INV-DOT904 Schulhaus Hübel, 1910-1912 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-DOT904
Signatur Archivplan:DOT904
Titel:Schulhaus Hübel
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Dottikon
Ortsteil / Weiler / Flurname:Hübel
Adresse:Schulhausstrasse 18
Versicherungs-Nr.:188
Parzellen-Nr.:247
Koordinate E:2660623
Koordinate N:1248557

Chronologie

Entstehungszeitraum:1910 - 1912

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:Neues Schulhaus mit Turnhalle und Verbindungsbau (1953-55) (Bauinventarobjekt DOT928)
Nutzung (Stufe 1):Öffentliche Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Schulhaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Heimatstil

Dokumentation

Autorschaft:Adolf Schenker, Architekt, Aarau
Würdigung:Schulhaus im Heimatstil von 1910–12, das als weithin sichtbarer Baukörper oberhalb des Dorfkerns auf der Hübelterrasse thront. Das nach Plänen des Aarauer Architekten Adolf Schenker errichtete Gebäude wurde anlässlich der Erweiterung der Schulanlage 1953–55 durch Architekt Richard Beriger, Wohlen, im Bereich des Haupteingangs umgestaltet und mit den Neubauten verbunden. Abgesehen davon präsentiert sich der Baukörper im Äusseren weitgehend unverändert. Er zeichnet sich aus durch eine kompakte Volumetrie und ein hohes Mansarddach, das durch einen Quergiebel und zwei Vorsprünge zu einer für den Heimatstil charakteristischen Dachlandschaft erweitert wurde. Die Fassaden sind zeittypisch in eine als Rustika abgesetzte Sockelzone und Mauerflächen mit Kellenwurfputz gegliedert. Das Innere zeigt weitgehend die alte Raumstruktur und bewahrt mit dem Treppenhaus, dem Hinterausgang, Türrahmen und teilweise Parkettböden wesentliche Teile der bauzeitlichen Ausstattung.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Anfang 20. Jh. waren die Platzverhältnisse im alten, 1817 errichteten und 1837/40 aufgestockten Schulhaus (ehem. Kurzinventarobjekt DOT903, abgebrochen) eng geworden. Mit Baubeginn der Bally-Schuhfabrik (einem Zweigbetrieb der Bally-Schuhfabriken AG in Schönenwerd, heute Gewerbeliegenschaft der Setz Gütertransport AG, Dintikon) und folglich in Erwartung eines weiteren Anstiegs der Schülerzahlen, beschloss die Gemeinde 1909 den Bau eines neuen Schulhauses in den Thaläckern auf dem Hübel [1]. Im selben Jahr verordnete der Bundesrat, dass der Turnunterricht ganzjährig stattfinden sollte, so dass auch ein Turnlokal eingeplant werden musste [2]. Das auf der Hübelterrasse in aussichtsreicher Lage oberhalb des Dorfzentrums realisierte Schulgebäude entstand nach Plänen von Architekt Adolf Schenker, Aarau, der auch mit der Bauausführung betraut wurde. Die Gesamtkosten für das 1912 eingeweihte Gebäude mit fünf Schulzimmern, Nebenräumen, Gemeindekanzlei und Abwartwohnung beliefen sich einschliesslich Bauplatz, Erschliessung, Bauzinsen und Mobiliar auf 157'000 Franken [3].
Die neuen Industriezweige, die sich 1910 und 1913 mit der Schuhfabrik Bally AG und der Schweizerischen Sprengstoff-Fabrik AG in Dottikon neben dem Steinhauergewerbe und der Strohindustrie angesiedelt hatten, bewirkten, dass sich in Dottikon viele arbeitssuchende Familien niederliessen. Der Schulbetrieb musste in immer mehr Klassen geführt werden. Ausserdem wurden 1917 eine Fortbildungsschule und 1944 eine Sekundarschule eröffnet. Für die Hauswirtschaftsschule improvisierte man ein Unterrichtszimmer im ehemaligen Duschenraum im Untergeschoss. Untragbar wurden die räumlichen Verhältnisse während des Kriegs durch die häufige Belegung der Turnhalle und der Schulzimmer durch das Militär. 