INV-EGW904 "Roter Bären" Hasenbergstrasse 6, 18. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-EGW904
Signatur Archivplan:EGW904
Titel:"Roter Bären" Hasenbergstrasse 6
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Egliswil
Ortsteil / Weiler / Flurname:Hasenberg
Adresse:Hasenbergstrasse 6
Versicherungs-Nr.:145
Parzellen-Nr.:386
Koordinate E:2656230
Koordinate N:1244680

Chronologie

Entstehungszeitraum:18th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Inschriften:"D.[er] Herr Behüte Dieses Haus Und Alle Die Da Gehen In und Aus" (am alten Scheunentor, in Zweitverwendung an der Garage); "HAW 1781" (am Fenstersturz der Hinterkammer, in der Nordostmauer)
Würdigung:Ehemaliges Strohdachhaus, das mit dem Namen „Roter Bären“ auf eine Vergangenheit als zeitweilige Wirtschaft verweist. Das mindestens ins 18. Jahrhundert zurückreichende, als Ständerbohlenbau errichtete Mittertennhaus bewahrt unter dem steilen Satteldach noch die intakte bauzeitliche Hochstudkonstruktion und am Wohnteil die hölzerne Fassade mit der für diesen Haustyp charakteristischen Reihenbefensterung samt kräftig profiliertem durchlaufendem Gesims. Im Innern haben sich die ursprüngliche Aufkammerung und einzelne Teile der historischen Ausstattung wie Sichtbalkendecken, gefaste Konstruktionshölzer und barocke Türen erhalten. Eine durch die Lage am Hang beeinflusste typologische Besonderheit dieses bau- und nutzungsgeschichtlich interessanten Gebäudes äussert sich in der aussergewöhnlichen Kombination von hölzerner Ständerbohlenbauweise und dreiseitig aus Bruchstein gefügter Umfassungsmauer. Als einem der letzten gut erhaltenen Vertreter seiner Art kommt dem „Roten Bären“ ein hoher Zeugenwert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das etwas ausserhalb des Ortskerns gelegene Bauernhaus datiert mindestens ins 18. Jh. Zur Zeit seiner Errichtung, führte die heutige Hasenbergstrasse unterhalb des Hauses noch als direkteste Verbindung nach Seon. Mit dem Bau der Seonerstrasse verlagerte sich der Verkehr weiter südlich (vgl. Siegfriedkarte von 1880), wodurch das Gebäude abseits der Hauptverkehrsachse zu stehen kam. Gemäss Michaeliskarte von 1840 war es das erste Haus am Weg direkt unter dem damaligen Rebhang. Die im Volksmund tradierte Bezeichnung „Roter Bären“ lässt vermuten, dass darin zeitweise eine Wirtschaft betrieben wurde.
Soweit sich mittels Brandkataster zurückverfolgen lässt, befand sich das „Wohnhaus mit gewölbtem Keller und mit Scheurwerk, am Ganzen 3 Seiten im Stok hoch gemauert, sonst hölzern, unter einem Strohdach“ im 19. Jh. in den Händen der Familien Häusermann und Wipf [1]. 1829 gehörte es Daniel Häusermann, Webers, von dem es 1847 an Samuel Wipf, Kappenwebers, überging. 1853 ist als Eigentümer Johannes Häusermann, Steinhauer, vermerkt, 1876 Daniel Kleiner, Maurer. Nach dem Tod von letzterem übernahm 1895 seine Witwe Johanna Wipf, geborene Häusermann, die Liegenschaft und liess das noch mehrheitlich mit Stroh gedeckte Gebäude zu einem Viertel auf Ziegel umdecken und „verbessern“ [2]. Später folgten als Eigentümer ihr Sohn Gottlieb und 1927 ihr Enkel Walter, Landwirt.
Im Laufe des 20. Jh. wurde die nordöstliche Stirnfront mit einem Giebel aus Kalksandsteinen aufgemauert und das Walmdach zu einem ziegelgedeckten Satteldach umgewandelt. Der ehemals hölzerne Scheunentrakt erhielt eine gemauerte Vorderfront und ein neues Tenntor. Das alte Tor fand währenddessen an einem Garagenanbau auf der Nordwestseite Verwendung.
1984 erfolgte die Renovation der Küche und die Einrichtung eines Bad/WCs in der rückwärtigen Ecke zum Tenn [3]. Dabei wurde der Kellerabgang von der Küche her aufgehoben und auf der Vorderseite des Hauses ein neuer äusserer Zugang geschaffen. Auf dem Fussboden des nicht bewohnten Obergadens wurde eine Wärmedämmung angebracht.
