INV-EGW910 Eichbergstrasse 5, 18. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-EGW910
Signatur Archivplan:EGW910
Titel:Eichbergstrasse 5
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Egliswil
Ortsteil / Weiler / Flurname:Lirihof
Adresse:Eichbergstrasse 5
Versicherungs-Nr.:86A
Parzellen-Nr.:635
Koordinate E:2657158
Koordinate N:1244221

Chronologie

Entstehungszeitraum:18th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:Ehemaliges Strohdachhaus wohl aus dem späteren 18. Jahrhundert, das den Kern einer baugeschichtlich zusammenhängenden Hofanlage mit zwei stirnseitigen Ergänzungsbauten bildet. Der Vielzweckbau zeigt eine lokal verbreitete Mischbauweise mit drei gemauerten Umfassungsmauern und einer hölzernen Stubenfront nach Süden. Er hat sich in seiner Grundsubstanz, bestehend aus den wesentlichen Teilen der Hochstudkonstruktion und dem Ständerbohlengefüge samt Aufkammerung weitgehend erhalten und bewahrt das für seinen Bautyp charakteristische Fassadenbild mit Schwellenkranz, Reihenfenstern, durchlaufenden Brustriegeln und holzgenagelten Tenntoren. Im Innern zeugt das rauchgeschwärzte Gebälk von der ehemals offenen Rauchküche. Von den aussenliegenden Höfen bildet das vorliegende Bauernhaus den letzten gut erhaltenen Bauzeugen seiner Zeitstellung.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Möglicherweise bezieht sich die Beischrift "Lirihof" auf der Michaeliskarte von 1840 nicht nur auf den Nachbarhof Eichbergstrasse 4 (Bauinventarobjekt EGW909), sondern auf die ganze Hofgruppe auch mit dem vorliegenden Bauernhaus. Das von zwei grossvolumigen Ökonomiebauten eingefasste Bauernhaus dürfte gegen Ende des 18. Jh. entstanden sein. Bereits vor 1829 war es Teil eines Gebäudekomplexes, der sich weiter Richtung Nordosten erstreckte. Das anschliessende Gebäude (1932 durch die bestehende Scheune ersetzt), vermutlich eine zweite Scheune oder – weniger wahrscheinlich – ein Vielzweckbau mit der separaten Vers.-Nr. 57, wurde 1829 unter der Nummer 45B mit dem Bauernhaus (Vers.-Nr. 45A) zusammengefasst [1]. Möglicherweise bestanden auch schon kleinere Anbauten auf der Südwestseite. Insgesamt wies der Komplex 1850 gemäss Brandkataster eine Länge von rund 35 Metern auf, war also 20 Meter länger als das vorliegende Bauernhaus Vers.-Nr. 45A.
Einer lokaltypischen Bauweise folgend, war das "Wohnhaus mit 1 gewölbtem & 1 Trämkeller (Keller mit Balkendecke) nebst Scheurwerk" gemäss Brandkataster bereits 1829 "am ganzen drei Seiten am Stok hoch gemauert, sonst hölzern, unter einem Strohdach", wies also schon damals auf der Rückseite und an den Schmalseiten eine steinerne Umfassung auf, während die nach Südosten ausgerichtete Stubenfront samt Scheune in Holz ausgeführt war [2]. Nicht abschliessend geklärt ist die ursprüngliche Form des Dachs, von dem sich die Konstruktion in den Grundelementen – vier Hochstüde mit First, Unterfirst, Windstreben, Sperrrafen und einzelne Rafen – erhalten hat. Der westliche Hochstud über dem Wohnteil, der gegenüber dem gemauerten Giebel zur angebauten Scheune etwas eingezogen ist, könnte zu einem Walm übergeleitet haben (keine Besichtigung aus der Nähe). Die Position des östlichsten Hochstuds unmittelbar vor der Mauer zum Nachbargebäude könnte ein Indiz dafür sein, dass die Dachkonstruktion ehemals über dem benachbarten Gebäudeteil fortlief. Wie in den meisten Fällen erfolgte die Umdeckung von Stroh auf Ziegel ab dem späteren 19. Jh. in kleinen Schritten, vermutlich war sie 1919 abgeschlossen.
