Scheune hin und eine ebenfalls in Bohlenständertechnik aufgeführte Binnenlängswand im Obergeschoss des Hauses. Dendrochronologisch konnte dieser Kernbau mit grosser Wahrscheinlichkeit auf 1430/31 datiert werden. Nicht vollständig auszuschliessen ist als zweite Hypothese, dass er 1522/23 unter Verwendung älterer Hölzer neu errichtet wurde; dieser Datierung entsprachen die Längsschwellen auf der Nord- und Südseite des Kernbaus. In beiden Fällen gehörte der Kernbau zur ältesten profanen Bausubstanz im Oberfreiamt. Durch die unregelmässige Anordnung der Wandständer ergab sich ein dreischiffiges Grundrissmuster mit zwei breiteren und einem auffallend schmalen, aussen liegenden Bereich. Nicht geklärt werden konnte die Nutzungskonstellation, welche diesen Räumen entsprochen hätte.
Die nördliche Erweiterung des Wohnteils auf die heutige Gebäudebreite muss nach der Datierung von Schwellen und Teilen des Ständergerüsts um 1749/50 erfolgt sein. Blattsassen von ehemaligen Kopfhölzern an Ständern und Obergeschossrähm deuten auf eine ursprüngliche Wandfüllung mit Bohlen hin (Bohlenständerbau). Wohl im Lauf des 19. Jh. wurden die alten Wandfüllungen durch aussenbündige Flecklinge (Kanthölzer) ersetzt und dabei die Kopfhölzer entfernt. In diesem Zusammenhang erhielt das Gebäude auch die heute bestehende Einzelbefensterung. Unsicher blieb die Datierung der südlichen Erweiterung. Diese könnte bereits nach 1683/84 erfolgt sein. Das Fehlen von Kopfholz-Anblattungen am Ständergerüst deutete allerdings auf eine spätere Erneuerung vielleicht des gesamten Oberbaus. Sicherlich bereits zu einem frühen Zeitpunkt, wenn nicht gar von Anfang an handelte es sich um ein firstparallel geteiltes Doppelhaus.
Die heute nicht mehr bestehende Scheune muss 1821/22 als zunächst freistehendes, vom Wohnteil leicht abgesetztes Gebäude mit Abmessungen von 12 x 14 Metern errichtet worden sein, was neben der Datierung der Hölzer auch durch Ansatzstellen der Dachkonstruktion belegt war. In seiner ursprünglichen Form mit den traufseitig auskragenden Vorbühnen entsprach das Gebäude einem im Freiamt ehemals verbreiteten Typus von Stallscheunen [2]. Zu einem späteren Zeitpunkt erfolgte eine traufseitige Erweiterung.
Um 1830/31 wurde gemäss Datierung des Dachgerüsts das vormals sicherlich bestehende, flachgeneigte Holzschindeldach durch ein mittelsteiles Ziegeldach ersetzt. Dass die Umdeckung vor 1850 stattfand, bestätigt auch der erste verfügbare Brandkatastereintrag aus jenem Jahr [3]. Die Datierung eines Ständers in der Trennwand zwischen Wohnteil und Scheune legt den Schluss nahe, dass Wohnteil und Scheune um 1844/45 durch Einfügen eines zweiten Tenns zu einem zusammenhängenden Baukörper vereinigt wurden, womit das Gebäude im wesentlichen sein bis 2008 bestehendes Aussehen erhielt.
Gemäss Brandkataster gehörte der nördliche Teil der Liegenschaft (ehem. Vers.-Nr. 164A) 1850 Caspar Sennrich, Sigristen. Später ging er an dessen Erben, nach 1900 an Josef Bütler, Sigrist und wiederum später an Sebastian Sigrist, Landwirt, über. Als Eigentümer des zweiten, südseitigen Hausteils (ehem. Vers.-Nr. 164B) sind 1850 Martin Sennrich’s Erben, 1893 Kaspar Sennrich, 1894 Josef Bütler, Armenpfleger, und 1929 Leonz Heinrich Wyss, Fuhrhalter, genannt. Bauliche Verbesserungen sind in beiden Hausteilen für 1863 sowie 1893 vermerkt [4].
Anlässlich des durchgreifenden Umbaus von 2008 wurde das Innere unter Zerstörung der bauarchäologisch wertvollen Ständekonstruktion wie auch der gesamten Ausstattung ausgekernt und mit Geschosswohnungen vollständig neu ausgebaut. Im gleichen Zusammenhang erfolgte der Abbruch der eigentumsrechtlich vom Wohnhaus getrennten Scheune und deren Ersatz durch einen Mehrfamilienhausneubau, der sich in Kubatur und Gestaltung an den früheren Zustand anlehnt [5]. Der zur Liegenschaft gehörende, vielleicht ins 17. Jh. zurückgehende Speicher (ehemals Bauinventarobjekt AUW909, entlassen 2019), wurde gleichzeitig abgebrochen und durch eine freie Rekonstruktion ersetzt.
