INV-HAU905 "Dahlihaus", 1560 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-HAU905
Signatur Archivplan:HAU905
Titel:"Dahlihaus"
Bezirk:Brugg
Gemeinde:Hausen (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Dorf
Adresse:Holzgasse 13, Heuweg 1, Spittelgässli 4a/b/c
Versicherungs-Nr.:77A-D, 99
Parzellen-Nr.:834
Koordinate E:2658148
Koordinate N:1257086

Chronologie

Entstehungszeitraum:1560
Grundlage Datierung:Dendrochronologische Analyse

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Inschriften:"1621" oder "1624" (ehemals, Standort?)
Würdigung:1560 erbautes, ursprünglich in Ständerbauweise aufgeführtes und mit Stroh eingedecktes Hochstudhaus, das 1748 in Firstrichtung verlängert wurde und wohl im Lauf des 19. Jahrhunderts seine heutigen verputzten Fassaden erhielt. Die komplexe, für den Haustypus durchaus beispielhafte Baugeschichte mit mehreren sukzessiven Umwandlungsschritten konnte durch eine bauarchäologische Untersuchung samt dendrochronologischer Altersbestimmung (Jahrringmethode) geklärt werden. Der drei Hochstüde (Firstständer) umfassende Kernbau nimmt die Westseite ein und wurde nachträglich um einen vierten Hochstud nach Osten erweitert. Wahrscheinlich seit diesem Zeitpunkt ist der bäuerliche Vielzweckbau als Doppelwohnhaus mit mittigem Ökonomieteil zwischen zwei aussenliegenden Wohnteilen organisiert. Nachdem das Haus lange Zeit abbruchgefährdet war, setzte sich zunächst ein Verein «Pro Dahlihaus» für die Erhaltung ein. Dank dem Engagement eines neuen Privateigentümers konnte das Gebäude schliesslich 2018/19 unter weitgehendem Erhalt des konstruktiven Grundgerüsts und wesentlicher Teile der historischen Bausubstanz einer zeitgemässen Wohnnutzung zugänglich gemacht werden.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Mithilfe einer bauarchäologischen Untersuchung konnten die Entstehung und sukzessive Erweiterung des bestehenden Gebäudes detailliert nachvollzogen werden [1]. Den Kernbau bildet ein drei Hochstüde (Firstständer) umfassendes ehemaliges Strohdachhaus, das dendrochronologisch (Jahrringmethode) auf 1560 datiert werden konnte (Fälljahr 1559/60). Bemerkenswert ist, dass es damit nur ein Jahr nach dem deutlich stattlicheren Nachbarhaus Holzgasse 7-11 (ehem. Bauinventarobjekt HAU904, abgebrochen 2015) errichtet wurde [2]. Sukzessive wurde der westseitig gelegene Wohnteil des Kernbaus umgebaut, indem man ihn, wiederum gemäss dendrochronologischer Datierung, 1605/06 zunächst unter den stirnseitigen Dachvorsprung erweiterte und im Inneren umgestaltete. Vermutlich gleichzeitig entstand ein gemauerter Einbau in der Art eines «Stocks» (feuersicherer Raum in Strohdachhäusern) an der Südseite [3]. 1622 erfolgte wohl der Einbau einer Decke sowie einer Rauchhurd über der zuvor doppelgeschossig offenen Rauchküche. Auf diese Umbauphase dürfte sich eine Jahrzahl beziehen, die ehemals an einem oder sogar mehreren Balken lesbar gewesen sein soll und die uneinheitlich mit 1621 oder 1624 angegeben wird [4]. 1749 wurde das Gebäude gemäss dendrochronologischer Datierung (Fälljahr 1748/49) in östlicher Richtung um einen vierten Hochstud verlängert und erhielt wohl zu diesem Zeitpunkt einen zweiten, ostseitigen Wohnteil.