Nicht mehr nachvollziehbar ist, wo sich der seit 1829 im Brandkataster erwähnte Gewölbekeller befand. Dieser muss entweder in der heute vom Kellergrundriss ausgeklammerten Nordwestecke unter dem Wohnteil gewesen sein oder zum Vorgänger des Anbaus Vers.-Nr. 45B gehört haben. Dieser Vorgängerbau dürfte identisch gewesen sein mit der im Brandkataster von 1875 und 1898 erwähnten zweiten Scheune. Einen Hinweis auf einen zweiten Wohnteil gibt es nicht: 1829 und 1850 werden die beiden "Anteile" A und B nicht näher definiert, 1850 ist von je einer "Wohnung" die Rede und 1898 jeweils von der Hälfte des Wohnhauses. Der wohl durch Erbteilung eigentumsrechtlich gesplittete Wohnteil des vorliegenden Vielzweckbaus wurde vermutlich bis 1932 von zwei unterschiedlichen Parteien gleichzeitig bewohnt.
Der mit 2000 Franken höher eingeschätzte Anteil Vers.-Nr. 45A gehörte 1829 Gottlieb Häfeli, der Anteil Vers.-Nr. 45B mit einem Wert von 950 Franken Jakob Häfeli, Danielen. Der Anteil von Gottlieb Häfeli nahm 1844 leicht an Wert zu und ging 1848 an Rudolf Wipf, Hartmanns. Dieser übernahm von Gottlieb Häfeli auch eine Brennhütte zur Gewinnung von Pottasche, welche dieser 1834 vermutlich in der Nähe errichtet hatte [3]. 1864 sorgte Rudolf Wipf für eine "Verbesserung" am Bauernhaus, die den Versicherungswert um 500 Franken ansteigen liess. Möglicherweise erfolgte damals die Erneuerung der Fenster durch etwas grössere sechsteilige Flügel. Die Anhebung des Dachs mittels Kniestock erfolgte vermutlich erst im Zusammenhang mit der schrittweisen Umdeckung auf Ziegel. 1878 ging die Liegenschaft, bestehend aus einer Wohnung, einem Keller und einer Scheune zu 3000 Franken an die Söhne Jakob und Johannes Wipf über. Später befand sie sich ganz in den Händen von Johannes, der sie im frühen 20. Jh. zur Führung eines Landwirtschaftsbetriebs wiederum an seinen Sohn Jakob weitergab. Der sprunghafte Anstieg des Versicherungswertes 1932 von 8000 auf 23'000 Franken dürfte mit der Ergänzung der neuen Stallscheune auf der Südwestseite zu erklären sein.
Der Anteil von Jakob Häfeli, Danielen, wechselte schon 1834 an den mutmasslichen Bruder Daniel Häfeli, Danielen, der ihn 1836 an den Schuhmacher Jakob Kleiner veräusserte. Nachdem dieser Gebäudeanteil 1844 leicht an Wert verloren hatte, ist 1864 auch für diesen eine leichte Zunahme von 250 Franken verzeichnet und 1889 sogar eine Bauerweiterung, durch die der Wert von 1800 auf 2100 Franken anstieg. Dieser Anteil der Liegenschaft umfasste ebenfalls eine Wohnung, einen Keller und eine Scheune. Nach dem Tod Jakob Kleiners wurde Samuel Kirchhofer neuer Eigentümer. Vermutlich war es der gleichnamige Sohn Samuel Kirchhofer-Häusermann, der 1932 den Landwirtschaftsbetrieb übernahm und die alte Scheune Vers.-Nr. 45B durch eine neue ersetzen liess.
Beschreibung:Das etwas oberhalb des Dorfes an der Eichbergstrasse gelegene ehemalige Strohdachhaus zählt zu einer kleinen Anzahl von Höfen, die um 1800 ausserhalb des Siedlungskerns bestanden. Der seitlich von zwei jüngeren angebauten Scheunen überragte Vielzweckbau ist in lokaltypischer Mischbauweise errichtet. Die nach Südosten ausgerichtete Schauseite bewahrt die bauzeitliche, als Ständerkonstruktion errichtete hölzerne Stubenfront, während die rückwärtige Trauffassade und beide Stirnseiten – mit Ausnahme der Giebelfelder –bereits ursprünglich aus Mauerwerk bestanden. Am Ökonomietrakt haben sich auf beiden Seiten die an den Wohnteil anschliessenden alten Tenntore mit Holznägeln und stichbogigem Mannstürchen erhalten. Der Stallbereich wurde vermutlich im 20. Jh. aufgemauert und umgestaltet (Öffnungen südseitig verändert, rückseitig Garagentor). Die Stubenfront zeigt noch das charakteristische, bandartig gegliederte Fassadenbild, das sich durch die aneinandergereihten Fenster und die durchlaufenden profilierten Sohlbankgesimse (Brustriegel) ergibt. Ein eichener Schwellenkranz, zu dem sich teilweise noch die mit Holznägeln gesicherten Schwellenschlösser erhalten haben (Zwischenwand Stube/Nebenstube, Zwischenwand Wohnteil/Scheune), bildet über einem niedrigen