1943, also noch vor Kriegsende, beschloss die Gemeinde daher, einen Wettbewerb zur Erstellung eines neuen Schulhauses mit Turnhalle durchzuführen, aus dem der Vorschlag von Architekt Richard Beriger, Wohlen, als Siegerprojekt hervorging. Die Klärung der Standortfrage und der damit verbundenen Erschliessungs- und technischen Probleme, die Ermittlung und Bewilligung des benötigten Raumprogramms, die Überarbeitung des Projekts und der Erwerb zusätzlichen Baulands verzögerten den Baustart [4]. Zwischenzeitlich sorgte der Auszug der Gemeindeverwaltung in den 1951 neu errichteten Mühlehof und die damit mögliche Zusammenlegung der Gemeindekanzlei und des Gemeinderatszimmers zu einem zusätzlichen Schulzimmer für eine gewisse Entschärfung der Raumnot [5].
1953–55 erfolgte schliesslich die Erweiterung der Anlage zu einem Schulkomplex mit zusätzlichem Schulgebäude, separater Turnhalle und Verbindungsbau (Bauinventarobjekt DOT928) nach Plänen von Richard Beriger. In diesem Zusammenhang wurde der Haupteingang des hier vorliegenden alten Schulhauses umgestaltet, da dieses durch eine langgezogene gedeckte Pausenhalle mit dem Neubau verbunden werden sollte. Im Zuge dieser Angliederung wurden die westseitigen Rundbogenfenster den Rechteckformaten auf den anderen Fassaden angeglichen. Noch während der Bauarbeiten entschied man sich ausserdem, das alte Schulhaus einer Innenrenovation zu unterziehen [6]. Dabei erhielten die Korridore neue Bodenbeläge aus Klinker und die zur Aula umgenutzte ehemalige Turnhalle im Untergeschoss ein holzsichtiges Brusttäfer und vermutlich auch das Klötzchenparkett.
Beschreibung:Das auf der Hübelterrasse über dem Dorfzentrum thronende Schulhaus ist ein charakteristischer Heimatstilbau. Der längs zur Hangkante ausgerichtete Baukörper ist über einem als Rustika abgesetzten halbhohen Kellersockel zweigeschossig aufgeführt und nach oben mit einem hohen Mansarddach abgeschlossen, das ein zusätzliches Vollgeschoss birgt. Über der symmetrischen Vorderfront öffnet sich dieses mit einem grosszügigen Quergiebel unter Mansardsatteldach, welcher im Giebelfeld die mit einer stilisierten, reliefierten Blattgirlande behängte Schulhausuhr zeigt. Die kompakte Grundform des Gebäudes lockern rückwärtig der mit einem Walmdächlein versehene Treppenhausrisalit und an der nordwestlichen Schmalseite ein Vorsprung unter Mansarddach mit Halbwalm, der die WC-Anlagen in der hinteren Gebäudehälfte aufnimmt. Ursprünglich führte der Haupteingang seitlich in diesen, ehemals durch Rundbogenfenster erhellten Eckrisalit, wobei der Treppenaufgang zur Tür im Hochparterre in einen Vorbau mit darüber liegendem Balkon integriert war. Heute erfolgt der Zutritt ebenerdig vom überdachten Verbindungsgang aus in der Achse des Korridors. Die bestehende, grossflächig verglaste doppelflügelige Tür mit hellem Eichenholzrahmen ist analog zum neuen Schulgebäude von 1953–55 gestaltet.
Der Bau zeichnet sich durch eine individuelle Gestaltung der einzelnen Fassaden, eine vielfältige Materialisierung und eine differenzierte Gestaltung der Oberflächen aus, wesentliche Merkmale des auch als "nationale Romantik" bezeichneten Heimatstils. Dieser forderte eine Rückbesinnung auf die heimische Bautradition, insbesondere die materialgerechte Anwendung örtlicher Baustoffe und die Wiederbelebung der heimischen Handwerkstraditionen. Besonders beliebt war die hier zu beobachtende Verwendung grob behauener, Standfestigkeit suggerierender Steinquader im Sockelbereich. Das halb in den Boden