INV-HOL901 Gasthaus zum Bären, "Hardwirtshaus", 1800 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-HOL901
Signatur Archivplan:HOL901
Titel:Gasthaus zum Bären, "Hardwirtshaus"
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Holziken
Adresse:Hauptstrasse 2
Versicherungs-Nr.:2
Parzellen-Nr.:335
Koordinate E:2645694
Koordinate N:1241070

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1800
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Gasthaus, Gasthof
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätbarock

Dokumentation

Würdigung:Das seit 1786 als Taverne bezeugte Gasthaus zum Bären bildet mit seinem hohen, steilen Walmdach und der schmucken, unter einem Querfirst zweigeschossig aufgeführten, verputzten Giebelfassade einen markanten Blickfang am südöstlichen Ortseingang. Seine originelle Dachform mit Quergiebelanbau erhielt der ursprünglich strohgedeckte und mehrheitlich hölzerne bäuerliche Vielzweckbau anlässlich einer Umgestaltung um 1800. Aus dieser Zeit stammt auch die spätbarocke Befensterung der Gaststube und des einstigen Tanzsaals. Das typologisch und baugeschichtlich interessante Gebäude wird über eine Ecklaube und ein bauzeitliches Rundbogentor erschlossen. Der daran anschliessende gemauerte Stock über Gewölbekeller wie auch die Hochstudkonstruktion sind dem Kernbau wohl aus dem 17. Jahrhundert zuzurechnen. Das Dach bewahrt noch die rauchgeschwärzte Dachkonstruktion mit drei Hochstüden, Verstrebungen und Teilen der Rafenlage. In den Gaststuben haben sich die profilierten Deckenbalken samt den zugehörigen breiten Einschubbrettern erhalten.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Bereits 1626 wird erstmals eine Holziker Wirtschaft erwähnt. Der Standort dieser Pintwirtschaft ist nicht bekannt. 1698 muss er aber bereits ausserhalb des Dorfkerns gelegen haben, wurde die Gemeinde als damalige Eigentümerin von der Berner Obrigkeit doch aufgefordert, die Wirtschaft "wieder ins Dorf und von den anderen Orten weg" zu setzen [1]. 1786 erhielt der Holziker Untervogt Bernhard Lüscher die Bewilligung, das Tavernenrecht seiner Wirtschaft in Safenwil nach Holziken zu übertragen, womit es nun möglich war, auch Mahlzeiten anzubieten und Gäste zu beherbergen. In diesem Zusammenhang soll das vorliegende Gebäude entstanden sein. Möglicherweise ging es aber auch durch Umbau aus einem Vorgängerbau des 17. Jh. hervor. Ein Indiz hierfür könnten der gemauerte Stock, die Reste einer alten Ständerkonstruktion mit eichenem Schwellenkranz sowie die Ausgestaltung der Hochstudkonstruktion sein. In der Zeit um 1800 wurde der hölzernen Stubenfront eine doppelgeschossige Putzfassade mit Ründegiebel unter Querfirst vorgesetzt. Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1829 ist das Gebäude verzeichnet als "Wirthshaus mit Bescheuerung von Stein, Rieg und Holz, mit theils Ziegel, theils Strohdach" [2]. 1850 lautet der Eintrag im Brandkataster erstmals auf "Tavernenwirtshaus zum Bären, von Mauer, Wickel, Rieg & Holz, 2 Stock hoch, gewölbter & Tremkeller, Ziegeldach und Strohdach mit Ziegelfirst". Weiter sind eine Scheune und eine doppelte Schweinstallung erwähnt [3].
Das Gasthaus befand sich bis 1887 im Eigentum der Gemeinde. Die Betreiber der Wirtschaft wechselten derweil in kurzer Folge. Für die Zeitspanne zwischen 1816 und 1919 sind fünfzehn Wirte überliefert. Kaspar Lüscher, Pintenwirt aus Hirschthal, war der erste private Eigentümer. Gemäss Brandkataster sorgte er 1894 mit baulichen Massnahmen für einen Wertanstieg des Gebäudes von 5'000 auf 7'200 Franken. 1899 ist Carl Lienhard als Eigentümer und Wirt aufgeführt; von ihm übernahm 1904 Jakob Zehnder-Gutknecht das Gasthaus samt der darin installierten Gemeindetelefonstation. Nach Zehnders Tod 1914 wirtete seine Tochter Luise bis 1919 weiter, wobei sie 1916 das Dach unter Beibehaltung der Hochstudkonstruktion von Stroh ganz auf Ziegel umdecken liess. 1919 gehörte die Wirtschaft kurz Jean Jacob Achlinger, Wirt in Schöftland, bevor sie noch im gleichen Jahr an den Bäcker Rudolf Klauenbösch, Rudolfs, wechselte. Im damaligen Brandkatastereintrag ist von einem "Wohnhaus und Scheune" die Rede, nur eine Randbemerkung zur Feuergefährlichkeit verweist auf den Tanzsaal, der sich im "Gaden" (Obergeschoss) befand. 1949-50 erfolgte eine umfassende Renovation, bei der die Scheune in einen Saal und der frühere Tanzsaal im Obergeschoss in drei Schlafzimmer umgewandelt wurde. Unter der heutigen Eigentümerschaft wurde 2010 die Wirtschaft im Erdgeschoss durch einen rückseitigen Anbau vergrössert und modernisiert. Kurz davor war bereits die Wand zwischen Stube und Nebenstube mit dem barock profilierten Türgewände entfernt worden [4]. Die durchgehende Balkendecke blieb dabei erhalten.
