INV-GRA903 Gasthof zum Löwen, 1723 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-GRA903
Signatur Archivplan:GRA903
Titel:Gasthof zum Löwen
Bezirk:Aarau
Gemeinde:Gränichen
Ortsteil / Weiler / Flurname:Dorf
Adresse:Vorstadtstrasse 1
Versicherungs-Nr.:1
Parzellen-Nr.:1155
Koordinate E:2649652
Koordinate N:1245740

Chronologie

Entstehungszeitraum:1723
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Gasthaus, Gasthof

Dokumentation

Würdigung:Der stattliche, dreigeschossig aufragende Landgasthof "Löwen" wurde 1723 vermutlich durch die auf Schloss Wildegg residierende Familie der Effinger erstellt. Mit seiner prächtigen hölzernen Giebelfassade, welche durch ihre eigenwillige Farbgebung an ein Fachwerk erinnert, sowie dem bernisch geprägten Gehrschilddach nimmt es eine prägende Stellung im Ortsbild ein. Als eigentliches Prunkstück hat sich im zweiten Obergeschoss ein prächtiger Kachelofen von 1738 erhalten, der aufgrund der Signatur dem Murianer Hafner und Ofenmaler Strebel zuzuschreiben ist. Darüber hinaus sind noch diverse Ausstattungselemente aus dem früheren 19. Jahrhundert vorhanden. Insgesamt kommt dem Gasthof "Löwen" für die Gemeinde ein überaus hoher bau- und lokalgeschichtlicher Zeugenwert zu. Wichtiger Bestandteil der Gastwirtschaft war von alters her die nordwestlich gelegene Löwenscheune (Bauinventarobjekt GRA908).
Bau- und Nutzungsgeschichte:1647 erhielt Michel Frey vom Berner Rat das Tavernenrecht für sein neu errichtetes Haus an der Landstrasse, an einem "denen fuhrlüthen und anderen durchpassierenden personen wohl gelegenen orth" [1]. Freys Nachfolger Bernhard Zehnder ist in den Akten erstmals als Löwenwirt nachgewiesen. Auf Zehnder folgte Alberch Kull aus Niederlenz, welcher aber 1720 in Konkurs ging. Die einflussreiche Familie der Effinger zu Wildegg ist in den Akten erstmals 1743 als Besitzerin des "Löwen" bezeugt, doch darf davon ausgegangen werden, dass sie bereits 1723 als Bauherrin des damals neu errichteten Gasthauses auftrat. Ob das neue Gebäude an den Standort des Vorgängerbaus zu stehen kam, ist heute nicht mehr festzustellen.
1797 verkaufte Junker Bernhard Sigmund Effinger das Wirthaus samt Tavernen-, Metzger- und Bäckerrecht für 13'000 Gulden an den Gränicher Hans Georg Stirnemann, der bis dahin Lehenwirt im Gasthof Kreuz zu Suhr gewesen war. Im ersten Brandkataster von 1809 werden Jacob und Georg Stirnemann gemeinsam als Eigentümer des "Tavernen Wirtshauses zum Löwen, drei Gemach hoch, von Holz aufgebauwen, gewölbter Keller mit Ziegel gedekt" aufgeführt [2]. Diverse Erhöhungen des Versicherungswertes im früheren 19. Jh. lassen auf sukzessive bauliche Veränderungen und Erneuerungen schliessen. Damals dürfte eine teilweise Aufmauerung der Aussenwände stattgefunden haben (südwestliche Traufseite), denn schon im Brandkatastereintrag von 1828 ist von einem Haus "von Holz und Stein" die Rede.
Wie auf einer historischen Fotoaufnahme von 1893 zu ersehen ist, befand sich die Gaststube des "Löwen" ursprünglich im ersten Obergeschoss und war an der platzseitigen Giebelfront über eine doppelläufige Freitreppe mit Holzbalustrade zugänglich (vgl. Bilddokumentation). Erst nach 1900 wurde die Gastwirtschaft ins ursprünglich wohl als Lagerraum oder Pferdestallung genutzte Erdgeschoss verlegt. Im Verlauf des 20. Jh. erfolgten weitere bauliche Veränderungen, insbesondere die Ummauerung der rückwärtigen Giebellaube.
Beschreibung:Der Gasthof "Löwen" erhebt sich als behäbiger dreigeschossiger Baukörper in ortsbaulich prominenter Lage an der Verzweigung von Unterdorf- und Vorstadtstrasse. Das Sockelgeschoss und die nachträglich umgestaltete südwestliche Trauffassade wie auch die jüngere Hausrückseite sind in Mauerwerk aufgeführt, wogegen die südöstliche, platzseitige Eingangsfront wie auch die nordöstliche Trauffassade noch in der ursprünglichen Form als Ständerkonstruktion mit stehenden Bohlenfüllungen erhalten sind. Das Gebäude ruht unter einem mächtigen geknickten Gehrschilddach, welches auf spiralförmig gedrehte Büge in Rot-Weiss-Fassung abgestützt ist. Eindrücklich präsentiert sich das Dachgerüst als kräftige Sparrenkonstruktion mit doppeltem liegendem Stuhl, verstärkt durch eine mittlere Stützenreihe.
