INV-HEL910 Gasthaus "zum Ochsen", 18. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-HEL910
Signatur Archivplan:HEL910
Titel:Gasthaus "zum Ochsen"
Bezirk:Rheinfelden
Gemeinde:Hellikon
Ortsteil / Weiler / Flurname:Tempel
Adresse:Rebmatt 1
Versicherungs-Nr.:111
Parzellen-Nr.:184
Koordinate E:2636651
Koordinate N:1262270

Chronologie

Entstehungszeitraum:18th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Gasthaus, Gasthof
Epoche / Baustil (Stufe 3):Biedermeier

Dokumentation

Inschriften:"FH 1831" (Schlussstein Hauseingang)
Würdigung:Im späteren 18. Jahrhundert errichteter und nachträglich nach beiden Seiten erweiterter Vielzweckbau, der bis zur Schliessung im Jahr 1994 das Gasthaus «zum Ochsen» beherbergte. Der mächtige, langgestreckte Mauerbau erhielt mit einem Umbau von 1831 und einer wohl gleichzeitigen Verlängerung nach Süden sein heutiges Aussehen. Er zeigt eine schöne klassizistisch-biedermeierliche Trauffront mit regelmässiger Einzelbefensterung und grossem korbbogigen Tenntor; noch vom barocken Kernbau zeugt dagegen die Stichbogenbefensterung an der talwärts gerichteten Westseite. Das äusserlich weitgehend intakt erhaltene Gebäude bewahrt auch noch ein biedermeierliches Türblatt und ein mit dem Sonnenrad-Motiv verzierte Tenntor aus der Zeit des Umbaus von 1831. Im Inneren sind die Grundkonstruktion aus den verschiedenen Bauphasen sowie Reste der alten Ausstattung erhalten. Mit seiner prägenden Stellung im haufenförmigen Ortskern von Hellikon kommt dem «Ochsen» ein hoher Situationswert zu. Als altehrwürdiger Gasthof kann er zudem lokalhistorische Bedeutung beanspruchen.
Bau- und Nutzungsgeschichte:1784 ersteigerte Franz Xaver (I) Hertzog, Bruder des amtierenden Vogts und Stabhalters (vorderösterreichischer Ortsvorsteher), das einzige Tavernenrecht von Hellikon, das in der Folge auf der Liegenschaft verblieb [1]. Zumal der Kernbau mit den Stichbogenfenstern und dem Dachgerüst in einen ähnliche Zeitraum weist, könnte das Gebäude in diesem Zusammenhang neu errichtet worden sein. Vielleicht nur wenig später wurde es nach Ausweis der ähnlichen Dachkonstruktion nach Norden verlängert. Von Hertzog, der im Dorf als «Metzgerfranz» bekannt war, ging das Gasthaus auf seinen gleichnamigen Sohn über, welcher das Gebäude gemäss Inschrift (Initialen «FH» und Jahrzahl) am Türsturz des Hauseingangs 1831 umbauen liess. Dabei erhielt das Haus zweifellos seine bergseitige, biedermeierlich geprägte Trauffront mit axial bezogenen Rechteckfenstern und korbbogigem Tenntor. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde es zudem um eine Fensterachse nach Süden verlängert, wie es sich dies an einer Baunaht im Dachgerüst abzeichnet. Im ersten verfügbaren Brandkatastereintrag von 1850 wird das Gebäude als «Tavernenwirtshaus zum Ochsen mit Bäckerei samt Scheuer, 2 Ställen, Wagen- und Schweinestallschopf, von Stein, 2 u. 3 Stock hoch, 3 Trem- und 1 gewölbter Keller, mit Ziegeldach» beschrieben [2].
Nachdem sich wirtschaftliche Schwierigkeiten bereits seit 1833 gezeigt hatten, folgten sich 1841 und 1855 zwei konkursamtliche Steigerungen sowie zwei weitere Handänderungen, wobei das Gasthaus ohne den früheren Landbesitz jeweils im Besitz von Mitgliedern der drei miteinander verschwägerten Familien Hertzog, Schlienger und Meier verblieb. 1863 ging die Liegenschaft an Johann Baptist Mösch aus Gipf und 1881 an Theodor Hasler über, unter dessen Nachkommen das Gasthaus lange verblieb. Zuletzt wirtete die mit der Familie verschwägerte Myrtha Meier bis zur Schliessung 1994 auf dem «Ochsen».
Seit 2003 wird das Gebäude als Wohnhaus genutzt. Ein Innenumbau des Erdgeschosses fand 2009 statt.
Beschreibung:Das Gasthaus «zum Ochsen» ist mit seinem grossvolumigen und langgestreckten Baukörper längs zum Hang ausgerichtet und stösst damit in ortsbildprägender Lage quer an die nach ihm benannte Gasse. Bei dieser handelt es sich um einen Teil des alten Hauptstrassenzugs, der bis zur Anlage der Talstrasse im Jahr 1867 wegen des sumpfigen, immer wieder überschwemmten Talgrunds dem Hangfuss entlang führte [3]. Der zweigeschossige verputzte Mauerbau, der sich über einem talseitig geschosshoch freiliegenden Kellersockel erhebt, entspricht typologisch einem bäuerlichen Vielzweckbau. Er liegt unter einem durchgehenden, unregelmässig geknickten Satteldach, das über der südöstlichen Stirnfront mit einem Teilwalm schliesst.