Mauersockel die Basis für das weitgehend intakte Ständergefüge. Die Füllungen bestehen aus liegenden Bohlen, am Fensterband des Obergadens aus stehenden Bohlen. Teilweise ist die Fassade mit stehenden Brettern und einer Felderung verkleidet. Der Hauseingang besitzt ein einfaches Türblatt mit aufgedoppeltem Rahmen und ein niedriges Oberlicht. Daneben folgen die Stube mit einer dreiteiligen und die Nebenstube mit einer zweiteiligen Fenstergruppe. Die in sechs Felder sprossierten Fenster mit Winkelbändern und Reibern sind mit Lüftungsflügelchen ausgestattet. Die etwas niedriger dimensionierten Fenster am Obergaden waren jeweils zu zweit angeordnet. Von den ehemals vier Fenstern mit Schiebeflügeln und bleigefassten Scheiben hat sich eines an Ort erhalten, die anderen wurden mit weiteren Füllungen ausgebaut und die Öffnungen mit Drahtgeflecht verschlossen. Der zur Anhebung des Dachs ergänzte Kniestock ist am Wohn- und Ökonomieteil wie die Heubühne mit einer vertikalen Verbretterung versehen. Die einschliesslich Kniestock gemauerte Nordwestfassade zeigt neben dem Tenn einen Hinterausgang und an beiden Geschossen zwei hochrechteckige Einzelfenster.
Die Aufkammerung im Wohnteil folgt einem geläufigen Schema mit quer zum First durchlaufendem Gang, Stube und Nebenstube im Vorder- sowie Küche und Nebenkammer im Hinterhaus. Der niedrige Obergaden ist analog gegliedert. In den Stuben, die heute eine räumliche Einheit bilden, sind die Wände mit stehenden, teils überschobenen Brettern und Deckleisten täferartig gestaltet, ebenso die Sichtbalkendecken. Die Füllungstür zwischen Gang und Stube stammt aus dem 19. Jh. In der Bausubstanz nahezu unverändert präsentiert sich der niedrige Obergaden. Das Gebälk zeigt hier starke Rauchschwärzung aus der Zeit, als noch in einer zum Dach hin offenen Rauchküche Feuer gemacht wurde. Erhalten hat sich auch die geflochtene und mit Lehm verputzte Feuerwand. Die unverkleideten Wandfüllungen bestehen aus teils stehenden, teils liegenden Brettern. Dazu sind einzelne bauzeitliche Brettertüren mit handgeschmiedeten Langbändern vorhanden. Die mit einem Zementfussboden ausgestattete Küche bewahrt noch den alten Eisenherd. Eine Falltür öffnet auf den steinernen Treppenabgang zum Keller. Der winkelförmige Raum, der sich unter der Küche und den beiden Stuben erstreckt, weist eine Balkendecke auf, die an vielen Stellen durch nachträglich unterschobene, hölzerne Pfeiler abgestützt wird. Der Bereich der Nebenkammer ist nicht unterkellert.
An das frühere Strohdach des Bauernhauses erinnern die noch vorhandenen grundlegenden Tragelemente der Dachkonstruktion: vier Hochstüde mit First, Unterfirst, Sperrrafen und Windstreben. Die Rafen wurden fast alle ersetzt.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Die Angaben zu den Eigentümern und zum Gebäude sind den Brandkatastern entnommen: Staatsarchiv Aargau, AG 50.526 (Vers.Nr. 45A/B): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1829-1849; CA.0001/0390 (Vers.Nr. 56A/B): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1850-1874; CA.0001/0391 (Vers.Nr. 59A/B): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1875-1898; CA.0001/0392 (Vers.Nr. 86A/B): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1899-1938.
[2] Die aus dem Brandkataster von 1829 zitierte Beschreibung dürfte sich in Übereinstimmung mit dem Wortlaut bei vergleichbaren Beispielen auf das vorliegende Bauernhaus beziehen, auch wenn der Eintrag den nordöstlichen Gebäudeteil (Vers.-Nr. 45B) miteinschliesst.
[3] 1834 wurden gemäss Brandkataster gleich fünf "Pottaschenbrennhütten" errichtet, die alle unterschiedliche Eigentümer hatten. Wozu man die Pottasche im konkreten Fall gewann, ist nicht bekannt. Im frühen 19. Jh. dürfte v.a. die Herstellung von Glas, Seifen oder Düngemitteln im Vordergrund gestanden haben.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, AG 50.526: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1829-1849; CA.0001/0390-0392: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1850-1938.
 

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