Im ersten Brandkatastereintrag von 1809 ist das Gebäude als «einstökiges hölzernes Haus mit Stroh gedeckt» beschrieben, das damals auf vier Parteien aufgeteilt war [5]. Bei einem 1825 erstmals erwähnten und später regelmässig aufgeführten «Anbau» könnte es sich um den mittigen Quergiebel vor der südlichen Längsseite handeln. Der ausführlichere Eintrag von 1829 spricht gar von einem «zweistöckigen Wohnhaus mit 5 Wohnungen samt Scheuerwerk und kleinem Anbau, in 1 Tenn und 3 Ställen bestehend, von Holz, auch etwas weniges von Stein, Rieg und Hurd, mit Strohdach, nebst einem Tremkeller». Eigentumsrechtlich war das Gebäude allerdings weiterhin auf vier Parteien aufgeteilt, ein Zustand, der in der Folge denn auch erhalten blieb. Unter den Eigentümern tauchen die Familiennamen Dahli und Schaffner kontinuierlich über das ganze 19. Jh. hinweg auf, während andere Namen nur für jeweils kürzere Zeit genannt werden. Durchgehend im Eigentum von Mitgliedern der Familie Dahli, welche dem Haus auch den allgemein gebräuchlichen Namen gab, blieb der Kernbau. Im ersten Eintrag von 1809 wird hier Johannes Dahli als Eigentümer aufgeführt; zuletzt wurde der Hausteil bis zu dessen Tod 1964 von Hans Dahli bewohnt, einem ledig gebliebenen Kleinbauern und Taglöhner, der als Dorforiginal in Hausen lebhaft in Erinnerung geblieben ist [6].
Im Lauf des 19. Jh. erfuhren die einzelnen Wohnungen die zeittypischen baulichen Veränderungen, indem man die ursprünglich rein hölzernen Aussenwände sukzessive durch Bruchsteinmauern sowie Fachwerk ersetzte und das Innere den veränderten Bedürfnissen anpasste. Für die Stubenfront sowie die Wohnräume des Kernbaus lassen sich diese Umgestaltungen anhand einer im Brandkataster eingetragenen «Verbesserung von Ausbau und Fassade» auf 1885 datieren [7]. 1908 wurde das freistehende Nebengebäude auf der Nordseite (Vers.-Nr. 99) als «Schreinereiwerkstatt» für den im Nordostteil des Hauses wohnhaften Jakob Haller neu errichtet. 1918 erfolgte die Umdeckung des Strohdachhauses auf Ziegel. 1937 entstand der südöstliche Quergiebelanbau [8].
Seit 1964 waren der Kernbau und später auch die weiteren Hausteile unbewohnt. Eine Brandstiftung im Jahr 1993 richtete nicht allzu grossen Schaden an [9]. Seit 2012 fand eine intensive öffentliche Diskussion um die Zukunft des Gebäudes statt, das sich damals im Eigentum der Einwohnergemeinde befand [10]. Während von verschiedener Seite ein Abbruch favorisiert wurde, setzte sich der Verein «Pro Dahlihaus» für die Erhaltung des Gebäudes ein. Auftrieb erhielt das Anliegen durch zwei Abbrüche von Hochstudhäusern in unmittelbarer Nachbarschaft. Dank dem Engagement eines neuen Privateigentümers konnte das Gebäude schliesslich vor demselben Schicksal bewahrt werden. 2018/19 wurde es renoviert und als Wohnhaus für vier Parteien hergerichtet, wobei die historische Bausubstanz aus den verschiedenen Bauphasen des Gebäudes zu einem wesentlichen Teil erhalten blieb und gleichzeitig durch historische Bauteile anderer Herkunft ergänzt wurde.