Vom Umbau des Jahres 1831 zeugt insbesondere die klassizistisch-biedermeierlich gestaltete nordostseitige Trauffront, die unter einer weit vorgezogenen, verbretterten Dachuntersicht liegt. Der Wohnteil ist hier mit vier Achsen schlichter rechteckiger Falzfenster gegliedert, die hölzerne Jalousieläden besitzen. Der Hauseingang, der von einem fein profilierten Rechteckgewände gerahmt wird, trägt am Schlussstein die Jahrzahl 1831 sowie die Initialen «FH» (unwahrscheinlicher «IH») samt Metzgerbeil. Er besitzt noch das zeittypisch schlichte, aussen rahmenförmig aufgedoppelte Türblatt aus der Bauzeit samt Oblicht. Seine Lage in der zweiten Achse von Süden entspricht der äussersten Achse des Kernbaus und lässt sich wohl mit der nachträglichen Erweiterung des Gebäudes erklären. Der nördlich anschliessende Scheunentrakt öffnet sich mit einem grossen, korbbogigen Tenntor, dessen Gewände mit Kämpfern und Schlussstein akzentuiert ist. Erhalten haben sich auch die bauzeitlichen Torflügel mit Mannstür und Bogenfeld mit regionaltypischem Sonnenradmotiv. Der Stallfront ist eine alte vertikale Deckleistenverbretterung vorgeblendet. In der Heubühnenwand öffnen sich vier gleichfalls mit aufwendigen Gewänden versehene Lüftungsschlitze, von denen jene über dem Tenntor in seltenerer Form horizontal angeordnet sind.
Die südöstliche Stirnfront ist in drei Achsen ebenfalls mit Rechteckfenstern versehen. Demgegenüber zeigt die talseitige, westliche Trauffassade noch barocke Segmentbogenfenster, wobei die vom Kernbau stammende Form hier offenbar auch für die nachträglich angefügte südlichste Fensterachse übernommen wurde. An der Stirnseite liegt, durch die ausgesprochene Hanglage bedingt, ein ebenerdiger Kellereingang. Der Besenwurfverputz mit eingeritzter Eckquaderung stammt aus dem früheren 20. Jh. Auf beiden Seiten sind grosse Schriftfelder mit dem Namen des Gasthauses ausgespart, wobei insbesondere das talseitige eine schöne, noch vom Jugendstil geprägte Typografie zeigt. Offenbar etwas älter ist gemäss einer Fotografie aus dem frühen 20. Jh. die Putzquaderung des Sockelgeschosses. An der Südostecke des Hauses hängt noch ein naiv-einfaches biedermeierliches Wirtshausschild mit dem Emblem des Ochsen, das vielleicht noch aus der Zeit um 1831 stammt. Die Stirnseite des Ökonomieteils ist spärlich mit Einzelfenstern versehen. Im Giebel öffnet sich eine kreisrunde Lüftungsöffnung mit radial vermauerten Backsteinen. An der Nordostseite ist unter abgeschleppter Dachfläche ein Schopf angebaut, wohl der ehemalige Schweinestall.
Die Raumteilung im Inneren ist offensichtlich Resultat der sukzessiven Umgestaltungen. Hinter dem traufseitigen Eingang vermittelt ein kurzer Stichgang zur unregelmässig geformten ehemaligen Gaststube an der Stirnseite. Strassenseitig ist die Küche angeordnet, in die ein firstparalleler Treppenlauf ins Obergeschoss einschneidet. Talseits der Küche lagen ehemals mehrere Kammern, deren Zwischenwände in jüngerer Zeit entfernt wurden. Das Obergeschoss nimmt westseitig den ehemaligen Saal auf. Über einen Durchgang gelangt man hier in den Ökonomieteil, welcher auf der Höhe des Obergeschosses entlang der West- und der Nordseite ehemals auch Wohnräume umfasste. In der Gaststube haben sich ein quadratisches Feldertäfer aus dem frühen 20. Jh. und ein dunkelbrauner historistischer Kachelofen erhalten. Die übrigen Räume zeigen keine nennenswerte historische Ausstattung. An der Trennwand zwischen Wohnteil und Ökonomie liegt im Erdgeschoss heute die mächtige Fachwerkkonstruktion frei. Im obergeschossigen Saal wurde die Deckenverkleidung entfernt.
Eine bis zum First hinaufgezogene, massive Bruchsteinmauer an der Nordseite des Stalls sowie eine Baunaht im Dachgerüst an der Südseite dokumentieren die beidseitige Verlängerung eines ehemals kürzeren Kernbaus. Unter der südostseitigen Verlängerung liegt ein kleinerer, stirnseitig zugänglicher Balkenkeller. (Gewölbekeller nicht gesehen.) Das Sparrendach des Kernbaus ruht auf einem unteren liegenden und einem oberen stehenden Stuhl und ist mit seiner Konstruktion vor allem über dem Ökonomieteil eindrücklich zu erkennen. Im Bereich der nordseitigen Verlängerung setzt es sich ähnlich fort. Über die Länge der letzten südseitigen Fensterachse schliesst ein etwas jüngeres Sparrendach an, das sich auf einen deutlich höheren liegenden Stuhl abstützt.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Besitzergeschichte nach Dorfgeschichte 2009, S. 265-267.
[2] StAAG, Brandkataster Hellikon.
[3] Johannes Müller, Der Aargau. Seine politische, Rechts-, Kultur- und Sittengeschichte, Bd. 1, Zürich 1870, S. 578.
Literatur:- Die Dorfgeschichte von Hellikon, 1209-2009, Hellikon 2009, S. 265-267.
- Dieter Müller, Hellikon. Blick in ein Fricktaler Dorf, Wittnau 1978, S. 36ff.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0543-0545, Brandkataster Gemeinde Hellikon, 1850-1938 (alte Vers.-Nrn.: vor 1850: 73, 1850: 88, 1876: 100).
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Kunstdenkmäler-Archiv: ungekürztes Typoskript Kdm AG IX 2008.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Hellikon IX-1/10 (1997).
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=36534
 

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