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INV-JON925 Mühle Obschlagen, 1851 (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1851 |
Grundlage Datierung: | Inschrift (Türsturz) |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Teil einer Baugruppe |
Weitere Teile der Baugruppe: | JON934, JON935 |
Nutzung (Stufe 1): | Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Mühle |
Epoche / Baustil (Stufe 3): | Spätklassizismus |
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Dokumentation |
Inschriften: | "1851" (Türsturz Mühleneingang) |
Würdigung: | Imposanter spätklassizistisch-biedermeierlicher Mauerbau von 1851, der bis in die 1920er Jahre einen grossen Mühlenbetrieb beherbergte und mit der benachbarten Bäckerei und der zugehörigen Mühlenscheune (Bauinventarobjekte JON934 und JON935) ein aussagekräftiges ländlich-gewerbliches Ensemble bildet. Der viergeschossig aufragende, im Fassadenaufbau streng axial gegliederte Baukörper setzt mit der nüchternen Industriearchitektur einen spannungsvollen Gegenakzent zum sonst landwirtschaftlich geprägten Baubestand des Weilers. Entwicklungsgeschichtlich und ortsbaulich ist die Mühle für den Weiler, der im Hochmittelalter von hier aus seinen Anfang nahm, von grösster Bedeutung. Das bestehende Gebäude verweist mit einem relativ hohen Anteil an historischer, teilweise rekonstruierter Bausubstanz auf die Blütezeit des Mühlenbetriebs in der zweiten Hälfte des 19. Jh. Insbesondere die ehemalige Wohnung des Müllers im dritten Obergeschoss überrascht mit Täfer, Kachelöfen und reich verzierten Stuckdecken. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Eine „müli in Obslagun“ ist in den Quellen 1312 erstmals erwähnt [1]. Sie war damals mit der Ober- und Untermühle im Dorf (Bauinventarobjekte JON906 und JON904) und der nur kurz bestehenden Bühlmühle eine von vier Mühlen, die am Jonerbach standen. Nachdem sie über hundert Jahre stillgelegen hatte, errichtete Untervogt Heinrich Huber 1584 eine „neuw Müli“ [2]. Gleichzeitig wurden die Mühle und der zugehörige Landwirtschaftsbetrieb, die bis anhin einen Steckhof ohne Dorfrechte gebildet hatten, eingemeindet. Ihre heutige Ausdehnung erlangte die Ansiedlung erst im späteren 18. Jh. durch die Bautätigkeit unter Leonz Huber. Bei der Güteraufteilung nach seinem Tod erhielten Jost und Melchior je ein neues Haus (vgl. Bauinventarobjekt JON923), während Jakob Leonz (1757-1817) als ältester Sohn das Mühlengebäude übernahm. Dazu gehörte die Hälfte einer Scheune (vgl. Bauinventarobjekt JON924), welche Jakob Leonz mit Jost teilte [3]. Beim damaligen Mühlengebäude handelte es sich gemäss Brandkataster von 1812 um ein „Zweistökiges Hauss und Mülle von Stein und Holz mit Ziegel gedekt“ [4]. Unter Jakob Leonz‘ Sohn Jost (1798-1846) setzte erneut eine bauliche Entwicklung ein. Er unternahm erste Schritte zur Einrichtung einer Bäckerei, indem er im nördlich benachbarten Speicher (vgl. Bauinventarobjekt JON934) einen Backofen einbauen liess. Auf ihn gehen auch die inzwischen zerfallene Ölmühle mit angebauter Hanfreibe von 1831 (Vers.-Nr. 141, ehem. Bauinventarobjekt JON926) und die neue Mühlenscheune von 1840 (Bauinventarobjekt JON935) zurück [5]. Das Mühlengebäude selbst wurde 1851 durch seinen Sohn Balthasar (1820-1880), Müller und Gemeindeschreiber, als stattlicher Steinbau von doppelter Höhe in spätklassizistisch-biedermeierlichem Stil neu errichtet. Die Mühleeinrichtung umfasste „1 Wasserrad mit Hauptgetrieb, Transmission, 1 Röndle, 2 Champ[agner] Mahlg[änge], 1 gew[öhnlicher] Mahlgang, Doppel-Beutlerei, Kernenputzer, 1 Aufzug, Riemenwerk“ [6]. Als Balthasar 1880 starb, übernahmen seine Söhne Beda und Emil Huber den Betrieb und modernisierten 1881-83 die Mühleeinrichtungen, so dass sich der versicherte Wert der Mühle von 45‘000 auf 58‘000 Franken erhöhte [7]. 1884 wurde zur Regulierung des Wasserstandes der Weiher mit dem Wasserkanal zur Mühle erstellt und aus diesem Anlass der Jonentalfussweg dazwischen neu angelegt.1886 erhielten die Gebrüder die Bewilligung, anstelle der früheren Hanfreibe und Öltrotte eine Holzdrechslerei zu betreiben (s. Plan Bilddokumentation). Darin arbeiteten Bernhard Schuler und sein Sohn als Fasshahnendrechsler. Das Wasser bezog diese wie schon die Ölmühle aus dem Abwasserkanal der Getreidemühle. 