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INV-BEW920 Wohnhaus Eichmühle, 1869 (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Identifikation |
Signatur: | INV-BEW920 |
Signatur Archivplan: | BEW920 |
Titel: | Wohnhaus Eichmühle |
Bezirk: | Muri |
Gemeinde: | Beinwil (AG, Freiamt) |
Ortsteil / Weiler / Flurname: | Wiggwil, Eichmühle |
Adresse: | Eichmühle 127 |
Versicherungs-Nr.: | 127 |
Parzellen-Nr.: | 788 |
Koordinate E: | 2669416 |
Koordinate N: | 1230347 |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1869 |
Grundlage Datierung: | Brandkataster |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Teil einer Baugruppe |
Weitere Teile der Baugruppe: | BEW922; BEW923 |
Nutzung (Stufe 1): | Profane Wohnbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Wohnhaus |
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Dokumentation |
Würdigung: | Stattliches, spätklassizistisch-biedermeierlich geprägtes Wohnhaus von 1869, das den Gebrüdern Villiger, Betreiber der Eichmühle, als Wohnsitz diente. Das äussere Erscheinungsbild des Gebäudes mit zeittypischer axialer Fassadengliederung und geradem Giebeldach ist noch weitgehend erhalten. Besondere Beachtung verdient das aufwendig beschnitzte Türblatt des Hauseingangs, das aus der Werkstatt des Wiggwiler Schreiners Johann Baptist Wobmann stammt und vom Repräsentationsbedürfnis der Bauherrschaft zeugt. Das Innere wurde 2002 unter weitgehender Wahrung der alten Raumstruktur in Stockwerkwohnungen aufgeteilt. Als wichtiger Bestandteil der seit dem 16. Jahrhundert urkundlich bezeugten Eichmühle kommt dem Wohnhaus eine erhebliche bau- und nutzungsgeschichtliche Bedeutung zu. Zwar hat ein Brandfall von 2012 die Gesamtanlage des Gewerbe- und Bauernbetriebes in Mitleidenschaft gezogen, doch blieben nebst dem Wohnhaus und einer älteren Scheune immerhin auch die Nebenmühle (Bauinventarobjekt BEW922) und die räumlich etwas abgesetzt stehende Sägerei (Bauinventarobjekt BEW923) von der Katastrophe verschont. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Spätestens seit dem 15. Jh. muss in Wiggwil eine zum Kloster Muri gehörige Mühle existiert haben [1]. Am 27. Juni 1565 empfing Heini Bär (oder Ber), der in Wiggwil einen Lehenshof des Klosters Muri besass, zusätzlich eine kleine Hofstatt, die Mülihofstatt, auf welcher einst eine damals längst zerfallene Mühle gestanden hatte. Mit dieser Lehensübergabe war die Verpflichtung verbunden, dass Heini Bär auf dieser Hofstatt offenbar auf eigene Rechnung eine neue Mühle zu errichten hatte. Die neu erbaute Mühle muss aber schon bald in den Besitz des Ammanns Hans Sachs übergegangen sein, der ebenfalls Lehensmann des Klosters war, aber auch noch eigene Landgüter besass. Aus einem Erblehensvertrag des Klosters von 1573 geht hervor, dass die Mühle in die zum Lehenshof gehörenden Eichmatten unterhalb des Dorfes versetzt wurde – daher der Name "Eichmühle." Vom verschuldeten Peter Sachs übernahm das Kloster Muri die Eichmühle 1719. Von da an wurden die Mühle und der zugehörige Landwirtschaftsbetrieb jeweils auf sechs Jahre als Hand- und Schupflehen verliehen. Im Jahr 1736 zog sich Fürsprech Beutler vom Lehen zurück. An seine Stelle trat alt Richter Hans Adam Villiger von Oberrüti. Von diesem Zeitpunkt an bliebt die Eichmühle in den Händen der Villiger, die den Betrieb vorerst als