Beschreibung:Das Gebäude, das am charakteristisch steilen und weit herabgezogenen Vollwalmdach als ehemals strohgedecktes Hochstudhaus zu erkennen ist, erhebt sich leicht zurückversetzt auf der Südseite der Holzgasse. Zusammen mit dem unmittelbar gegenüber gelegenen Hochstudhaus Holzgasse 12/14 (Bauinventarobjekt HAU902) bildet es den Überrest einer einst kompakten, heute aber stark dezimierten Bebauung von längs zur Strasse ausgerichteten Hochstudhäusern an der Holzgasse, die als Wegverbindung vom Lindhof nach Habsburg in früher Zeit wohl eine grosse Bedeutung hatte [11]. Im Vergleich zum ausnehmend stattlichen Haus Holzgasse 12/14 wie auch dem 2015 abgebrochenen Nachbarhaus Holzgasse 7-11 (ehem. Bauinventarobjekt HAU904) präsentiert es sich in der Dimensionierung wie auch der Konstruktion deutlich einfacher und verweist damit auf die eher mittelständischen Verhältnissen seiner Erbauer [12]. Der Kernbau umfasst die drei westlichen Hochstüde (Firstständer) des bestehenden Gebäudes. Er dürfte bereits ursprünglich als bäuerlicher Vielzweckbau mit westseitigem Wohnteil und östlich daran anschliessendem Scheunentrakt bestanden haben (vgl. die Aufnahmepläne in der Bilddokumentation). Ein vierter, ostseitiger Hochstud gehört zu einer Erweiterung von 1748, mit der das Gebäude zu einem Doppelhaus mit aussenliegenden Wohnteilen und mittiger, unter den Parteien aufgeteilter Ökonomie wurde. Das Dachgerüst zeigte bis zum aktuellen Umbau eine starke Russschwärzung, was auf die Existenz einer offenen Rauchküche hinweist. Im Bereich des Kernbaus ist die Konstruktion mit auffallend langen und filigranen Windstreben verstärkt. An First und Unterfirst ist die Ansatzstelle der Erweiterung von 1748 deutlich zu erkennen, wobei der ergänzte Hochstud auf einem Wandständer des Kernbaus aufsetzt.
Das Gebäude bewahrt auch nach dem kürzlich abgeschlossenen Umbau noch seine weitgehend intakte äussere Gestalt mit dem abgewalmten Dach und den von Umbauten des 19. Jh. geprägten Fassadenoberflächen, welche die frühere Nutzungsabfolge mit aussenliegenden Wohnteilen und mittiger Ökonomie erkennen lassen. Das Dach wurde zur Belichtung der Wohnungen teilweise zurückgeschnitten und insbesondere an der nach Süden orientierten Rückseite mit Schlepplukarnen versehen, während es strassenseitig weitgehend geschlossen bleibt. Es ist heute mit Falzziegeln eingedeckt. Die Fassadenoberflächen wurden gemäss dem früheren Zustand erneuert. Der westseitig gelegene Kernbau zeigt an der nach Norden zur Strasse gerichteten Stubenfront eine zeittypische spätklassizistische Einzelbefensterung von 1885, wobei der Hauseingang in ungewöhnlicher Disposition direkt in die Stube führte. Der östliche Wohnteil ist mit Einzel- und Doppelfenstern in unregelmässiger Anordnung versehen. Der heute zu Wohnzwecken ausgebaute Ökonomieteil zeigt an der Nordfassade eine erneuerte Bretterverschalung. Das Tenntor wurde mit einer Vollverglasung versehen, die mit Torflügeln entsprechend dem früheren Zustand verschlossen werden kann.
Am Obergeschoss der Rückfront hat sich eine alte Bohlenständerwand sichtbar erhalten. Gut zu erkennen ist hier das mit überblatteten Kopfhölzern ausgesteifte Ständergerüst. Die Erdgeschossfronten wurden im 19. Jh. in Fachwerk erneuert, das teils mit einem Rutenflechtwerk, teils mit eingenuteten Jungtannenstämmchen gefüllt ist. Zwei Anbauten auf der Südseite zeugen von sukzessiven Anpassungen an den steigenden Raumbedarf. Der mittige Quergiebeltrakt mit dem steilen Satteldach dürfte im frühen 19. Jh. entstanden sein; unmittelbar an dessen Aussenmauern schliesst der südostseitige Anbau von 1937 an.