Beschreibung:Das am südöstlichen Ortseingang, unmittelbar an der Gemeindegrenze zu Hirschthal und Schöftland stehende Gasthaus zum Bären, nimm eine verkehrsgünstige Lage in der Gabelung der alten Verkehrswege von Schöftland nach Safenwil und Kölliken ein. Mit seinem hohen, steilen Walmdach bildet das ehemalige Strohdachhaus den markanten, von weither sichtbaren Auftakt der dörflichen Bebauung, welche bis ins mittlere 20. Jh. aus einer locker gestreuten Aufreihung von einzelnen Gebäuden oder Gebäudegruppen entlang der Strassen bestand. Der leicht schräg zum Strassenraum stehende Baukörper ist mit der Hauptfassade präzise nach Süden ausgerichtet, wobei der Wohn- und Gästetrakt die östliche Hälfte und der ehemalige Ökonomietrakt die westliche Hälfte des Gevierts einnimmt.
Von der Konzeption her vereint das Gasthaus zwei Haustypen: In der Grundanlage entspricht es einem bäuerlichen Vielzweckbau unter steilem Vollwalmdach (ehemaliges Strohdach) mit gemauertem Stock und Ecklaube. Die um 1800 überformte Stubenfront präsentiert sich währenddessen wie die Stirnseite eines giebelbetonten Vielweckbaus unter Halbwalmdach. Hierzu ist unter Ausbildung eines Querfirsts mit Halbwalm und verschalter Ründe eine zweigeschossige Fassade mit den Fenstern zu den Gaststuben im Erdgeschoss und zum Tanzsaal im Obergeschoss errichtet worden. Mit dieser Umgestaltung erhielt das zuvor allseitig unter dem tief herabgezogenen Strohdach geborgene Haus eine repräsentative, einladende Schauseite und gut belichtete Räume.
An die – mit Ausnahme des Stocks – ursprünglich hölzerne Bauweise erinnert noch die der Strasse zugewandte Schmalseite, welche ehemals die Aussenwand des Stalls bildete. Erhalten hat sich hier das in den eichenen Schwellenkranz eingezapfte bauzeitliche Ständergerüst mit Kopfhölzern und Bügen, während die Füllungen aus liegenden Bohlen allesamt erneuert wurden. Völlig umgestaltet präsentiert sich die Vorderfront des Ökonomieteils, der 1949-50 zu einem Saal umgenutzt wurde. In Analogie zum Wohnteil zeigt die gleichfalls verputzte Fassade eine Reihe von vier Fenstern und eine Tür mit Stichbogenabschluss [5].
Am Äusseren des Wohnteils ist das ursprüngliche Ständerwerk nicht mehr sichtbar; die letzten Fragmente gingen vermutlich beim Umbau von 2010 verloren [6]. Über die gesamte Rückseite erstreckt sich heute ein eingeschossiger Anbau. Die zweigeschossige Südfassade des Wohnteils ist in verputztem Fachwerk aufgeführt. Sie zeigt axial gesetzte Rechteckfenster, die jeweils zu zwei und drei Öffnungen gruppiert sind. Ihre hölzernen Einfassungen sind aussen stichbogig geschnitten und mit kräftig profilierten Wulstgesimsen versehen. Den abgewalmten Quergiebel schmückt eine Giebelründe auf zierbeschnitzten Bügen, mit Hängesäulen, deren Abschluss als vollplastischer Stern gearbeitet ist. Auf Traufhöhe ist ein Balkenkopf zu sehen, der wohl zum Unterzug der Saaldecke gehörte. Die Mitte des Giebelfelds besetzt ein einzelnes Fenster, an dessen barock profiliertem Gesims eine Stange mit hölzernem Wirtshausschild befestigt ist. Das bereits auf historischen Aufnahmen von 1927 vorhandene Schild trägt die Aufschrift "1755" "All hier zum Bären", es wurde in der Bemalung (z.B. in der Darstellung des Bären) jedoch stark überarbeitet. Weitere Fenster befinden sich über der Ecklaube und in der abgewinkelten Stubenwand.
