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INV-DEN901 Alte Mühle, 1800 (ca.) (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | approx. 1800 |
Grundlage Datierung: | Schätzung |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Mühle |
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Dokumentation |
Würdigung: | Um 1800 erstellte Mühle, die als dreigeschossiger Mauerbau unter einem Satteldach errichtet wurde und deren Obergeschosse vorderseitig spätbarocke Stichbogenfenster zeigen. Das hohe Sockelgeschoss beherbergt den ebenerdig zugänglichen Mahlraum und das Radhaus; darüber erstreckt sich die zweigeschossige Müllerwohnung. Wie typologisch üblich, unterscheidet sich das Mühlegebäude nicht grundlegend von der ortsüblichen Bauernhausarchitektur, fällt jedoch durch seine überdurchschnittlich stattliche Bauweise auf, mit der man einerseits den praktischen Erfordernissen Rechnung trug, andererseits den Wohlstand und die gehobene soziale Stellung des Müllers innerhalb des Dorfverbandes zum Ausdruck brachte. Die ehemalige Mühle ist ein wichtiger bau- und wirtschaftsgeschichtlicher Zeuge für die historische Nahrungsmittelverarbeitung im Aargau, wo der Getreidebau traditionell sehr verbreitet war. Sie ist ein prägendes Element einer für das Ortsbild wertwollen Baugruppe um die dorfplatzartige Strassenerweiterung beim Dorfbach im Zentrum von Densbüren. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Mühlen nahmen aufgrund ihrer Bedeutung für die Nahrungsmittelversorgung seit jeher eine herausragende wirtschaftliche Stellung sowohl im städtischen wie auch im ländlichen Raum ein. Ein wesentlicher Teil der landwirtschaftlichen Erzeugnisse (Getreide, Früchte, Samen) wurde in den Mühlen zu den lebenswichtigen Produkten Mehl und Öl verarbeitet. Schlecht ausgebaute Verkehrswege und mangelhafte Transportmittel bedingten ein dichtes Netz von Mühlebetrieben. Im Aargau, wo der Getreidebau traditionell sehr verbreitet war und die zahlreichen Flüsse und Bäche günstige Voraussetzungen für wassergetriebene Anlagen boten, gab es früher kaum eine grössere Ansiedlung ohne eigene Mühle. Wie beispielsweise auch Tavernen, Trotten oder Schmieden gehörten Mühlen zu den konzessionspflichtigen Gewerbebetrieben («Ehafte»). Die grundherrliche Konzession betraf die ganze Anlage mit Gebäude, maschineller Einrichtung und Wasserrechten. Sie wurde dem Müller als Hand- oder Erblehen übertragen, wofür er einen jährlichen Zins in Form von Geld oder Naturalabgabe zu entrichten hatte. Diesen Ehaften-Status behielten die Mühlen bis zur Einführung der generellen Handels- und Gewerbefreiheit in der Bundesverfassung von 1874. Bis ins 19. Jh. waren Mühlen per se Kundenmühlen und somit verpflichtet, das Mahlgut ihrer Kunden für einen fixen Lohn zu mahlen. Dafür genossen sie wesentliche Privilegien hinsichtlich der Wassernutzung und der Holzvergabe aus öffentlichen Wäldern. Innerhalb des Dorfverbandes nahm der Müller eine bedeutende wirtschaftliche und soziale Stellung ein. Mit dem technischen Fortschritt und der damit verbundenen Rationalisierung sowie dem Ausbau der Verkehrswege nahm die Zahl der Mühlen seit dem späteren 19. Jh. sukzessive ab [1]. Die ehemalige Mühle von Densbüren ist wahrscheinlich um 1800 entstanden. Im ersten erhaltenen Brandkatastereintrag von 1809 wird das Gebäude als «Mühli und Behausung zusammen drei Stock hoch mit Mauerwerk umgeben, mit gewölbtem Keller und Ziegeldach gedeckt» beschrieben. Damaliger Eigentümer war der Müller Ulrich Senn [2]. Im Eintrag von 1828 werden zwei Mahlgänge, ein Rellgang («Rölle») und eine Branntweinbrennerei erwähnt. 