Lehensmänner und nach der Aufhebung des Klosters Muri 1841 als Eigentümer bewirtschafteten. Am 11. August 1842 verkaufte die Klostergutsverwaltung von Muri den Klosterhof Eichmühle an die Brüder Rupert, Johann und Heinrich Villiger.1873 erwarb die Familie Villiger das Wiggwiler Bürgerrecht. Die Gebäulichkeiten der eigentlichen Getreidemühle wurden im Laufe der Zeit stark verändert bzw. vollständig ersetzt [2]. Relikte aus den abgebrochenen alten Mühlengebäuden – zwei wappenverzierte Mahlstuhlpfeiler aus dem Jahr 1608 und eine skulptierte Wappentafel von 1733 – waren bis zum Brandfall von 2002 am Eingang der Oberen Mühle angebracht. Sie konnten gerettet werden und sind heute bei einem Sitzplatz auf dem Mühlengrundstück aufgestellt. Von den historischen Bauten haben nebst dem Wohnhaus immerhin auch die ehemalige Beimühle (Bauinventarobjekt BEW922) sowie die etwas abgesetzte Sägerei (Bauinventarobjekt BEW923) überlebt, welche 1865 anlässlich einer eigentumsrechtlichen Aufteilung von Mühlen- und Landwirtschaftsbetrieb erbaut wurde. Das Wohnhaus der Eichmühle wurde gemäss Jahrzahlinschrift am Türsturz 1869 für die Gebrüder Villiger neu erstellt. Im Brandkataster wird das Gebäude denn auch als "Wohnhaus, 2-stöckig, mit gewölbtem und Tremkeller von Holz unter Ziegeldach" neu eingetragen [3]. Bereits 1872 erfolgte ein "Ausbau und Anbau eines Brunnenhauses", verbunden mit einer deutlichen Erhöhung des Versicherungswertes von 5000 auf 11'700 Franken. Offenbar nahm der Endausbau des stattlichen Gebäudes einige Zeit in Anspruch, ist doch das von Schreiner Johann Baptist Wobmann kunstvoll gefertigte Türblatt des Haupteingangs mit der Jahreszahl 1876 nebst den Initialen "GV" für Gebrüder Villiger versehen. Eine ältere Fotoaufnahme von 1964 zeigt das Haus noch mit einer traditionellen Fassadenverkleidung aus Holzschindeln (vgl. Fotodokumentation). Kurz darauf wurde diese durch die heute bestehende Eternitverschalung ersetzt. 2002 erfolgte ein Umbau mit Einrichtung von Stockwerkwohnungen und rückwärtiger Erschliessung über einen Quergiebelanbau [4]. Dabei blieben die hergebrachte Raumstruktur im Keller- und Erdgeschoss und wohl auch Teile der historischen Ausstattung bestehen. |
Beschreibung: | Es handelt sich um einen für die zweite Hälfte des 19. Jh. charakteristischen Freiämter Ständerbau mit geradem Satteldach und streng axialsymmetrisch kompo-nierten Fassaden, im vorliegenden Fall 5 x 5 Fensterachsen. Der hohe Gebäudesockel aus verputztem Bruchsteinmauerwerk enthält einen grossen Gewölbe- und zwei Tremkeller, welche über einen breiten, ebenerdig zugänglichen Mittelgang erschlossen sind. Der als Ständerkonstruktion errichtete Oberbau war ehemals mit Brettschindeln verkleidet, heute ist er mit kleinteiligen hellen Eternitplatten verschalt. Regionaltypische Vordächlein auf Traufhöhe scheiden die mit charakteristischen biedermeierlichen Lüftungsöffnungen in Halbkreisform (Lünetten) besetzten Giebelfelder aus. Die nach Osten gerichtete Schauseite betonen ein grosszügiger dreiachsiger Zwerchgiebel sowie eine mächtige doppelläufige Treppe, die zum hoch gelegenen Hauseingang führt. Dieser war früher von einem schmucken Blechwalmdächlein geschützt, welches in der Zeit um 1970 durch einen Balkon ersetzt wurde. Das Prunkstück des aufwändig gestalteten Hauseingangs ist ein 1876 vom Wiggwiler