Beschreibung:Das Doppelwohnhaus steht östlich unterhalb der Pfarrkirche St. Nikolaus (Kantonales Denkmalschutzobjekt AUW004) am Dorfbach und tritt vor deren Silhouette von der Mühlauerststrasse her prominent in Erscheinung. Der breitgelagerte zweigeschossige Baukörper wird von einem mittelsteilen, geraden Satteldach abgeschlossen, das sich mit einem grossen, von einem Klebdach ausgeschiedenen Giebelfeld nach Osten wendet. Das Gebäude ist aus einem Kernbau des 15. Jh. entstanden, dessen Breite am noch bestehenden eichenen Schwellenstück der Giebelfront abzulesen ist und der nachträglich in zwei Etappen nach Süden und Norden auf seine heutige Breite erweitert wurde. Es handelt sich um einen ehemaligen Bohlenständerbau, dessen Wandfüllungen wohl im Lauf des 19. Jh. durch Flecklinge (Kanthölzer) ersetzt wurden und damals auch ihre heutige Befensterung mit Rechtecköffnungen erhielten. Westseitig schloss eine grossvolumige Stallscheune an, die seit 2008 durch einen volumetrisch ähnlichen Mehrfamilienhausneubau ersetzt und über einen Zwischentrakt mit dem Wohnhaus verbunden ist (nicht Bestandteil des Schutzumfangs).
Vom Doppelwohnhaus sind seit dem durchgreifenden Umbau von 2008 nur noch die Ständerkonstruktion der Umfassungswände und Teile des Dachgerüsts aus der Zeit um 1800 erhalten. Der grössere Teil des Schwellenkranzes – mit Ausnahme der stirnseitigen Schwelle des Kernbaus von 1430/31 – wurde erneuert; gleiches gilt auch für einen Teil der Wandfüllungen. Das alte Türblatt wurde aufgedoppelt. Der ursprünglich nur spärlich befensterte Giebel erhielt beim Dachausbau mehrere neue Fensteröffnungen. Vom Dachgerüst ist noch die Rafenkonstruktion mit First- und Mittelpfette samt Ständerkonstruktion erhalten. Das Hausinnere ist mit betonierten Decken und Wänden ein Neubau. Im Dachgeschoss wurde eine Sitzkunst mit Blumenmustern eingebaut, die früher in der Stube des südseitigen Hausteils stand und an der als Sandsteinplatte ausgebildeten Feuerwand die Inschrift «Die Gebrüder Senrich / im Auw 1848» trägt.
Inneres vor dem Umbau: Die gegengleich angelegten Wohnteile waren an den Traufseiten zugänglich und identisch aufgeteilt mit Stube und Nebenstube im giebelseitigen Vorderhaus sowie einer grossen tennseitigen Küche. In den Küchen befanden sich die Treppenaufgänge ins Obergeschoss, wo Schlafkammern untergebracht waren. Im oberen Stockwerk trennte eine russgeschwärzte, mit liegenden Bohlen ausgefachte Wand mit originaler Türöffnung die Räume der beiden Haushälften. Die Russschwärze in den Obergaden ist ein Indiz dafür, dass einst doppelgeschossig offene Rauchküchen ohne Kaminabzug bestanden. Unter beiden Wohnteilen erstreckten sich Keller mit Balkendecken.
Beide Wohnungen bewahrten teilweise ihre biedermeierliche Ausstattung (gefeldertes Wand- und Deckentäfer; Stube A mit schönem eichenem Einbaukasten). Die Haustür zum nordseitigen Hausteil zeigte ein aufwendiges gefeldertes Eichentürblatt. In der Stube des südseitigen Hausteils waren ein grüner Kastenofen und die heute im Dachgeschoss eingebaute Sitzkunst von 1848 erhalten (gemäss Kurzinventar 1996).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Baugeschichte nach der Darstellung von Pius Räber, 2004, im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege. Diese stützt sich insbes. auf die die dendrochronologische Untersuchung des Büros dendron (Raymond Kontic), Basel, 2004 (ebd.).
[2] Vgl. Räber 1996, S. 147 (Abb. 204), S. 351 (Abb. 642).
[3] StAAG, Brandkataster Auw.
[4] Ebd.
[5] Akten im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
Literatur:- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1, Basel 1996, S. 89, 271f.
- Dominik Sauerländer, Auw. Eine Ortsgeschichte, Baden 2012, S. 24f.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0470-0472, Brandkataster Gemeinde Auw, 1850-1938 (alte Vers.-Nrn.: vor 1850: 113A/B, 1850: 149A/B, 1875: 163A/B).
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Auw VIII-3/5 (Wohnhaus), VIII-3/6 (Ökonomieteil).
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Denkmalschutzakten.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Berichte: Dendrochronologische Untersuchung dendron (Raymond Kontic), Basel, 2004; Baugeschichtliche Untersuchung Pius Räber, 2004.
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
DOK-AUW839.001 Mühlauerstrasse 4/6, Wohnhaus mit Scheune, Keine Angabe (Dossier (Dokumentationsobjekte))
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=28920
 

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