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INV-EGW903 Hertihof Seonerstrasse 1, 18. Jh. (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Identifikation |
Signatur: | INV-EGW903 |
Signatur Archivplan: | EGW903 |
Titel: | Hertihof Seonerstrasse 1 |
Bezirk: | Lenzburg |
Gemeinde: | Egliswil |
Hist. Name Objekt: | Hertihof |
Adresse: | Seonerstrasse 1 |
Versicherungs-Nr.: | 161 |
Parzellen-Nr.: | 435 |
Koordinate E: | 2656333 |
Koordinate N: | 1244570 |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 18th cent. |
Grundlage Datierung: | Schätzung |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Landwirtschaftliche Bauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Bäuerlicher Vielzweckbau |
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Dokumentation |
Würdigung: | Mächtiger bäuerlicher Vielzweckbau aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, der an der Hauptverkehrsachse am unteren Rand des Dorfkerns eine ortsbildprägende Stellung einnimmt. Der unter einem wuchtigen Halbwalmdach geborgene Bau zählt zu den wenigen noch bestehenden ehemals mit Stroh gedeckten Häusern im Dorf. Der in seltener Bauweise mit vorkragendem Dachgeschoss errichtete Wohnteil hat sich in seiner Grundkonstruktion aus Fachwerk und Holz nahezu vollständig erhalten. Er bewahrt an den verputzten Fassaden noch das ursprüngliche Fensterbild und im Innern eine nutzungsgeschichtlich interessante dreiraumtiefe Binnenstruktur. Von den zwei firstparallel angeordneten Wohneinheiten diente die strassenseitige als Eigengewächswirtschaft, bis diese 1898 in das gegenüber liegende Gebäude (Bauinventarobjekt EGW902) überführt wurde. Zum besseren Verständnis und zur Sicherung der Befunde sollten im Vorfeld grösserer baulicher Massnahmen am Gebäude bauarchäologische Untersuchungen durchgeführt werden. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Das noch bis in die Mitte des 19. Jh. teilweise strohgedeckte Bauernhaus stammt vermutlich aus der ersten Hälfte des 18. Jh. Die Lage am unteren Rand des Dorfkerns mag dazu beigetragen haben, dass es von den Dorfbränden 1816, 1824 und 1847 verschont blieb. Als Eigentümer sind im Brandkataster von 1829 die Brüder Johannes und Hans Rudolf Weber, Werners, aufgeführt, welche je einen nicht näher bestimmten Anteil an dem Bauernhaus besassen [1]. Die firstparallele Unterteilung des Wohntrakts in zwei Einheiten dürfte damals bereits bestanden haben, wobei der – wohl grössere strassenseitige - Teil von Johannes mit 1'100 Franken einen leicht höheren Versicherungswert hatte als jener von Hans Rudolf mit 1'000 Franken [2]. 1859 wurde Hans Rudolfs Anteil von Samuel Weber, Verenenjohannesen, übernommen und 1865 eigentumsrechtlich mit der anderen Haushälfte zusammengeführt. Samuel Weber sorgte 1867 für eine vollständige Ziegeleindeckung. 1890 wurde das Gebäude weiter "verbessert", wodurch der Versicherungswert von 6'000 auf 7'500 Franken anstieg. Eine sprunghafte Erhöhung desselben um 3'000 Franken erfolgte 1897 mit dem Bau einer "Eiskelleranlage". Diese dürfte mit dem Schopf auf der Nordwestseite der Scheune identisch sein, für den eine Nutzung als Bierkeller überliefert ist [3]. Die Bezeichnung "Keller" ist dabei nicht im Sinne eines ins Erdreich eingetieften Raums zu verstehen, sondern in demjenigen eines kühlen Lagerraums – eine Eigenschaft die mit der massiven Bruchsteinmauer und der Lage auf der Nordseite zumindest ansatzweise gegeben war. Inzwischen hatten die Geschwister Heinrich und Anna von Vater Samuel den Hof übernommen. Spätestens unter ihnen wurde in