Der über einem Gewölbekeller errichtete gemauerte Stock ragt ost- und nordseitig über das Ständerbaugeviert hinaus, wobei die massive Bruchsteinmauer nach Süden weitergezogen ist und einen Vorraum umfasst, der mit der hölzernen Konstruktion der Ecklaube fluchtet. Nach Osten weist er kleinformatige Rechtecklichter mit Muschelkalkgewänden und Ladenfalz auf: zwei gekuppelte mit gekehltem Gesims und ein einzelnes, das mit einem Gitter gesichert ist. Ein gleichartiges nordseitiges Zwillingsfenster wurde im Zusammenhang mit dem letzten Umbau verschlossen. Eine kleine Öffnung in der Beton-Vormauerung führt zum verdeckten Kellerfenster. Derartige gemauerte Gevierte bei ehemaligen Strohdachhäusern sind eine altertümliche, zunehmend seltene Besonderheit, deren Funktion bis heute nicht restlos geklärt ist [7]. Im Unterschied zum hölzernen Hauptbaukörper galt der Stock als relativ feuersicher. Es wird daher vermutet, dass er zur Aufbewahrung wertvoller Gegenstände, v.a. aber auch des überlebenswichtigen Saatguts diente. Typischerweise war der Stock – wie hier – gegenüber den anderen Räumen halbgeschossig versetzt.
Als Hauseingang und gleichermassen als Zugang zum Stock dient eine über die Ecklaube erreichbare Rundbogentür. Das Gewände ist mit einer Zierfase in Muschelkalk gehauen. Das bauzeitliche Türblatt, eine Brettertür mit aufgedoppeltem Rahmenwerk, ist zwischenzeitlich durch eine neue Holztür ersetzt worden, die sich an die alte Gliederung anlehnt [8].
Im Innern dienen die südseitig angelegte alte Stube und Nebenstube noch immer als Gaststube. An historischer Ausstattung hat sich hier die durchgehende Balkendecke mit profilierten Trägern und auffallend breiten Einschubbrettern mit Deckleisten erhalten, während die Binnenwand mit dem barock profilierten Türgewände entfernt wurde.
Der Dachraum birgt die noch weitgehend original erhaltene, rauchgeschwärzte Rafendachkonstruktion, welche über drei Hochstüden errichtet ist: Zwei stehen beidseits des ehemaligen Tenns, während der dritte über dem Wohnteil abgefangen ist. Sperrrafen und Windstreben sorgen für die Verstrebung der Firstständer mit der Firstpfette, dem Unterfirst und dem Kranz der Geschossrähme. Erhalten ist auch ein Teil der russgeschwärzten Rafenlage. Die Dachhaut wurde 1989 mit einer Einfachdeckung aus Biberschwanzziegeln erneuert.
Neben dem Gewölbekeller unter dem Stock verfügt das Gebäude im Bereich unter der Nebenstube und der ehemaligen Hinterkammer über einen zweiten seit alters her bestehenden Balkenkeller.
Anmerkungen:[1] Vgl. Holziker Chronik 1989, S. 51-54. Dass sich die Wirtschaft bis heute in der äussersten Ecke des Gemeindegebiets befindet, könnte evtl. ein Indiz dafür sein, dass der Standort seit dem späten 17. Jh. nicht gewechselt wurde.
[2] Gemeindearchiv Holziken, Brandkataster von 1829.
[3] Die Angaben sind dem Brandkataster entnommen: Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0242-0244: Brandkataster Gemeinde Holziken 1850-1938.
[4] Vgl. Bauakten, Baugesuchsarchiv Gemeinde Holziken.
[5] Bei der Umnutzung von Tenn und Stall 1949-50 war die Tür – im Unterschied zur heutigen Situation – noch zentral zwischen beidseitig zwei Fenstern angelegt, siehe Fotodokumentation.
[6] So z.B. der tennseitige Eckständer in der Nordfassade samt Schwellenschloss und Bug, vgl. Kurzinventar 1995.
[7] Vgl. Räber 2002, S. 214-215.
[8] Das alte Türblatt war 1995 noch vorhanden, vgl. Kurzinventar 1995.
Literatur:- Holziker Chronik, hg. v. Einwohnergemeinde Holziken, Schöftland 1989, S. 51-54.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002, S. 214-215.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 41.
- Michael Stettler, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 1, Basel 1948, S. 200.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0242-0244: Brandkataster Gemeinde Holziken 1850-1938.
- Gemeindearchiv Holziken, Brandkataster von 1829.
- Baugesuchsarchiv Gemeinde Holziken.
 

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