1895 verkauften die Gebrüder Senn den Mühlenbetrieb an Peter Fasler. Um 1920 wurde die Mahleinrichtung aus der damals vergrösserten Mühle in Endingen hierher transferiert, wobei die zwei bestehenden Wasserräder durch ein neues, grösseres ersetzt wurden. Dieses wurde in Densbüren vom Wagner Hans Frey im Holand, dem Zimmermann Heinrich Senn in Asp und den Schmieden Hans und Samuel Berger hergestellt. Die Wasserzuleitung zur Mühle und zur oberhalb gelegenen Garnspinnerei erfolgte über einen schmalen, vom Bach abgezweigten und dem Kirchhügel entlanggeführten Kanal. 1923 erwarb der Bäcker Johann Jakob Peter die Mühle und es wurde eine Bäckerei angegliedert. 1950 fand ein Umbau mit einer damals modernen Einrichtung statt; seither wurde das Mehl auf einem elektrisch angetriebenen Walzenstuhl gemahlen. Die verbliebenen, von Wasserkraft angetriebenen Mahlsteine wurden noch bis ca. 1960 zum Entpelzen («Rellen») von Korn benutzt. Bis in die 1960er-Jahre existierte auch die der Kundenmühle angegliederte Bäckerei [3]. |
Beschreibung: | Die ehemalige Mühle befindet sich am Fusse des erhöhten Kirchenbezirks unterhalb des evangelisch-reformierten Pfarrhauses (kantonales Denkmalschutzobjekt DEN003). Im Bereich des gegen Osten von der Hauptstrasse abzweigenden Müliwegs und des Dorfbachs besteht eine dorfplatzartige Strassenerweiterung. Zu dieser ist das Mühlengebäude traufständig ausgerichtet. Wie allgemein üblich, unterscheidet es sich nicht grundlegend von der ortsüblichen Bauernhausarchitektur, fällt jedoch durch seine überdurchschnittlich stattliche Bauweise auf, mit der man einerseits den praktischen Erfordernissen Rechnung trug, andererseits den Wohlstand und die gehobene soziale Stellung innerhalb des Dorfverbandes zum Ausdruck brachte. Der dreigeschossige Mauerbau mit knappem Satteldach zählt an der vorderseitigen Trauffassade vier regelmässig angeordnete Fensterachsen. Die gefalzten steinernen Stichbogengewände des ersten und zweiten Obergeschosses sind dem Spätbarock zuzuordnen und deuten auf eine Entstehungszeit des Baus um 1800. Zwischen dem ersten und zweiten Obergeschoss ist eine Kartusche mit der Inschrift «Kundenmühle FASLER Futtermittel» angebracht, die wohl aus der Zeit stammt, als die Mühle im Besitz der Familie Fasler war. Die nordöstliche Giebelfassade ist mit holzgerahmten Rechteckfenstern zweiachsig ausgebildet. Das hohe Sockelgeschoss beherbergt den ebenerdig zugänglichen Mahlraum, der von kleinen holzgerahmten Rechteckfenstern belichtet wird. An der Nordwestseite ist das Radhaus, ein geschlossener und überdachter Anbau für das Wasserrad, abgetrennt. Über dem Mahlraum erstreckt sich die zweigeschossige Wohnung des Müllers. Der Eingang zum Mahlraum sowie der über eine Laube geführte Eingang zur Wohnung befinden sich an der südwestlichen Giebelseite. Die ursprüngliche Laube wurde durch die heutige, die im Bereich des ersten Obergeschosses ein Mehlmagazin umfasst, ersetzt. Ihr weit auskragendes Pultdach schützt