der strassenseitigen Wohnung eine Eigengewächswirtschaft betrieben, während die hintere Wohnung samt Scheune und Stall verpachtet wurde. Den Eiskeller dürfte Heinrich bereits im Hinblick auf das neue Gasthaus auf der gegenüberliegenden Strassenseite erbaut haben, das er zur gleichen Zeit plante (Bauinventarobjekt EGW902). Nach dem Hinschied der Geschwister Weber (Heinrich 1924, Anna 1935) wurde das Bauernhaus von der Familie Kleiner-Rey erworben. Der rückseitige Scheunenanbau unter Quergiebel wie auch die Aufmauerung des Stalls in Kalksandstein datieren wohl aus dieser Zeit. |
Beschreibung: | Seitdem die Seonerstrasse durch einen im 19. Jh. ergänzten Strassenabschnitt direkt in die Seengerstrasse überleitet, setzt der breit gelagerte Baukörper mit dem wuchtigen Halbwalmdach einen markanten Akzent an der Hauptverkehrsachse, nahe des Dorfkerns. Da die Strasse schräg vorbeiführt, bleibt ein spickelförmiger Vorplatz mit Brunnen, der ehemals von einem Baum beschattet wurde und mit dem Hof eine typische ländliche Anlage bildete. Das als Mittertennhaus konzipierte Bauernhaus ist mit dem grosszügig angelegten, dreiraumtiefen Wohnteil nach Südosten ausgerichtet, wobei die nordöstliche Traufseite als Stubenfront ausgebildet ist. Sein weit herabgezogenes Dach, eine Sparrenkonstruktion auf stehendem Stuhl, steht entwicklungsgeschichtlich am Übergang vom Stroh- zum Ziegeldach. Es ist nur über dem Ökonomietrakt als Vollwalm ausgebildet, während über dem Wohnteil ein knapper Teilwalm das in spezieller Bauweise vorkragende Dachgeschoss abschliesst. Dieses wird wie eine Giebellaube, jedoch komplett mit Brettern verschalt, von Balken auf unverzierten Bügen gestützt. Im Unterbau zeigen sich Wohn- und Ökonomieteil unterschiedlich stark verändert. Weitgehend in der Bausubstanz des frühen 18. Jh. und teilweise des 19. Jh. erhalten hat sich der zweigeschossige Wohntrakt. Er steht auf einem aus Bruchstein gefügten, an der Stubenfront leicht vorspringenden Mauersockel, der in der südöstlichen Hälfte zwei nacheinander quer zum First angeordnete Gewölbekeller birgt. Diese sind sowohl über einen strassenseitigen Aussenzugang als auch über eine innenliegende Treppe von der hinteren Küche aus zugänglich. Ein mächtiger eichener Schwellenkranz bildet die Basis für den darüber aufgeführten, geschossweise abgebundenen Fachwerkbau mit Bruchsteinausfachungen. An den vielleicht erst nachträglich verputzten Fassaden hat sich die ursprüngliche Befensterung weitgehend erhalten, erkennbar an den kräftig profilierten hölzernen Sohlbankgesimsen. Demnach zeichnen die eingangsseitige Stubenfront im Erdgeschoss zwei Fensterwagen aus mit jeweils zwei respektive drei aneinandergereihte und durch einen gemeinsamen Brustriegel (Gesims) miteinander verbundene Fenstern. Die Öffnungen am Obergeschoss wie auch an der Stirn- und Rückseite sind mehrheitlich paarweise und teilweise einzeln angeordnet. Sämtliche Fenster weisen hölzerne Gewände auf. Ein Einschnitt im Brustriegel könnte auf eine ehemals leicht abweichende Einteilung bei den Reihenfenstern hindeuten. Es ist denkbar, dass anlässlich der Erneuerung der meisten Fensterflügel im späteren 19. Jh. auch eine leichte Anpassung der Fensterformate vorgenommen wurde. Einige ältere Fenster mit bleigefassten Butzenscheiben bewahrt die hintere Wohnung auf der Rückseite. Das wohl im späteren 19. Jh. ausgewechselte Türblatt des strassenseitigen Hauseingangs ist als einfache Füllungstür gearbeitet, wie sie vor allem für Zimmertüren üblich war. Der Eingang führt ebenerdig in einen dem Tenn entlang verlaufenden