Mit Ausnahme des umgebauten Parterres bietet die im bauzeitlichen Zustand erhaltene südöstliche Schauffront mit ihrem symmetrischen fünfachsigen Aufbau einen prächtigen Anblick. Die durch einen Mittelpfosten geteilten Fenster weisen zum Teil im zweiten Obergeschoss und am Giebelfeld noch die originalen, feingliedrig gesprossten Fenster auf. An der gleichermassen axialsymmetrisch aufgebauten nordöstlichen Trauffassade kommen wegen der fehlenden Klappläden die geschweiften Kopfhölzer in ihrer dekorativen Wirkung besonders schön zur Geltung. Eine erwähnenswerte Kuriosität bildet das Gesamterscheinungsbild des Hauses, indem der Holzbau durch die kontrastierende Farbgebung von Rahmenwerk und Füllungen das Bild eines stattlichen Fachwerkhauses erweckt [3].
Der Zugang zu den ursprünglich im ersten Obergeschoss liegenden Gaststuben erfolgte wie bereits erwähnt über eine grosszügige zweiläufige Freitreppe und einen durchlaufenden Längsmittelgang. Das zweite Obergeschoss war von der rückwärtigen Laube her erschlossen, und ein Stichgang mit Treppe führte hinauf ins Dachgeschoss.
Ausstattung aus der Bauzeit des Hauses findet sich hauptsächlich noch im zweiten Obergeschoss. Besondere Beachtung verdient ein prächtiger grüner Kachelofen mit der Jahreszahl 1738 und den Initialen "HHB ST" am Fries, welche einem nicht näher bekannten Hafner und Ofenmaler Strebel aus Muri zugeschrieben wird [4]. Die grünen Füllkacheln besitzen ein reliefartig vertieftes ovales Mittelfeld. Der helle, blau bemalte Zierfries zeigt in Rahmen gesetzte Landschaften, Tier- und Menschengestalten, gesäumt von üppigen Akanthusblättern. Die Ecken werden von gewundenen Reliefsäulen mit Basis und Kapitell ausgezeichnet. Dem Kastenofen war als grosse Rarität wohl von Beginn weg ein offenes Cheminée angegliedert. Im gleichen Raum hat sich an der Decke ein originales Brettertäfer mit Felderteilung durch schmale, profilierte Deckleisten erhalten. Aus der Bauzeit des Hauses dürften auch einige Brettertüren mit aussen aufgedoppeltem Rahmenwerk im Flur des zweiten Obergeschosses stammen.
Vermutlich einer Umbauphase um 1820/30 zuzuordnen ist eine Gipsdecke mit Empire-Stuckmedaillon im nordwestlichen Saal des zweiten Obergeschosses. Wohl in die gleiche Zeit geht die Ausstattung des nordöstlichen, wohl nachträglich unterteilten Raumes zurück. Die Stuckdecke ist hier mit reich profilierten Gesimsen und einem rechteckigen Spiegel mit Eckmotiven versehen und gestalterisch auf das einfache hölzerne Wandtäfer abgestimmt. Die zweistufige Sitzkunst mit blauen Füll- und weissen Frieskacheln dürfte hingegen aus dem späteren 19. Jh. stammen (Inneres gemäss Kurzinventar von 1991).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Einzelelement, Erhaltungsziel A.
Anmerkungen:[1] Zur Geschichte des Gasthofs "Löwen" vgl. Steiner 1989/90, S. 64-66. Zu den Gasthäusern in Gränichen siehe auch Byland 1963, S. 97-102; Widmer-Dean 2003, S. 469-471.
[2] Staatsarchiv Aargau, ZwA 1936.0001/0209-0211: Brandkataster Gränichen 1809-1899.
[3] Vgl. Räber 2002, S. 56, 57.
[4] Darstellung des Ofens bei Räber 2002, S. 196-197. Eine ähnliche Ausführung zeigen ein mit 1730 datierter und den Monogrammen HIH ST (lig.) versehener Kachelofen in Muri und ein 1738 datierter und mit "HB ST" signierter Ofen auf Schloss Wildegg (Frey 1931, S.158). Aus derselben Manufaktur könnte auch der mit "HIH ST 1719" signierte Ofen im Suhrer "Salzhof" stammen (Stettler 1948, S. 178, 180).
Literatur:- Peter Steiner, die alten Gasthäuser im Wynental und seiner Umgebung, in: Jahresschrift der Historischen Vereinigung Wynental 1989/90, S. 1-102.
- Max Byland, Alt-Gränichen, Bilder aus der Dorfgeschichte, Gränichen 1963.
- Markus Widmer-Dean, Dorfgeschichte Gränichen, Gränichen 2003.
- Gränichen, Bilder aus der Vergangenheit, Gränichen 1984.
- Kurt Frey, Zur Geschichte der aargauischen Keramik des 15. bis 19. Jh., in: Festschrift für Hans Lehmann (ASA 1931), S.159.
- Michael Stettler, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 1: Die Bezirke Aarau, Kulm, Zofingen, Basel 1948.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2: Fricktal und Berner Aargau, Baden 2002.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 48.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, ZwA 1936.0001/0209-0211: Brandkataster Gränichen 1809-1899; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0016: Brandkataster Gränichen 1899-1938.
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
DOK-GRA839.004 Gasthof Löwen (=GRA903), Keine Angabe (Dossier (Dokumentationsobjekte))
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=35724
 

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