eingetiefte Untergeschoss ist aus unregelmässig grossen, buckligen Kalksteinquadern gefügt, während die am stärksten der Witterung und mechanischen Einflüssen ausgesetzte unterste Lage in Granit ausgeführt ist. Gezahnt auslaufende Kalksteinquader gliedern und fassen auch den von einem Rundbogen überspannten bauzeitlichen Hinterausgang ein, über dessen Schlussstein eine kleine Steintafel mit der Jahrzahlinschrift "ERBAUT 1911" eingelassen ist. Darüber tragen die Fassaden einen zeittypischen Kellenwurfputz. Weniger rustikal gestaltet sind die Fenster mit ihren geohrten Gewänden aus Kunststein und schlichten Blockgesimsen aus Granit, welche weitgehend axial angeordnet sind und zur grosszügigen Belichtung der Unterrichtszimmer sowie des Gangs und des Treppenhauses in gekuppelter Form auftreten. Im Quergiebel des Mansardgeschosses sind sie gar zu Drillingsfenstern zusammengefasst. Sie können mit Rollläden verschlossen werden; einzig der nach Westen orientierte Gebäudevorsprung besitzt zwei Fenster mit Jalousieläden im Dachgeschoss, welches ehemals auch die Abwartwohnung aufnahm. Bis zur Umgestaltung in den 1950er-Jahren hob sich die Westfassade auch insgesamt durch ihr eher der Wohnarchitektur entliehenes Formengut (Rundbogenfenster, Eingangsgestaltung mit Vorbau und darüber liegendem Balkon) von den übrigen Fassaden ab, wobei diese individuelle Gestaltung der einzelnen Fassaden ein typisches Merkmal der Reformarchitektur ist. Das an der holzverschalten Untersicht mit einer Felderung versehene Mansarddach trägt eine passende Biberschwanzeindeckung und auf den Firstenden Kugelaufsätze.
Im Innern haben sich trotz der veränderten Zugangssituation das Treppenhaus und weitgehend auch der Grundriss mit dem firstparallelen Korridor, den nach Süden ausgerichteten Schulzimmern und den Nasszellen sowie Nebenräumen in der rückwärtigen Gebäudehälfte erhalten. Die Zimmertüren werden von leicht bogenförmigen Rahmen aus der Bauzeit eingefasst (grüne Farbfassung jünger). Die Räume bewahren teilweise das ursprüngliche Fischgratparkett aus Eichenholz. Die zweiläufige Granitstufentreppe begleitet ein Schmiedeeisengeländer mit schlichter geometrischer Ornamentik und hölzernem Handlauf. Wesentliche originale Bausubstanz hat sich ausserdem im Hinterausgang erhalten, der noch samt bauzeitlichem Holzrahmen und Beschlägen sowie Schieferabdeckungen zu den flankierenden Fenstern besteht.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Einzelelement, Erhaltungsziel A.
Anmerkungen:[1] Angaben zum Neubau des Schulhauses von 1912 gemäss Kuhn 1955, S. 25-26.
[2] Lesny 2019, S. 44.
[3] Seiler 1955, S. 18-19. – Freiämter Kalender 2006, S. 38.
[4] Kuhn 1955, S. 25ff.
[5] Kuhn 1955, S. 32.
[6] Kuhn 1955, S. 37-38.
Literatur:- Ernst Kuhn, Zur Baugeschichte der Schulhäuser von Dottikon, in: Gedenkblätter zur Einweihung des neuen Schulhauses und der Turnhalle in Dottikon am 24. Juli 1955, S. 25–39.
- Katja Lesny, Von der Trotte zum Theatersaal. Frühe Turnhallen im Aargau, in: k+a 1/2019, S. 42-49.
- L. Seiler, Zur Schulgeschichte von Dottikon, in: Gedenkblätter zur Einweihung des neuen Schulhauses und der Turnhalle in Dottikon am 24. Juli 1955, S. 7–23.
- S. n., Vom Bauerndorf zum Industriedorf, in: Freiämter Kalender 2006, S. 33-41.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 87.
Quellen:- ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv: LBS_MH01-002755, LBS_MH03-1632, LBS_H1-013661.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
 

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