Der Wohnteil des westseitigen Kernbaus teilte sich vielleicht seit jeher in eine südseitige Küche und eine nordseitige, zur Strasse orientierte Stube. Die westseitig anschliessende Nebenstube befand sich bereits in einem Anbau aus der ersten Erweiterungsphase von 1605/06. Östlich an die Küche schloss der wohl nachträglich erstellte «Stock» an, der als feuersicherer, unterkellerter Raum in das ursprünglich rein hölzerne Gefüge eingriff. Ein Treppenaufgang führte direkt von der Küche ins Obergeschoss. Beim Umbau wurden im Wohnteil des Kernbaus das Täfer sowie einzelne Binnenwände entfernt und die Geschosstreppe verlegt. Der grüne Kachelofen wurde mit den alten Kacheln neu aufgesetzt (Sitzkunst mit Frieskacheln anderer Herkunft aus dem frühen 19. Jh. ergänzt). Drei Hafnerinschriften, von denen zwei «Franz Sommerauer, Hafner zu Brugg, 1754» und eine «Johannes Sommerauer, 1704» lautete, lassen vermuten, dass der Kastenofen bereits in der Umbauphase von 1885 aus älteren Kacheln neu aufgesetzt worden war. Die ebenfalls grüne Sitzkunst stammt aus der Zeit um 1900. Im Obergaden über der Küche ist eine gut erhaltene Bohlenwand einsehbar. Im ehemaligen Tenn wurde die alte Bohlenwand zum Stall samt Einfütterungsöffnungen wieder eingesetzt. Die Hochstudkonstruktion ist in den bis unter den First ausgebauten Dachräumen gut einsehbar. Der stark geschädigte zweite Hochstud von Westen wurde durch ein Stück aus dem abgebrochenen Nachbarhaus Holzgasse 7-11 ergänzt. In mehreren Räumen wurden historische Bauteile aus unterschiedlichen Zeitepochen und Gebäuden eingebaut.
Vor dem Haus erhebt sich hart an der Strasse ein zeittypisch gestaltetes, heute aber selten gewordenes gewerbliches Nebengebäude (Vers.-Nr. 99), bei dem es sich um eine ehemalige Schreinerwerkstätte von 1908 handelt und das nach seiner späteren Nutzung heute als «Schuhmacherhäuschen» bekannt ist. Der eingeschossige verputzte Mauerbau ist mit grossen Rechteckfenstern in Zementgussgewänden besetzt, die hölzerne Jalousieläden tragen. Er trägt ein quer zum Dach des Hauptgebäudes ausgerichtetes Satteldach.
Anmerkungen:[1] Baugeschichte nach: Bauarchäologische Untersuchung Kantonsarchäologie 2014 sowie Dendrochronologische Untersuchung R. Kontic 2014. Vgl. auch Gut 2015.
[2] Vgl. zu diesem abgebrochenen Objekt auch Gut 2015, S. 92-95.
[3] Vgl. zum Stockhaus Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002, S. 214f.
[4] Schaffner 1957, S. 35; Aargauer Tagblatt, 10.5.1993, S. 11.
[5] StAAG, Brandkataster Hausen.
[6] Dahlihaus 2019, S. 9-11.
[7] StAAG, Brandkataster Hausen.
[8] Dahlihaus 2019, S. 4.
[9] Aargauer Tagblatt, 10.5.1993, S. 11.
[10] Dahlihaus 2019.
[11] Vgl. Gut 2015, S. 99.
[12] Frühere Verhältnisse nach: Bauarchäologische Untersuchung Kantonsarchäologie 2014.
Literatur:- Aargauer Zeitung, 6.2.2020.
- Das Dahlihaus. 460-jähriges Hochstudhaus in Hausen schrieb Geschichte, Windisch [2019].
- Cecilie Gut, Hausens Hochstudhäuser, in: Brugger Neujahrsblätter, 125. Jg. (2015), S. 92-99, hier S. 96-99.
- Cecilie Gut, Hochstudbauten im Aargau. Typologische Entwicklung vom 16. bis 19. Jh., in: Die Schweiz von 1350 bis 1850 im Spiegel archäologischer Quellen, Basel 2018, S. 79-92, passim.
- Aargauer Tagblatt, 10.5.1993, S. 11.
- Jakob Schaffner, 700 Jahren Hausen bei Brugg, Hausen 1957, S. 35.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauarchäologische Untersuchung Kantonsarchäologie (Cecilie Gut), 2014 (Bericht Hus.014.2).
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Dendrochronologische Untersuchung dendron, R. Kontic, Basel, 2014.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotosammlung.
- Staatsarchiv Aargau (StAAG): ZwA 1942.0001, Bezirksamt Brugg, Brandkataster Gemeinde Hausen, 1809-1849; CA.0001/0138-0140, Brandkataster Gemeinde Hausen, 1850-1938 (alte Vers.-Nrn.: 1809: 34A-D, 1829: 47A-D, 1850: 62A-D, 1876: 69A-D).
 

Related units of description

Related units of description:siehe auch:
DOK-HAU839.005 Holzgasse 13, Dahli-Haus (=HAU905) (Dossier (Dokumentationsobjekte))
 

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