einen ausserhalb des Hausgrundrisses liegenden Gewölbekeller. Im Innern liegen in der nordwestlichen Haushälfte im ersten Obergeschoss die Stube, eine Nebenstube und unmittelbar neben der Haustür ein ehemaliges Ladenlokal. Hangseitig befinden sich die Küche und ein Nebenraum, der nachträglich mit dem grossen Backofen der Bäckerei ausgerüstet wurde. Das zweite Obergeschoss beherbergt mehrere Schlafzimmer mit modernem Täfer. Die rückwärtigen, spärlich belichteten Kammern sind hingegen im russgeschwärzten Zustand belassen. In der Wohnung haben sich keine nennenswerten historischen Ausstattungsteile erhalten. Die Dachkonstruktion, ein Sparrendach mit Aufschieblingen auf liegendem Stuhl, ist mehrfach repariert. Von der mechanischen Einrichtung der Mühle sind noch Elemente der Transmission vorhanden, während das Wasserrad fast vollständig zerfallen ist. Im Mühlenraum hat sich die Balkendecke erhalten, die auf einem Unterzug und einer mächtigen gedrechselten Eichensäule mit zierbeschnitztem Sattelholz ruht. (Hausinneres nicht gesehen; Angaben gemäss Kurzinventar 1997.) Von den Nebengebäuden des 19. Jh. sind die Mühlenscheune (Vers.-Nr. 76) und der oberhalb der Mühle stehende Mauerbau (Vers.-Nr. 79) erwähnenswert. Die Mühlescheune steht im Süden des Hauptbaus und ist quer zu diesem ausgerichtet. Sie umfasst zwei aussenliegende Ställe sowie mittig ein Tenn und ein Futtertenn. Das andere Nebengebäude besitzt ein gerades Satteldach und einen mächtigen Gewölbekeller, dessen Zugang über eine zweiflüglige Kellertür mit schmucker rautenförmiger Aufdopplung verfügt. (Nebengebäude nicht gesehen; Angaben gemäss Kurzinventar 1997.) |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung. - ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, 4004-04. |
Anmerkungen: | [1] Allgemein zu historischen Mühlen im Aargau bzw. in der Schweiz siehe Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1, Basel 1996, S.411–415; Anne-Marie Dubler, «Mühlen», in: Historisches Lexikon der Schweiz, Online-Version vom 31.05.2012. [2] 1872 verkauften die Gebrüder Senn die zur Getreidemühle gehörende und westlich von dieser gelegene Gips- und Hanfreibe an die Ennetbader Firma Wegmann & Cie, die das alte Gebäude abbrachen und eine Seidenzwirnerei errichteten. Die Seidenzwirnerei und die Mühle wurden von einem gemeinsamen Kanal mit einer Stauvorrichtung mit Wasser versorgt, was 1895 zu einem Streit bezüglich der Wasserregulierung führte. (Hüsser 2018, S. 50–51.) [3] Willy Fasler, Der Mühlenbach von Densbüren, 1997, Typoskript zum gleichnamigen Aufsatz in: Dorfbilder 1997 (Typoskript bei der Kantonale Denkmalpflege Aargau). |
Literatur: | - Linus Hüsser, Die Seidenzwirnerei und ihr Wasserstreit. in: Georg Senn, Linus Hüsser, Romi De Ambrosis, Alex Briner, Densbüren. Geschichte und Geschichten – gestern, heute, morgen, Densbüren 2018, S. 50–51. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau (StAAG): Kataster Densbüren und Asp, ZwA 1936.0001/0203, 1805–1824; ZwA 1936.0001/0204, 1828–1845; ZwA 1936.0001/0205, 1875–1899; Brandkataster Gemeinde Densbüren, CA.0001/0012, 1899–1938. - StAAG: DB.W01.0038.05 Wasserwerkskonzessionen, 1579–2013, Densbüren. |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=32586 |
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