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INV-BIR901 Pestalozzi-Schulhaus, 1846 (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1846 |
Grundlage Datierung: | Inschrift (Nordfassade mit Pestalozzidenkmal); Literatur |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Öffentliche Bauten und Anlagen |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Schulhaus |
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Dokumentation |
Autorschaft: | Caspar Joseph Jeuch, Baden (Nordfassade) |
Inschriften: | "H P", "1946" (Nordfassade), weitere Inschriften am Denkmal |
Würdigung: | Das in der südöstlichen Ecke des ehemaligen Friedhofs stehende Pestalozzi-Schulhaus setzt neben der ev.-ref. Pfarrkirche (kantonales Denkmalschutzobjekt BIR003) den markantesten Akzent im Ortsbild. Der hochragende, von weit her sichtbare Bau prägt in hohem Masse die von Lupfig nach Brunegg führende Hauptstrasse. Der typologisch interessante Bau vereint die klassizistischen Elemente des vom bedeutenden Badener Architekten Caspar Joseph Jeuch geplanten Ursprungsbaus von 1846 mit Gestaltungsmerkmalen des Heimat- und Jugendstils aus der Erweiterungsetappe 1906. Er verweist mit seiner Baugeschichte und dem angegliederten Grab- und Erinnerungsmal für Heinrich Pestalozzi (kantonales Denkmalschutzobjekt BIR001) auf die Bedeutung Birrs als Wohn- und Wirkstätte des berühmten Pädagogen. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Schon 1720 stand in der südöstlichen Ecke des ehemaligen Friedhofs ein Schulhaus, welches durch Umbau aus einem Beinhaus hervorgegangen war (siehe Bilddokumentation) [1]. Das zweigeschossige Gebäude mit Ziegeldach nahm bis 1787 auch die Schulkinder der Nachbargemeinde Lupfig auf. 1832 umfasste die untere Schule trotz Teilung 60 Kinder, die obere 68. 1827 erhielt Heinrich Pestalozzi (1746-1827), der 1769-99 in Birr gewirkt hatte und in Brugg verstorben war, auf seinen Wunsch an der kirchseitigen Traufseite seine Begräbnisstätte. Anlässlich seines hundertsten Geburtstags 1846 wurde das mittlerweile als klein und baufällig empfundene Schulhaus durch einen zweigeschossigen Neubau mit schwach geneigtem Walmdach ersetzt. Dabei wurden im Kellergeschoss auch ein Spritzenhaus und zwei gewölbte Räume für das Archiv und die "Gefangenschaft" eingerichtet [2]. Die gesamte Nordfassade des Neubaus wurde im Auftrag des Kantons unter der Leitung von Architekt Caspar Joseph Jeuch als Denkmal für Pestalozzi gestaltet (kantonales Denkmalschutzobjekt BIR001) [3]. Die in einem Medaillon als Halbrelief ausgebildete Büste aus weissem Carrara-Marmor schuf der junge Johann Ehrler aus Einsiedeln, Zürich, während Augustin Keller die Grabinschrift verfasste [4]. Während der einjährigen Bauarbeiten befand sich das Grab Pestalozzis vorübergehend bei der Kirche und wurde danach wieder zum Schulhaus verlegt. 1906 wurde das Schulhaus mit Rücksicht auf die Gliederung des Ursprungsbaus aufgestockt. Die Wandfläche zwischen dem Denkmal und dem Giebel an der nördlichen Stirnfront schmückt seither ein dreiteilig komponiertes Pestalozzi-Sgraffito des Lenzburger Kunstmalers Werner Büchli [5]. Damit erfuhr das Denkmal eine Erweiterung durch das Bildmedium und erhielt eine neue erzählerische Komponente. Die Akroterien auf dem Giebel wurden vermutlich gleichzeitig entfernt. Auf einer Zeichnung von 1927 sind sie jedenfalls nicht mehr abgebildet [6]. Das als Gruft angelegte Grab Pestalozzis brach 1984 bei Grabungsarbeiten ein. Nach einer anthropologischen Untersuchung des Skeletts wurden die sterblichen Überreste Pestalozzis am 26. Oktober 1984 ein viertes Mal beigesetzt [7]. 1996 erfolgte anlässlich des 250. Geburtstags von Heinrich Pestalozzi eine sorgfältige Gesamtrestaurierung. Das Innere des Schulhauses erfuhr dabei eine Modernisierung. 2005 erhielt das Dach eine neue Eindeckung und die Fenster wurden samt den Jalousien ersetzt. |
Beschreibung: | Hochragender Mauerbau unter Gehrschilddach, der die südöstliche Ecke des Kirchhofs einnimmt und mit seiner Trauffassade die Fortsetzung der Umfassungsmauer bildet. Der markante Baukörper tritt strassenseitig mit drei Hauptgeschossen sowie einem ebenerdigen Kellergeschoss zutage, während letzteres auf der höher gelegenen Hofseite nur als Sockel sichtbar ist. Vom Strassenniveau führt eine ehemals doppelläufige Treppenanlage zum Pestalozzi-Denkmal an der Nordfassade. Eine zweite Steintreppe erschliesst den Haupteingang auf der südlichen Schmalseite des Schulhauses. Beide Aussentreppen sind mit Brüstungen aus Muschelkalkplatten versehen. Der Keller weist zur Strasse hin drei Eingänge auf, von welchen der grössere in der Mitte mit Radabweisern als Einfahrt für die Feuerwehr gekennzeichnet ist. Die einzelnen Geschosse sind durch profilierte Gurtgesimse voneinander geschieden. Das untere gehört samt den