INV-AUW920 Gasthaus "Hirschen", 1715 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-AUW920
Signatur Archivplan:AUW920
Titel:Gasthaus "Hirschen"
Bezirk:Muri
Gemeinde:Auw
Adresse:Sinserstrasse 4
Versicherungs-Nr.:92
Parzellen-Nr.:357
Koordinate E:2670193
Koordinate N:1229327

Chronologie

Entstehungszeitraum:1715
Grundlage Datierung:Inschrift (Jochbalken Tenntor)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Gasthaus, Gasthof
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätbarock

Dokumentation

Inschriften:"K 1715 B" (Jochbalken Tenntor)
Würdigung:In ortsbildprägender Stellung im alten Dorfkern gelegener Gasthof, der nach der Jahrzahl am Jochbalken des Tenntors unmittelbar nach dem Dorfbrand von 1715 errichtet wurde. Das Gebäude präsentierte sich ursprünglich in der Disposition eines Vielzweckbaus mit gemauertem Wohnhaus und daran anschliessender Scheune und wurde wohl im späten 18. Jahrhundert noch in barocken Formen um einen Quergiebelanbau mit repräsentativer Strassenfront erweitert. Zusammen mit der grossvolumigen Scheune bewahrt der stattliche Gasthof noch seine Grundkonstellation und die Fassadengestaltung insbesondere des nördlichen Quergiebels. Mit seiner stattlichen Erscheinung kommt ihm ein hoher Situationswert für das Ortsbild von Auw zu. Besondere Erwähnung verdient das kunstvoll geschmiedete Rokoko-Wirtshausschild mit vollplastischem Hirschen aus dem Jahr 1798 (Kantonales Denkmalschutzobjekt AUW009). Im übrigen zeigt sich das Gebäude nach einer durchgreifenden Renovation von 1984 und einigen weiteren Eingriffen in seiner äusseren Erscheinung wie auch im Inneren stark erneuert. Der Quergiebelanbau nach Süden stammt von 1984.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Gebäude dürfte im Zug des Wiederaufbaus nach kurz nach dem Dorfbrand von 1715 entstanden sein, wie die mit diesem Baudatum versehene, später veränderte Scheune (Vers.-Nr. 91) vermuten lässt. Ursprünglich war es als bäuerlicher Vielzweckbau mit Wohn- und Scheunenteil unter durchlaufendem First ausgebildet. Im ausgehenden 18. Jahrhundert entstand der noch ganz barock geprägte, strassenseitige Quergiebelanbau, mit dem sich vielleicht das bis heute erhaltene, 1798 datierte Wirtshausschild (Kantonales Denkmalschutzobjekt AUW009) in Verbindung bringen lässt. Auf der Dorfvedute von Auw, welche der Maler und Kupferstecher Friedrich Wilhelm Delkeskamp 1819 auf einer Schweizerreise zeichnete, ist das Gebäude samt dem Ökonomieteil und dem Quergiebel in diesem Zustand dargestellt (vgl. Bilddokumentation) [1].
Im ersten verfügbaren Brandkatastereintrag von 1850 wird das Gebäude als «2stöckiges Wohnhaus mit Tremkeller & Scheune von Stein, Rieg & Holz unter Ziegeldach» beschrieben. Dazu gehörte eine «Scheuer mit Trotte & Rölle von Holz unter Ziegeldach». Die Abmessungen, die sich offensichtlich auf den gesamten Baukomplex bezogen, entsprachen mit 118 auf 70 Fuss (35 x 21 Meter) im wesentlichen schon den heutigen Verhältnissen [2]. Der weitaus grössere Anteil des zweigeteilten Hauses sowie der wesentliche Teil der Scheune gehörten Josef Villiger zum Hirschen, dem vor 1875 Kaspar Kaufmann zum Hirschen folgte. Ein kleiner zweiter Hausanteil gehörte Josef Villiger, Neubürli und ging 1879 an den Haupteigentümer Kaufmann über, welcher das gesamte Wohnhaus 1880 verbesserte. 1884 folgte als neuer Hirschenwirt und Eigentümer der ganzen Liegenschaft Jakob Bütler, welcher 1885 die Scheune mit dem ehemaligen Anteil Villigers vereinigte und verbesserte. 1893/94 errichtete man gemäss Brandkataster ein firstparallel auf der Südseite des Hauptbaus gelegenes, heute nicht mehr bestehendes Ökonomiegebäude mit Brennerei-Anbau, in dem 1900 auch ein Tanzsaal genannt wird (Vers.-Nr. 93).
1984 erfolgte ein durchgreifender Umbau, wobei man das Gasthaus um einen historisierenden, zweiten Quergiebel nach Süden ergänzte. Die Räume in den beiden Hauptgeschossen wurden modernisiert, einige Zwischenwände erneuert, ein neues Treppenhaus in der Scheune erstellt und das Dachgeschoss zu Wohnzwecken ausgebaut. 1992 erfolgte ein Umbau der Dachwohnungen samt Einbau neuer Dachflächenfenster. Im gleichen Jahr wurde die Nordhälfte der Ostfassade mit veränderter Fensterteilung erneuert, nachdem sich die alte Aussenwand aus dem konstruktiven Gefüge gelöst hatte. 2006 nahm man Renovationen im Quergang und in der hinteren Wirtsstube vor. 2017/erfolgte der Abbruch des Nebengebäudes mit dem ehemaligen Tanzsaal abgebrochen. Gleichzeitig wurden ein Teil der früheren Gartenterrasse zu Parkplätzen umgewandelt [3].
