INV-BRG906 Wälismühle, 1621 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BRG906
Signatur Archivplan:BRG906
Titel:Wälismühle
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Bremgarten (AG)
Adresse:Wohlerstrasse 16
Versicherungs-Nr.:309
Parzellen-Nr.:4330
Koordinate E:2667891
Koordinate N:1244778

Chronologie

Entstehungszeitraum:1621
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Mühle
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätgotik

Dokumentation

Inschriften:"1621" (Portal)
Würdigung:1621 für Landschreiber Beat II. Zurlauben neu errichtetes herrschaftliches Wohn- und Mühlengebäude, das sich an einem seit dem 14. Jahrhundert bezeugten Mühlestandort erhebt. Neben der namengebenden Getreidemühle beherbergte die «Wälismühle» seit diesem Neubau während mehr als hundert Jahren auch die Landschreiberei der Freien Ämter, war dieses Amt doch zwischen 1617 und 1726 praktisch ununterbrochen in Händen der einflussreichen Zuger Patrizierfamilie Zurlauben. Der noch spätgotisch geprägte zweigeschossige Mauerbau, der sich auf einem flussseitig freiliegenden Sockelgeschoss mit dem einstigen Mahlraum erhebt, tritt mit dem hochragenden Giebeldach und dem traufseitig angebauten Treppenturm samt Spitzhelm auf dem linken Reussufer prominent in Erscheinung. Trotz Veränderungen im Inneren kommt dem Gebäude mit seiner im wesentlichen erhaltenen äusseren Erscheinung ein hoher Zeugenwert für den herrschaftlichen Wohnhausbau des 17. Jahrhunderts zu. Auch besitzt es noch das 1621 datierte Kielbogenportal sowie zwei spätgotische Kehlfenster.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Urkundlich ist die Wälismühle seit dem frühen 14. Jh. bezeugt [1]. Das bestehende Gebäude wurde ab 1621 für Beat II. Zurlauben (1597-1663) errichtet, der seit 1617 als erster Angehöriger der einflussreichen Zuger Familie das Amt des Landschreibers der Freien Ämter bekleidete und die Landschreiberei in die Wälismühle verlegte. Der Bau des Hauses, der offensichtlich im Zusammenhang mit dieser neuen Funktion stand, wie auch dessen spätere Nutzung sind in den Dokumenten der «Zurlaubiana» in der Aargauer Kantonsbibliothek minutiös dokumentiert [2]. Wohl im Hinblick auf den Neubau hatte man um 1620 die Liegenschaft erworben, die zunächst noch Beats Vater Konrad III. gehörte und erst 1625 an den Bauherrn Beat II. überging. Bereits Ende 1622 muss der Neubau unter Dach gewesen sein, als Konrad III. einen Vertrag mit einem Lehenmüller abschloss; weitere Bauarbeiten sind indessen bis 1625 nachgewiesen [3]. Noch bis 1726 diente die Mühle als Landschreiberei, zumal sich die Familie dieses Amt abgesehen von kurzen Unterbrüchen über mehrere Generationen hinweg sichern konnte. Dieses genoss in den Freien Ämtern einen umso grösseren Einfluss, als der Landvogt hier im Unterschied zu anderen gemeinen Herrschaften nicht vor Ort residierte. Der Mühlebetrieb selbst wurde verpachtet, wobei in den «Zurlaubiana» eine ganze Anzahl von Lehensverträgen erhalten sind.
Die damalige Gestalt der Mühle ist in einem Kupferstich von 1712 dokumentiert (vgl. Bilddokumentation) [4]. Dieser zeigt neben dem Hauptbau zwei zusätzliche, unterschiedlich grosse Gebäude, die laut Legende ebenfalls zur Landschreiberei gehörten. Angetrieben wurde die Mühle möglicherweise sowohl von einem Weiher auf der «Mülimatte», der zusammen mit dem Neubau ab 1621 angelegt worden war, als auch von zwei Wasserrädern in der Laufreuss, die auf der Ansicht erscheinen [5]. Der Mühleweiher ist auf der Michaeliskarte um 1840 gut zu erkennen (vgl. Bilddokumentation); er bezog sein Wasser aus zwei Quellen «beim Kapuziner» und «im Vogelsang». Wohl von Anfang an wurde das Wasser aus dem Weiher in ein Radhaus an der Nordwestseite des Gebäudes geleitet, wie dies auf einem Aufnahmeplan von 1895 erscheint (vgl. Bilddokumentation) [6].
Wohl kurz nach dem Tod des letzten Landschreibers aus der Familie Zurlauben, Plazidus Beat Kaspar Anton (1697-1726), und jedenfalls vor 1735 wurde das Gebäude an Franz Ägid Leonz Honegger verkauft, Amtmann des Klosters Muri in Bremgarten, der familiär wie geschäftlich mit der Familie Zurlauben verbunden war [7]. Hinweise auf Baumassnahmen unter Honegger und seiner Frau Anna Maria Margaretha Meyenberg gab eine Inschrift mit dem Baudatum 1754 und dem Allianzwappen Honegger-Meyenberg auf einem später abgebrochenen südseitigen Waschhaus [8].