Beschreibung:Das oberhalb der Hasenbergstrasse längs zum Hang stehende und über eine kurze Auffahrt erschlossene Gebäude ist ein langgestrecktes Mittertennhaus, das sich aufgrund seines steilen Dachs als ehemaliges Strohdachhaus zu erkennen gibt. Der Baukörper wird auf drei Seiten von Bruchsteinmauern eingefasst, die im rückwärtigen Bereich als Stützmauer gegen das ansteigende Gelände dienen. Das stirnseitig ehemals nur bis auf Traufhöhe reichende Mauerwerk (Giebelfelder nachträglich mit Kalksandsteinen aufgemauert bzw. mit Welleternit verkleidet) ragt hangseitig als Windschutz vor. Abgesehen von dieser topografisch bedingten Bauweise ist der Vielzweckbau als Ständerbohlenkonstruktion errichtet. Am Wohnteil der nach Südosten ausgerichteten Schauseite hat sich die ursprüngliche hölzerne Fassade vollständig erhalten, während die Vorderfront des Scheunentrakts im 20. Jh. aufgemauert und mit einem neuen, grösseren Tenntor versehen wurde.
Charakteristisch für die beschriebene Holzbauweise ist die Gestaltung der Stubenfront mittels Reihenfenstern und eines durchlaufenden, kräftig profilierten Gesimses (Brustriegel). Die Stube ist mit einem vierteiligen Fensterwagen als Hauptwohnraum ausgezeichnet. Die Nebenstube und beide Schlafkammern im Obergeschoss sind mit gekuppelten Lichtern ausgestattet, wobei die östliche Kammer ehemals ein Einzelfenster aufgewiesen haben dürfte (der bei den anderen Fensteröffnungen vorhandene äussere Falz fehlt hier im Gewände). Der von einem Gesims bekrönte Hauseingang befindet sich nach einem geläufigen Muster unmittelbar neben dem Tenn. Darüber belichtet ein einzelnes Rechteckfenster das schmale, flurartige Raumabteil im Obergaden. Ständer, Riegel, Kopfhölzer und der Auflagebalken für die Rafen sind an den Kanten teilweise mit Zierfasen versehen, einem aus der Spätgotik tradierten, sich über die Jahrhunderte hinweg haltenden zimmermannstechnischen Gestaltungselement.
Sowohl der Wohnteil als auch die Scheune bewahren im Innern noch weitgehend die hölzerne Konstruktion und Aufkammerung (im Stallbereich teilweise erneuert). Die Basis bildet über einem niedrigen Mauersockel ein eichener Schwellenkranz aus mächtigen Hölzern mit doppelten Schwellenschlössern. Wand- und Eckständer sind in die Schwellen eingezapft und werden durch den oberen Kranz der Geschossrähme oder Bundbalken zusammengehalten. Die Gefachfüllungen bestehen aus liegend eingenuteten Bohlen, die im Wohnteil auffallend breit sind. Der Verstärkung des Ständerwerks dienen angeblattete Kopfhölzer. Von den Bundbalken abgefangen, bilden vier Hochstüde, welche durch First und Unterfirst miteinander verbunden und mittels Sperrafen und Windstreben ausgesteift sind, das Grundgerüst des ehemals abgewalmten Daches. Diese für Strohdachhäuser charakteristische Hochstudkonstruktion hat sich unter dem bestehenden Satteldach intakt erhalten, ergänzt durch neue Rafen, einen kniestockartigen Aufbau zur Anhebung der Traufhöhe, beidseitig angesetzte Verlängerungen der Firstpfette und verstärkende Mittelpfetten.