Schreiner Johann Baptist Wobmann (1845-1916) angefertigtes, reich beschnitztes Türblatt [5]. Das obere Feld schmückt eine von Blattranken umschlungene Wappenkartusche (Villigerwappen und halbiertes Mühlrad), während im unteren Feld ein Eichhörnchen dargestellt ist. Die schmucke Haustürrahmung umfasst auch die für Freiämter Hauseingänge des 19. Jh. typischen flankierenden, vergitterten Gangfensterchen. Den Eingang mit den Fensterchen umfasst eine sorgfältig gearbeitete Rahmung mit profilierten Simsen und Stürzen, an deren oberem Abschluss das geteilte Baudatum "18 69" angebracht ist. Das Hausinnere weist einen bei stattlichen Wohnhäusern gängigen Grundriss mit quer zum First durchlaufendem Mittelgang und beidseits anschliessenden Räumen auf. Vermutlich hat sich in der nordöstlichen Stube noch historische Ausstattung erhalten (Hausinneres nicht gesehen; Angaben gemäss Baugesuchsakten von 2002). |
Anmerkungen: | [1] Zur Geschichte der Eichmühle vgl. Beinwil im Freiamt 1988, S. 47ff. und 150ff; Unsere Heimat 1941, S. 19-25. – Zur jüngeren Geschichte siehe Freiämter Kalender 1981, S. 46. [2] Ein Lehenbrief von 1725 gibt eine ausführliche Beschreibung über Mühle, Öl-mühle, Säge und Weiher zu jener Zeit. 1723/24 baute Zimmermeister Franz Mäder von Boswil an den Gebäuden. 1733 Bauten für über 2000 fl., 1738 durch Maurer Paul Rey für über 400 fl. Im Lehenbrief von 1796 wird das Wohnhaus als neu bezeichnet (vgl. Germann 1967, S. 70 mit Quellenangaben und Anmerkungen, vgl. auch S. 40 zu den Bildquellen. – Gemäss den Federzeichnungen von den Gebäuden der Eichmühle, die Pater Leodegar Meyer um 1750 anfertigte [Archiv Koll. Sarnen], und einem Situationsplan von 1782 [StAA] waren Wohnhaus und Getreidemühle wie früher üblich in einem Gebäude untergebracht, das hier von einer quer gestellten Scheune begleitet wurde. Weiter bachabwärts standen ein Waschhaus, die Säge und das "Mühlelein" (vgl. Bauinventarobjekt BEW922) sowie deutlich abgesetzt (in der Nähe der heutigen Sägemühle), die Reibe und Ölpresse. – Zu den Gebäulichkeiten der Eichmühle, die 1828 bei der kantonalen Brandversicherung als Besitz des Klosters Muri verzeichnet waren vgl. Beinwil/Freiamt 1988, S. 119. [3] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0474-0477: Brandkataster Beinwil Freiamt 1850-1938. [4] Gemeindearchiv Beinwil Freiamt, Baugesuchsakten. [5] Aus der Werkstatt von Wobmann stammt auch das 1879 datierte Türblatt am Wohnhaus Oberdorf 15 in Beinwil (Bauinventarobjekt BEW909). |
Literatur: | - Beinwil Freiamt – Zeitbilder einer Landgemeinde, Aarau 1988 (Hrsg. Einwohnergemeinde Beinwil/Freiamt). - Aus der Geschichte der Eichmühle, in: Unsere Heimat 1941, S. 19-25. - Die Eichmühle im Freiamt, in: Freiämter Kalender 198, S. 46. - Georg Germann, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band V: Der Bezirk Muri, Basel 1967, S. 70-71. - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 99. - Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1: Freiamt und Grafschaft Baden, Basel 1996, S. 161 (Abb. 243). |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0474-0477: Brandkataster Beinwil Freiamt 1850-1938. - Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Beinwil/Freiamt, VIII-4/82. |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=30054 |
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