Gemäss Verbal der kantonalen Konzessionsbehörden von 1856 befand sich die Mühle damals im Eigentum des Meinrad Kuhn; bei der nachfolgenden Überprüfung im Jahr 1896 waren Stadtrat Albert Müller und Buchdrucker Ferdinand Weissenbach Eigentümer des Werks. Im selben Jahr wurde eines von zuvor zwei oberschlächtigen Wasserrädern demontiert [9]. Um 1879 beherbergte die Wälismühle zudem die Taverne «zum Kreuz» [10]. Im ausgehenden 19. Jh. nutzte die Rosshaarfabrik von Otto Gutzwiller an der Wohlerstrasse 5 (Vers.-Nr. 322) das Wasser aus dem Mühleweiher; im frühen 20. Jh. richtete man dort eine Fischzucht ein [11]. Um 1904 wurde die Mühle samt dem Wasserwerk durch die Stadt angekauft, welche die Quellen fortan für die Wasserversorgung nutzte. Das Gebäude ohne Wasserrecht wurde an Ferdinand Huber weiterverkauft, welcher die Mühleeinrichtungen entfernte und stattdessen eine mechanische Schreinerei einrichtete [12].
1971 wurde das Dachgeschoss zu Wohnzwecken umgebaut. 2003 erfolgte ein durchgreifender Umbau, wobei das Gebäude unter erheblichen grundrisslichen Veränderungen in zusätzliche Geschosswohnungen unterteilt wurde. An der östlichen Giebelseite erfolgte der Abbruch eines Werkstattvorbaus mit Terrasse im Erdgeschoss [13] .
Beschreibung:Die Wälismühle erhebt sich rund 200 Meter unterhalb des alten Flussübergangs auf dem linken Reussufer an der Strasse nach Wohlen. Der hochragende, im Kern spätgotische Giebelbau, der vom gegenüberliegenden Flussufer wie auch vom Ausgangspunkt der Wohlerstrasse am Waagplatz her ausgesprochen markant in Erscheinung tritt, ist am ansteigenden Ufer hart zwischen Fluss und Strasse gestellt. Es handelt sich um einen zweigeschossigen, verputzten Mauerbau, der sich auf einem hohen, zum Fluss hin vollständig freiliegenden Sockelgeschoss mit den ehemaligen Mühleräumen erhebt und parallel zum Flusslauf von einem leicht geknickten Satteldach abgeschlossen wird. Der zur Strasse gerichteten südlichen Traufseite ist ein achteckiger Treppenturm vorgebaut, der von einem hohen, ziegelgedeckten Spitzhelm abgeschlossen wird. Das Giebeldach war ursprünglich in regional verbreiteter Weise mit Klebdächern und Krüppelwalmen ausgestattet (vgl. Bilddokumentation); seine heutige Form hat es im Lauf des 19. Jh. erhalten.
Auf den Treppenturm öffnet sich ein aus Muschelkalk gehauenes spätgotisches Portal mit der Jahrzahl 1621, dessen gekehlte, kielbogige Laibung auf volutenartigen Füssen aufsetzt und von dünnem Stabwerk eingefasst wird [14]. Von den bauzeitlichen Verhältnissen zeugen noch ein dreiteiliges Reihenfenster in der Westfassade und ein schmales Rechtecklicht in der Südfassade, deren Kehlgewände aus Muschelkalk ebenfalls volutenförmig enden. Im übrigen zeigt der Baukörper heute eine jüngere, axial bezogene Einzelbefensterung mit Rechtecköffnungen, von denen eines am Erdgeschoss der Südfassade noch einen kraftvoll profilierten Wulstsims in der Art des späten 18. Jh. zeigt. Die Fenstergewände am Erdgeschoss der Ostfassade stammen in ihrer heutigen Form vom Umbau von 2003; jene am Obergeschoss sind ebenfalls erneuert. Ebenfalls von 2003 datieren die dreiteiligen Fenster an der Nordfassade. Wohl beim Umbau zur Schreinerei um 1904 versah man den ehemaligen Mahlraum im Sockelgeschoss mit grossformatigen Fensteröffnungen zum Fluss hin. Die querrechteckigen Fensteröffnungen in den beiden Giebelfeldern und die grossformatigen Schlepplukarnen sind eine Zutat von 1971. Das Dach ist mit Biberschwanzziegeln eingedeckt.
Das Innere zeigte auf den beiden Wohngeschossen ehemals eine Raumstruktur mit mittigem, vom Treppenturm her erschlossenem Quergang und beidseits anstossenden Räumen. Seit dem Umbau von 2003 ist diese Situation durch den Einbau von Nebenräumen im Bereich des Quergangs verunklärt (nach Umbauplänen; Inneres nicht gesehen). Der Treppenturm besass in den 1960er Jahren noch eine nachträglich eingebaute Holztreppe mit barockem Flachbalustergeländer [15].