1897 erhielt die Mühle anstelle des Wasserrads eine Turbine, in die das Wasser mittels einer eisernen Druckleitung gespeist wurde (s. Pläne Bilddokumentation). Dies erforderte erneut die Verlegung des Jonentalfusswegs. Um 1898, also deutlich vor der Einführung der Elektrizität in Jonen 1912, begann man auch, Strom für den Eigenbedarf zu erzeugen [8]. Als Beda 1907 starb, führte die Schwester Julie die Bäckerei weiter. 1922 veräusserte Emil als letzter übrig gebliebener Erbe die Mühle samt Landwirtschaftsbetrieb an Emil Walser, Anton Zindel und Johann Maas. Wegen Meinungsverschiedenheiten trennten sich diese jedoch bald wieder und hinterliessen eine nahezu aller ihrer Einrichtungen beraubte, nicht mehr funktionierende Mühle. Die Mühle kam auch nach einem erneuten Eigentümerwechsel nicht mehr zum Laufen. Nur die Bäckerei wurde bis 1951 weitergeführt. Nach weiteren Handänderungen gelangte das stattliche Mühlengebäude 1982 zum heutigen Eigentümer, der das Gebäude seither in minutiöser Arbeit grösstenteils selber instandstellt [9]. 1988 erfolgte eine Fassadenrenovation, im Zuge derer als Ersatz für das Radhaus ein zurückversetzter ostseitiger Anbau mit zweigeschossiger Terrasse angefügt wurde [10]. Im zweiten Obergeschoss wurde eine Wohnung eingerichtet, die seither vermietet ist. In den übrigen Räumen laufende Renovationsarbeiten. |
Beschreibung: | In der Achse der von Jonen herführenden Fahrstrasse gelegen, beherrscht die Obschlager Mühle das Ortsbild des Weilers. Der imposante, sich viergeschossig über längsrechteckiger Grundfläche erhebende Mauerbau ist im Zeitgeschmack des Spätklassizismus und Biedermeiers gestaltet. Er zählt sechs auf drei Fensterachsen und trägt ein knappes, gerades Satteldach mit holzverkleideter Dachuntersicht und begleitendem Zahnfries als Fassadenabschluss. Unter die bestehende Flachziegeleindeckung sind noch alte, handgefertigte Ziegel gemischt. Die mittleren beiden Fensterachsen der nach Südwesten orientierten Vorderfront sind in einem leicht vorspringenden, übergiebelten Mittelrisalit zusammengefasst. Das Pendant bildet auf der Rückseite der ebenfalls mit einem Quergiebel versehene Treppenhausrisalit. Ein umlaufendes Sohlbankgesims trennt das gebänderte Parterre von den glatt verputzten Obergeschossen. Die Radkammer befand sich an der Stelle der ostseitigen Terrasse (anlässlich der Aussenrenovation 1988 erstellt). Haus- und Mühleneingang besetzen je eine Achse des frontseitigen Mittelrisalits. Das rückwärtig angelegte Treppenhaus besitzt vom Zwischenboden aus einen direkten Hinterausgang. Die aus Sandstein gefertigten Rechteckgewände sind bei den Haupteingängen mit profilierten Verdachungen versehen. Am östlichen Türsturz ist das Baudatum 1851 eingemeisselt, am linken das Müllerwappen. Vorhanden sind auch noch die qualitätvoll beschnitzten biedermeierlichen Eichentürblatter mit bauzeitlichen Messingbeschlägen. Typisch für die Entstehungszeit sind überdies die schlichten gefalzten Sandsteingewände der hochrechteckigen Fensteröffnungen aus Sandstein und die halbreisförmigen Giebellichter (Lünetten). Das in der nordwestlichen Gebäudehälfte nur mit schmalen, querrechteckigen Öffnungen versehene Sockelgeschoss birgt einen grossen Kellerraum, der nach Westen ein direktes Aussentürchen zur Anlieferung und Ausgabe von Waren besitzt. Die beiden parallelen Hauptzugänge erlauben eine separate Erschliessung des alten Wohnteils sowie der ehemaligen Mühlenräume in der südöstlichen Gebäudehälfte. Vom ebenerdigen Flur im Wohnteil (vom heutigen Eigentümer mit einem Mosaik aus Ziegelfragmenten belegt) öffnet sich eine Rechtecktür auf den mit einem doppelten Kreuzgewölbe überspannten Kellerraum, in den man über eine kurze Treppe hinabsteigt (zweite Tür zu einem Regal umgewandelt). Steinerne Treppenstufen führen im rückwärtigen Bereich auf das um ein halbes