Beschreibung:Der Gasthof «zum Hirschen» nimmt im Zentrum von Auw eine überaus prominente Stellung ein. Den Kern des grossvolumigen, stark erneuerten Gebäudes bildet ein mit der Giebelfront nach Osten gerichtetes zweigeschossiges Wohn- und Wirtshaus, an das nach Westen in der Disposition eines bäuerlichen Vielzweckbaus ein Scheunentrakt unter durchgehendem First anschliesst. Der hochragende, noch ganz barocke Quergiebel, welcher das Gebäude nach Norden erweiterte und sich mit der axialsymmetrischen, repräsentativen Stirnfront zur Hauptstrasse wendet, stammt vermutlich von 1798. Die heutige Disposition als Kreuzfirstbau ist Resultat eines historisierenden Umbaus von 1984, bei dem man einen zweiten Quergiebel nach Süden ergänzte.
Der wohl in Mischbauweise erstellte und seit jeher durchgehend verputzte Baukörper erhebt sich über einem hohen Kellersockel. Die durchwegs rechteckigen Einzelfenster sind an der breiten Ostfassade leicht unregelmässig angeordnet, was vielleicht als Hinweis auf die frühere Hausteilung zu verstehen ist; die heute vierachsige nördliche Fassadenhälfte war dabei bis 1992 mit fünf enger gestellten Achsen besetzt (vgl. Luftbild von 1935 in der Bilddokumentation). Die axialsymmetrisch gegliederte, fünfachsige Giebelfront nach Norden wird entsprechend dem Giebel des Kernbaus von einem allerdings knapperen Krüppelwalm abgeschlossen. Die Fenster werden hier von gefalzten Muschelkalkgewänden gerahmt; die weiter gestellte Mittelachse fasst den Haupteingang, der von einer hohen doppelläufigen Freitreppe (erneuert) erschlossen und von einem Portalbalkon mit gebauchtem Schmiedeeisengeländer bekrönt wird. Im Besenwurfverputz ist ein glatt verputztes Feld mit dem Schriftzug «Gasthof Hirschen» ausgespart (an der Ostfassade analog erneuert). An der in den Strassenraum vorragenden Nordostecke ist das wertvolle, geschmiedete Rokoko-Wirtshausschild von 1798 (Kantonales Denkmalschutzobjekt AUW009) aufgehängt, das einen vollplastischen Hirschen und die Wappen der Regierenden Orte zeigt (Farbfassung 1960, 1976 und 1998 erneuert [4]). Das Dach ist heute mit Falzziegeln eingedeckt und mit etlichen Dachflächenfenstern versehen.
Das Hausinnere wird über einen durchlaufenden Quergang erschlossen, an den sich nach Osten die heute zu einem durchgehenden Raum zusammengefassten Wirtsstuben lagern. In den Obergeschossen ist die Raumstruktur stark verändert (gemäss Umbauplänen).
Die langgestreckte Scheune dürfte im Kern noch auf den Ursprungsbau aus dem 18. Jh. zurückgehen. Der Jochbalken des noch erhaltenen Tenntors trägt das Baujahr 1715, gerahmt von den wohl auf den Bauherrn zu beziehenden Initialen KB. Im übrigen präsentiert sich der Baukörper aussen heute grossteils in den Formen des 19. Jh. mit einer einfachen Deckleistenverbretterung. Der zum Wirtshaus gerichtete westliche Bereich zeigt noch eine ältere Stalltür und diagonal angeordnete Staketen an der Heubühnenwand. Der aufgemauerte Stallbereich wurde in der Zeit um 1900 modernisiert. Eine Einfahrt neben dem Tenn ist heute mit einem jüngeren Rollladentor versehen.
Vor der Ostfassade des erstreckt sich der Wirsthausgarten, der als prägende Elemente zwei grössere sowie eine jüngere Platane besitzt.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung, Erhaltungsziel A.
Anmerkungen:[1] StAAG, GS/00328-2. Zu Friedrich Wilhelm Delkeskamp (1794-1872) vgl. den Art. in: AKL. Allgemeines Künstlerlexikon, Bd. XXV (2000), S. 478. Der aus dem Rheinland stammende Künstler ist hierzulande vor allem für sein «Relief des klassischen Bodens der Schweiz» (1830-35) bekannt, an seinem Wirkungsort Frankfurt für die Veduten aus dem Mittelrheintal. Die Zeichnung von Auw ist 1819 datiert und dürfte auf eine erste Schweizerreise Delkeskamps verweisen, die früher zu datieren wäre als die in AKL angegebene von 1825. Vgl. auch Germann Kdm AG V 1967, S. 24, Bilddokument Nr. 5.
[2] StAAG, Brandkataster Auw.
[3] Umbaupläne im Baugesuchsarchiv Auw.
[4] Akten im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
Literatur:- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1, Basel 1996, Abb. 777.
- Georg Germann, Der Bezirk Muri (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. V), Basel 1967, S. 34.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0470-0472, Brandkataster Gemeinde Auw, 1850-1938 (alte Vers.-Nrn.: vor 1850: 25A/B; 1850: 37A/B, 1875: 41A/B – Scheune: vor 1850: 194, 1850: 38, 1875: 42A/B).
- Staatsarchiv Aargau: Grafische Sammlung, GS/00328-2 (historische Ansicht).
- Gemeinde Auw, Baugesuchsarchiv: Umbauten 1984, 1992, 2006, 2017.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Auw VIII-3/27.
- ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv (http://ba.e-pics.ethz.ch): LBS_MH01-008165; LBS_MH01-008166.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Denkmalschutzakten.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=28992
 

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