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Felder Kdm AG IV 1967, S. 37.
[2] Die Wälismühle erscheint in sämtlichen Registern und in praktisch allen Bänden der «Acta Helvetica» (Zurlaubiana AH). Eine Auswertung dieser Hinweise würde eine detaillieret Rekonstruktion von Baugeschichte, Mühlengut sowie Inventar der Mühle zulassen. – Zur Familie Zurlauben allg. vgl. Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Art. ‚Zurlauben’ (2015): http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D25422.php; zum Wirken der Zurlauben in den Freien Ämtern Stöckli 1978; zu Beat II. HLS, Art. ‘Zurlauben, Beat’ (2013): http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D19481.php sowie Meier 1981, Bd. 2, S. 896-903; zu Konrad III ebd., S. 883-890.
[3] Vgl. insbes. Zurlaubiana AH 39/1, 150/255, 156/47.
[4] Johann Meyer (1655-1712), Ansicht von Bremgarten von Nordwesten, 1712: Staatsarchiv Aargau: Grafische Sammlung, GS/00328-2.
[5] Konrad III. Zurlauben zeigte sich 1621 erfreut über «denn forttgang des buws unnd weyers»: Zurlaubiana AH 132/115.
[6] StAAG, DB.W01/0019/06, Aufnahmeplan von 1895.
[7] Zurlaubiana AH 150/192. Honegger erscheint auch in einer Urkunde von 1755 im Stadtarchiv als Inhaber des hochlandesherrlichen Lehens der Wälismühle (Felder Kdm AG IV 1967, S. 38, Anm. 2).
[8] Felder Kdm AG IV 1967, S. 38.
[9] StAAG, DB.W01/0019/06, Verbale von 1856 u. 1895, Aufnahmeplan von 1895.
[10] Felder Kdm AG IV 1967, S. 38.
[11] Lehner 1994, Abb. 13; Mitteilung von Bauverwalter Gottet, Bremgarten, gemäss Kurzinventar 2002 (Inventareintrag BRG909). Zur Gerberei und Rosshaarfabrik Gutzwiller vgl. auch den Eintrag zur Fabrikantenvilla Birrenbergstrasse 12 (Bauinventarobjekt BRG919).
[12] StAAG, DB.W01/0019/06, Verbal von 1907.
[13] Umbaupläne im Baugesuchsarchiv.
[14] Felder Kdm AG IV 1967, 452 Tabelle II, Nr. 24. Das Steinmetzzeichen ist identisch mit jenem am 1627 datierten Haus Bogen 12 (Vers.-Nr. 173), wo sich auch ein sehr ähnliches Kielbogenportal sowie Kehlfenster mit volutengeschmückten Füssen finden (ebd., S. 166), und mit jenem am 1636 datierten westlichen Hauptportal des damals umgebauten Weissenbachhaus (Kantonales Denkmalschutzobjekt BRG036, ebd., S. 158 ff.).
[15] Felder Kdm AG IV 1967, S. 38.
Literatur:- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. d. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 110.
- Michael Hiltmann, Die Schifferzunft zur Oele und die Geschichte der Flösserei auf der Reuss und der Bremgarter Wasserwerke, in: Bremgarter Neujahrsblätter, 1999, S. 9-24, hier S. 17 u. 23.
- Bruno Lehner, Bremgarten an der Reuss in alten Ansichten, Zaltbommel (NL) 1994, Abb. 13.
- Unbekannter Aargau. Ansichten des 18. und 19. Jahrhunderts aus der Sammlung Laube, Ausst.Kat. Aarau/Baden, Aarau 1994, S. 112f. (histor. Ansichten).
- Peter Felder, Der Bezirk Bremgarten (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. IV), Basel 1967, S. 37f.
- Rainer Stöckli, Die Familie Zurlauben und die Freien Ämter, in: Unsere Heimat 50. Jg. (1978), S. 12-37, hier S. 18f. u. 32.
- Kurt-Werner Meier, Die Zurlaubiana. Werden, Besitzer, Analysen, 2 Bde., Aarau 1981.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau: Grafische Sammlung, GS/00328-2.
- Staatsarchiv Aargau (StAAG): DB.W01/0019/06, Wasserwerkskonzessionen Gemeinde Bremgarten.
- Staatsarchiv Aargau: AA/2781/A, IV, Nr. 3, Hoheitliche Lehen; U.04/0040 (1582), U.04/0045 (1589), Urkunden.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Sammlung Zurlauben. Regesten und Register zu den «Acta Helvetica, Gallica, Germanica, Hispanica, Sabaudica etc. necnon genealogica stemmatis Zur-Laubiani», 1976ff. (https://www.ag.ch/de/bks/kultur/archiv_bibliothek/kantonsbibliothek/sammlungen/zurlauben/zurlauben.jsp?sectionId=223038&accordId=1, Zugriff 30.10.2018), passim (zit. als Zurlaubiana, AH).
- Stadt Bremgarten, Baugesuchsarchiv: Umbauten 1971, 2003.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=31392
 

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