Eine typologische Besonderheit des vorliegenden Gebäudes, die mit der topografischen Ausgangslage zusammenhängt, äussert sich darin, dass der Ständerbohlenbau keine hölzerne Rückfassade aufweist, sondern zur hangseitigen Stützmauer hin offen ist. Dabei beziehen sich sowohl das Ständerwerk als auch die Hochstudkonstruktion auf ein Geviert, das sich bis ungefähr einen Meter vor die rückwärtige Mauer ausdehnt. Der schmale, zwischen Ständerbohlenbau und rückwärtiger Mauer übrig bleibende Streifen bildet dank den bis über die Stützmauer herabgezogenen Rafen eine überdachte Nutzfläche. Hinter dem Stall diente dieser Bereich als schmaler Gang mit Schweinestall. Im Obergaden des Wohnteils ist er Teil des offenen, nicht aufgekammerten Hinterhausbereichs. Welche Funktion er hier ursprünglich hatte, als der Zugang zum Obergeschoss vielleicht noch nicht vom Tenn her erfolgte und der Rauch noch durch die teilweise offene Decke der Küche emporstieg, ist offen. Aufgrund jüngerer Einbauten (Täfer, Küchenzeile, Bad/WC) nicht einsehbar und in ihrem Verhältnis zur ursprünglichen Konstruktion daher nicht zu beurteilen, sind die Anschlüsse der Ständerbohlenwände an die rückwärtige Bruchsteinmauer im Erdgeschoss, wo die Küche und die Hinterkammer interessanterweise die gesamte Fläche bis ganz nach hinten einnehmen. Im Bereich des Wohnteils weist die rückwärtige Bruchsteinmauer keine älteren Fenster auf (Fenster von Küche und Bad/WC erneuert), im Bereich der Scheune ist ein holzgerahmtes Doppelfenster eingelassen, das aufgrund seiner Sprossierung und Spuren einer ehemaligen Vergitterung eher in Zweitverwendung hierher gelangt sein dürfte. In der nordöstlichen Stirnmauer befindet sich zur Hinterkammer ein steingefasstes Zwillingsfenster. Der leicht gewölbte Sturz mit der Inschrift „HAW 1781“ dürfte einst zum Portal eines gemauerten Hauses gehört haben und anlässlich einer Vergrösserung der Fensteröffnung nachträglich in die alte Bruchsteinmauer gelangt sein
Die über vier Stufen erreichbare Haustür öffnet sich auf einen schmalen Gang zwischen Tenn und Stube, in welchem der eindrückliche Eichenschwellenkranz zu sehen ist. Geradeaus führt eine Tür in die geräumige Küche, rechterhand in die mit einem Kachelofen von der Küche her beheizte Stube. Stube und Nebenstube sind durch eine schöne barocke Brettertür mit aufgedoppeltem, zeittypisch profiliertem Rahmen und handgeschmiedetem Beschlägwerk miteinander verbunden. Die Füllungen der Zwischenwand sind erneuert. In der fast vollständig in Holz ausgebauten Stube haben sich ein älterer Holzboden und eine Sichtbalkendecke mit profiliertem Mittelbalken erhalten. Ähnlich gestaltet sich die Decke der Nebenstube, während die Hinterkammer in jüngerer Zeit vollständig vertäfert wurde. In der Decke der sanft renovierten Küche ist noch das Balkengerüst der Rauchhurd erhalten, durch welche der Rauch vor dem Einbau des Kamins ins darüber liegende Geschoss und den Dachbereich entweichen konnte. Unter dem Fussboden (zugemauert) verbirgt sich noch der alte Treppenabgang in den Keller.
Wie die beiden Obergeschosskammern ursprünglich erschlossen waren, ist nicht ersichtlich. Heute führt am hinteren Ende des Tenns eine jüngere Holztreppe entlang der Bruchsteinmauer ins rauchgeschwärzte Obergeschoss des Hinterhauses. Eine beschnittene, barocke Brettertür führt in die Kammer über der Stube, die mit dem zweiten, über der Nebenstube liegenden Raum verbunden ist. Der schmale Bereich über dem Gang ist nicht abgeschlossen. Auf dem über eine Wangentreppe erreichbaren Dachboden liegen mehrere ältere Türen, die vielleicht noch aus der Wohnung stammen.
Der Scheunentrakt bewahrt im hinteren Teil die zum alten Baubestand gehörende, bis zum Heuboden hinauf reichende Ständerbohlenwand, während die Unterteilungen im Stall und die Wand zum Tenn – teilweise in Holz, teilweise in Backstein – erneuert sind. Im Stall haben sich ältere hölzerne Futterkrippen mit einfachen Staketen erhalten.
Entlang der Hauptfassade führt eine neu angelegte Treppe in den gewölbten Kellerraum, der sich unter der Nebenstube und der Hinterkammer erstreckt.
Nicht zum ursprünglichen Bestand zählen die beiden jüngeren Anbauten, die südwestlich an den Scheunentrakt anschliessen. Dabei handelt es sich um zwei Garagen, von welchen die innen gelegene rückseitig durch einen Schopf oder Stall erweitert ist. Das hier wiederverwendete Scheunentor mit Mannstürchen gehört zum alten Baubestand des Bauernhauses. Es ist mit handgeschmiedeten Nägeln gearbeitet und trägt den in einer Zierschrift des 18. Jh. aufgemalten Hausspruch: „D.[er] Herr Behüte Dieses Haus Und Alle Die Da Gehen In und Aus“.
Am äusseren Rand des Vorplatzes befindet sich ein zugehöriger Laufbrunnen, der das Wasser mit einer weiteren Liegenschaft von der eigenen Quelle bezieht.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Zitat: Staatsarchiv Aargau, AG 50.526: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1829-49; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0390-0392: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1850-1938.
[2] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0390-0392: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1899-1938.
[3] Gemäss freundlicher Mitteilung der Eigentümer.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0390-0392: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1850-1938.
- Staatsarchiv Aargau, AG 50.526: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1829-49.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=33378
 

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