Korridor, der beidseitig von Ständerbohlenwänden auf eindrücklichen Schwellbalken begrenzt wird. Am hinteren Ende öffnet rechterhand eine Tür auf das Tenn, dessen Gewände aussenseitig mit einem Stichbogen und geschweiften Ecken verziert ist. Dabei handelt es sich um den Hintereingang des einst rückwärtig gegenüber der Scheune vorspringenden Wohnteils, bis diese um 1935 unter einem Quergiebel erweitert wurde. Entsprechend ist auch das Wandstück im Obergeschoss als Aussenwand in Fachwerk erstellt, während die Aufkammerung des Wohnteils mit Ausnahme der Feuerwände aus Ständerbohlenwänden besteht. Die Wohnung ist nach einem alten Grundrissschema dreiraumtief angelegt. Ursprünglich nahm die Küche wohl eine winkelförmige Fläche ein und trennte, zusammen mit einer vielleicht gleichfalls erst nachträglich abgetrennten mittleren Kammer die Stube und Nebenstube im strassenseitigen Vorderhaus von einer weiteren beheizbaren Stube im Hinterhaus [4]. Die Aufteilung der Küche in zwei Kompartimente mit je einem separaten Treppenaufstieg ins Obergeschoss, welche die Schaffung von zwei unterschiedlich grossen, firstparallel unterteilten Wohneinheiten erlaubte, dürfte nachträglich erfolgt sein. Im Obergeschoss wiederholt sich im Prinzip die Raumstruktur, wobei auch hier einzelne Wände nachträglich gezogen oder verschoben worden sein könnten. Die seit mehreren Jahrzehnten unveränderten Räume zeichnen sich durch eine vielschichtige, spurenreiche Bausubstanz aus. Die Ständer, Rähm- und Deckenbalken sind mit dekorativen Fasen verziert. In den Räumen prägen Sichtbalkendecken, Bretter- und jüngere Dielenböden, unverkleidete Fachwerk- und Ständerbohlenwände sowie vereinzelt angebrachte einfache Täfer die Oberflächen. An bauzeitlicher Ausstattung erhalten haben sich Brettertüren mit aufgedoppeltem Rahmen und kunstvoll geschmiedeten barocken Beschlägen (S-Bänder) sowie in der Wand zwischen der unteren Stube und Nebenstube ein mit barock geschweifter Felderung verzierter Klappladen, der als charakteristisches Element einstiger Gastwirtschaften Seltenheitswert hat. Von den Kachelöfen in den Stuben sind nur noch die Sitzkünste vorhanden, die über die Herdstelle beheizt wurden. In der vorderen Stube ist diese mit Reliefkacheln aus der Zeit um 1900 aufgebaut, in der hinteren Stube mit grün überstrichenen Kacheln vermutlich aus der Zeit um 1800. Ergänzend ist ein historistischer Gusseisenofen aufgestellt. Die Einrichtung beider Küchen besteht im Wesentlichen aus der teilweise gemauerten Herdstelle, zu der sich das bis in den Obergaden reichende Rauchhurd mit Kamin erhalten hat. Im Bereich der Küchen und der darüber liegenden Kammern sind die Balken stark rauchgeschwärzt, während die Dachkonstruktion keinerlei derartige Spuren aufweist. Insgesamt zeigt sich die vordere Wohnung von einem leicht stärkeren Erneuerungsdruck betroffen als die hintere. Das Biedermeiertürblatt zur Stube und der zugehörige Wandschrank kamen im 19. Jh. hinzu. Die Fensterflügel wurden ausgewechselt, während jene der hinteren Wohnung teilweise noch die alte Einteilung mit Oberlicht und die runden oder sechseckigen Butzenscheiben bewahren. Ein Fenster mit kleinen, von Bleiruten gefassten Scheiben ist zwecks Belichtung der vorderen Küche in der Wand zur mittleren Kammer eingebaut. Nicht eindeutig erschliesst sich die Funktion des Fensterchens, das zwischen der hinteren Küche und der hinteren Stube, unmittelbar neben dem Herd, in die Wand eingelassen ist. Von nutzungsgeschichtlichem Zeugenwert ist der Nachlass einiger landwirtschaftlicher Geräte wie einer "Riibi" zur Verarbeitung von Stroh, einem Pflug sowie einer Getreidetruhe. Der Dachraum ist zum Ökonomieteil hin offen, darüber erstreckt sich die durchlaufende Dachkonstruktion. Gemäss den Aufzeichnungen der Bauernhausforschung handelt es sich dabei um ein Sparrendach auf stehendem Stuhl, wobei die Sparrenfüsse strassenseitig auf den Balkenvorsprüngen der von Bügen gestützten Deckenbalken des Obergeschosses aufliegen und so einen ausgeprägten Vorscherm bilden. Die Stuhlsäulen sind mit gezapften, von Holznägeln fixierten, Kopfhölzern ausgesteift. Bautypologisch interessant sind die unterschiedlichen Abstände zwischen den Bindern, die sich dadurch ergeben, dass sich die Position der Stuhlsäulen an den darunterliegenden Binnenwänden orientiert. Die als Vollwalm ausgebildete Dachhälfte über dem Tenn und Stall wurde im Unterbau stellenweise nachträglich durch zusätzliche Hölzer verstärkt. Der um 1935 durchgreifend erneuerte und dabei unter einem Quergiebel nach hinten erweiterte Scheunenteil wird seither im unteren Bereich von Kalksandsteinmauern eingefasst. Darüber ist ab Höhe der Heubühne das zum ursprünglichen Baubestand gehörende hölzerne Tragwerk mitsamt der Dachkonstruktion erhalten. Erneuert wurde auch die Binnenstruktur von Futtertenn und Stall, während das Tenn an der Vorderfront noch das alte Rechtecktor mit stichbogigem Mannstürchen bewahrt. Am Bier- und Eiskeller wurde nichts verändert, so dass dieser vergleichsweise junge Anbau unter Schleppdach mit seiner altertümlichen Bruchsteinmauer bis heute die nordwestliche Kalksandsteinmauer des Vielzweckbaus kaschiert. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung. |
Anmerkungen: | [1] Die Angaben zu den Eigentümern und zum Gebäude sind den Brandkatastern entnommen: Staatsarchiv Aargau, AG 50.526 (Vers.Nr. 86A/B): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1829-1849; CA.0001/0390 (Vers.Nr. 101A/B): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1850-1874; CA.0001/0391 (Vers.Nr. 106): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1875-1898; CA.0001/0392 (Vers.Nr. 161): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1899-1938. [2] Gemäss einer Prozessniederschrift von 1839 kam es zu einer Gerichtsverhandlung zwischen Johannes Weber und seinem Bruder Hans Rudolf Weber, bei welcher letzterem in Berufung auf einen früheren Teilungsvertrag das Recht zugesprochen wurde, Jauche und Heu durch das Futtertenn seines Bruders zu führen (gemäss Kurzinventar 2001). [3] Vgl. Anm. [1]. Um 1900 wurde das Eis durch die Brauereien mit dem Bier zusammen an die Gasthäuser geliefert. [4] Eine vergleichbare Raumstruktur haben z.B. das Strohdachhaus von 1720/21, Vers.-Nr. 49, und das 1804 datierte Bauernhaus Vers.-Nr. 189, beide in Muhen. Das dreiraumtiefe Grundrissschema lässt sich möglicherweise von der Tradition des Hochstudhauses mit gemauertem Stock ableiten. Die separat beheizbare Hinterstube ist vermutlich als Altenteil zu betrachten. |
Literatur: | - Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002, S. 219 (Abb. 469). |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, AG 50.526: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1829-1849; CA.0001/0390-0392: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1850-1938. - Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv. - Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Materialien. |
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URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=33372 |
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