Ecklisenen am Erdgeschoss, welche im Putz einen horizontalen Fugenstrich aufweisen, noch zum Ursprungsbau von 1846. Nordseitig wurden die Lisenen später als seitliche Begrenzung des Pestalozzi-Denkmals und Wandbildes mit glatter Oberfläche bis zur Dachtraufe hinaufgezogen. Die durch den klassizistischen Ursprungsbau von 1846 vorgegebene regelmässige Fassadengliederung blieb auch nach der Aufstockung des 3. Obergeschosses von 1906 bestimmend. Drei eng gesetzte Rechtecklichter und ein zentraler Haupteingang prägen die südliche Stirnfassade, während die Längsseiten nach Osten und Westen je fünf Fensterachsen aufweisen. Der von einem schlichten Kranzgesims bekrönte Eingang fällt durch sein tiefes Muschelkalkgewände mit zurückversetzt angeschlagenem Türblatt auf. Die aus Haustein gearbeiteten Fenstergewände weisen im EG und 1. OG eine Kehle und einen Falz sowie ein zierliches kantiges Gesimsprofil auf, im 2. OG von 1906 zwei Falze und schmale wulstige Gesimse. Eine abweichende Gewändeform mit steinerner Mittelstrebe zeigt das untere Fenster in der Südecke. Seit ihrer Auswechslung bei der letzten Sanierung 2005 zeigen die Fensterrahmen eine um 180 Grad gedrehte Einteilung mit zwei Flügeln, Kämpfer und einem Unter- statt Oberlicht. Einzig am Zwillingsfenster im Giebelfeld, haben sich die Fensterrahmen von 1906 erhalten. Das Dachwerk zeigt einfache Zierelemente in Form beschnitzter Pfettenköpfe und leicht geschweifter Abdeckbretter entlang des Giebels und der Traufe. Die Nordfassade ist von der übrigen Schulhausarchitektur nahezu losgelöst behandelt und macht durch eine eigenwillige Kombination stilistisch unterschiedlicher Teile auf sich aufmerksam. Das eigentliche Denkmal (kantonales Denkmalschutzobjekt BIR001) besteht aus einer Ädikula, welche ursprünglich den Mittelrisalit zum klassizistischen Baukörper bildete und mit dem Geison (Kranzgesims) die Trauflinie von dessen Walmdach übernahm. Seit 1906 wird das Denkmal von einem halbkreisförmigen Sgraffito von Werner Büchli, Lenzburg, überhöht, das sich über die ganze Fläche des 2. OG und des Giebelfeldes ausbreitet und in Grautönen Pestalozzi vor seinem Haus im Neuenhof, umgeben von Kindern und Jugendlichen, zeigt. Im unteren Bereich ist die Rückwand beidseits des Denkmals mit Gurtgesimsen in ein horizontal gefugtes Sockelgeschoss und eine darüber liegende Zone mit grossen Putzfeldern gegliedert, welche plastische Lorbeerkränze und darin in goldgefassten Ziffern bzw. Lettern die Jahreszahl "1846" und die Initialen "HP" enthalten. Betreten wird das Schulhaus durch das Rechteckportal auf der Südseite, welches in einen Vorraum mit Treppenhaus (Südostecke) und WC-Anlagen (Südwestecke) führt (gemäss Kurzinventar 1998). Inneres modernisiert. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung. - ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Birr 4092-1. |
Anmerkungen: | [1] Stettler/Maurer 1953, S. 247. [2] Staatsarchiv Aargau, ZwA 1942.0001 Birr, Akten Bezirksamt: Brandkataster 1875. [3] Vgl. den Werkkatalog von Jeuch bei Bolt 1983, S. 32; Stettler/Maurer 1953, S. 247. [4] Heuberger 1904, S. 7-10. [5] Büchli ist bekannt für seine Sgraffitos an zahlreichen aargauischen Schulhäusern und Turnhallen, u. a. Gemeindeschulhaus Lenzburg, Seetalschulhaus in Rapperswil, Turnhalle in Oberentfelden. Darüber hinaus schuf Büchli u. a. Deckenmalereien für die von Albert Froelich, Brugg/Charlottenburg, errichteten Krematorien von Aarau (1912) und vom Zentralfriedhof Sihlfeld in Zürich (Krematorium II, 1913-15). Zu Büchli vgl. Edward Attenhofer, Ein Gedenkblatt für die Lenzburger Maler E. Scheller und W. Büchli, in: Lenzburger neujahrsblatt 48 (1963), S. 87ff. [6] Pestalozzi-Neuhof-Stiftung 1927, S. 21 (Abb.). [7] www.neuhof.org/media/medialibrary/2012/07/Das-Grabdenkmal.pdf |
Literatur: | - Thomas Bolt, Kur- und Bäderarchitektur im Werk des Badener Architekten Caspar Joseph Jeuch (1811-1895), Lizentiatsarbeit Universität Zürich 1983. - Samuel Heuberger, Die Schulhäuser des Bezirks Brugg, in: Brugger Neujahrsblätter 1904, S. 6-11 (Abb.). - Der Pestalozzi-Neuhof. Aus Vergangenheit und Gegenwart, hg. v. Pestalozzi-Neuhof-Stiftung, Brugg 1927. - Michael Stettler/Emil Maurer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 2, Basel 1953, S. 243-251. - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 83. |
Quellen: | - Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv. - Staatsarchiv Aargau, ZwA 1942.0001 Birr, Akten Bezirksamt: Brandkataster 1875. |
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Related units of description |
Related units of description: | siehe auch: DSI-BIR001 Pestalozzistrasse 2, Pestalozzi-Denkmal, 1846 (Dossier (Denkmalschutzinventar))
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=30360 |
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