Geschoss höher liegende Podest mit dem Hinterausgang. Ab hier ist die doppelläufige Wangentreppe aus Eichenholz gearbeitet, mit einem hübschen klassizistischen Geländer, dessen Staketen in der Form stilisierter Papyrusstängel gestaltet sind. Im ersten Obergeschoss ist der Flur mit grossen Steinplatten belegt. Auf dieser Etage befinden sich im nordwestlichen Hausteil eine Küche mit altem, in die Aussenwand eingemauertem Schüttstein und eisernem Holzherd. In der angrenzenden Stube steht ein grosser grüner Kachelofen mit kannellierten Sandsteinfüssen. Tiefe Fensterlaibungen lassen die Mächtigkeit der aus Bruchsteinen gefügten Aussenmauern ermessen. Im ganzen Haus haben sich die die bauzeitlichen Türen mit profilierten Rahmen, zwei oder vier Füllungen und teils aus Messing gearbeiteten Beschlägen erhalten. Die teilweise mit Espagnolettenverschlüssen und Lüftungsflügeln ausgestatteten Fensterrahmen sind einschliesslich der Vorfenster erneuert, wobei die originalen Beschläge wiederverwendet wurden. Im zweiten Obergeschoss, wo sich einst die Zimmer der Angestellten befanden, ist heute eine eigenständige Wohnung eingerichtet. An historischer Ausstattung hat sich darin ein klassizistischer Kachelofen mit hellblauen und weissen Kacheln erhalten. Das dritte Obergeschoss, das einst die Wohnung des Müllers enthielt, überrascht mit farblich unterschiedlich gefasstem Wandtäfer, reich verzierten Stuckdecken und Überresten mehrerer klassizistischer Öfen. Von den Stuckmotiven macht der Eigentümer Negative, um die durch einen Wasserschaden entstandenen Fehlstellen zu rekonstruieren. Von der ehemals in der südöstlichen Gebäudehälfte untergebrachten Mühleneinrichtung ist nichts mehr vorhanden. Um 1900 war auf dem Wiesland südlich der Mühle ein parkähnlicher Garten mit Springbrunnen, Blumenrabatten, Wegen, Bäumen und Sträuchern angelegt. Davon zeugen heute noch einige hohe Thujen und ein Stück der eisernen Garteneinfriedung. Der rückwärtige Bereich zwischen Mühle und Bäckerei war als bepflanzter Steingarten mit Brunnen und Steintreppe gestaltet (Anlage teilweise noch vorhanden) [11]. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Einzelelement, Erhaltungsziel A. - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung. - ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Gemeinde Jonen, 4071-2. |
Anmerkungen: | [1] Bürgisser 1991, S. 66. Widler 1998, S. 60. [2] Bürgisser 1991, S. 67. [3] Widler 1998, S. 61-62. [4] Gemeindearchiv Jonen: Brandkataster Gemeinde Jonen 1812-1828 (Vers.-Nr. 79). [5] Widler 1998, S. 63, 66. [6] Gemeindearchiv Jonen: Brandkataster Gemeinde Jonen 1876-1898 (Vers.-Nr. 129). [7] Siehe Anm. 6. [8] Widler 1998, S. 66-68. [9] Widler 1998, S. 69-70. [10] Vgl. Kurzinventar 1998. [11] Widler 1998, S. 66, 70, 98 (Fotos Garten). |
Literatur: | - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 114. - Walter Bürgisser, Jonen. Aus der Vergangenheit von Dorf und Pfarrei, 2. erweiterte Auflage, Jonen 1991, S. 24 (Foto)-25, 66-70 (zu den Mühlen in Jonen), 188-189 (zur Familie Huber in Obschlagen). - Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1, Die Grafschaft Baden und das Freiamt, Basel 1996, S. 46 (zur Baugruppe des Weilers Obschlagen) - Max Widler, Es bsonders Volk. Litzi, Mörgeln, Obschlagen – die Aussenhöfe von Jonen, Jonen 1998, S. 58-71, 82-83, 86-87, 98-99.- - Peter Felder, Die Kunstdenkmäler des des Kantons Aargau, Bd. 4, Basel 1967, S. 290. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0092: Brandkataster Gemeinde Jonen 1899-1938. - Gemeindearchiv Jonen: Brandkataster Gemeinde Jonen 1812-1828, 1829-1849, 1876-1898. - Staatsarchiv Aargau, DB.W01/0024/06(W.W.Nr. 216/217): Getreidemühle B. Huber in Obschlagen, Pläne von 1860 und 1886. - Staatsarchiv Aargau, DB.W01/0067/01(W.W.Nr. 216/217): Wasserwerk der Geschw. Huber in Obschlagen (Ersatz des Wasserwerks durch Turbine), Pläne von 1898. - Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, III-11/31. - Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv. |
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