INV-MEL902 Ev.-ref. Pfarrkirche, 1910 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
1/2

Identifikation

Signatur:INV-MEL902
Signatur Archivplan:MEL902
Titel:Ev.-ref. Pfarrkirche
Bezirk:Baden
Gemeinde:Mellingen
Ortsteil / Weiler / Flurname:St. Antonius-Vorstadt
Adresse:Lenzburgerstrasse 28
Versicherungs-Nr.:263
Parzellen-Nr.:669
Koordinate E:2662825
Koordinate N:1251958
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2662825&y=1251958

Chronologie

Entstehungszeitraum:1910
Grundlage Datierung:Literatur; Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:MEL903
Nutzung (Stufe 1):Sakrale Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Kirche (ev.-ref.)
Epoche / Baustil (Stufe 3):Heimatstil

Dokumentation

Autorschaft:Eugen Schneider, Ennetbaden
Würdigung:Die 1910 nach Plänen des Ennetbadener Architekten Eugen Schneider erbaute reformierte Pfarrkirche von Mellingen ist ein Heimatstilbau in ländlich barockisierenden Formen, der sich im Innern als schlichter gewölbter Saal mit akzentuierendem Jugendstil-Dekor und farblich abgesetztem Chorbereich präsentiert. Das im Äusseren nahezu unverändert erhaltene Gebäude bildet mit dem benachbarten Pfarrhaus von 1929-30 (Bauinventarobjekt MEL903) ein funktionales und gestalterisches Ensemble von hohem lokalgeschichtlichem Wert. Eingebettet in eine locker bepflanzte Parkanlage, kommt ihm als Pendant zur gegenüberliegenden Antoniuskapelle (Denkmalschutzobjekt MEL006) eine grosse situative Bedeutung zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Bis zum Bau der Reformierten Kirche versammelte sich die 1894 gegründete "evangelisch-reformierte Genossenschaft für Mellingen und Umgebung" im Saal des alten Rathauses. 1907 konnte sie von Adolf Meier, Gastwirt zum Löwen, südlich der Altstadt, gegenüber der denkmalgeschützten Antoniuskapelle von 1736 ein Landstück erwerben. Zwei Jahre später wurde mit dem von Architekt Eugen Schneider aus Ennetbaden projektierten Bau begonnen. Schon am 4. September 1910 konnte die Kirche eingeweiht werden. 1911 lieferte die Firma Goll & Cie. in Luzern eine neue Orgel. Im gleichen Jahr wurden die Umgebungsarbeiten abgeschlossen, indem rund um die Kirche 72 Obstbäume, 3 Ahorne, 4 Haselnusssträucher und für die Einfriedung 314 Thuyas gepflanzt wurden. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund 59'000 Franken [1].
Nachdem Feuchtigkeitsschäden bereits 1914 Reparaturarbeiten notwendig gemacht hatten, erfolgte 1922 eine erste Veränderung, bei der die ursprüngliche Wandmalerei im Chorbogen durch einen Verputz mit Sgraffito-Bildern von Kunstmaler W. Büchli in Lenzburg überdeckt wurde [2]. 1948-50 entschloss man sich zu einer umfassenden Innen- und Aussenrenovation, die eine komplette Umgestaltung des Chors mit sich brachte: Die Sgraffito-Bilder am Chorbogen wurden wieder abgenommen, die beiden Glasfenster durch neue ersetzt und anstelle der Marmorkanzel eine seitliche Holzkanzel eingebaut. Die den Kirchhof bezeichnende Einfriedung mit Sockelmauer und Eisenzaun wurde entfernt [3]. Bei der jüngsten Renovation von 2004-05 erhielt der Kirchenraum teilweise seine originale Ausmalung zurück und wurde durch einen optisch zurücktretenden Anbau mit Garderobe, technischen und sanitären Anlagen ergänzt [4].
Mit dem Bau eines Pfarrhauses (Bauinventarobjekt MEL903) 1928-29 nach Plänen von Architekt Carl Froelich in Brugg konnte ein eigener Pfarrer angestellt werden. Pfarrer Jakob Heiz, der die reformierte Genossenschaft in ihrer Anfangszeit betreut hatte, verstarb 1930 mit 78 Jahren. Ihm ist die holzgeschnitzte Inschrift gewidmet, die sich heute auf dem Dachboden des Pfarrhauses befindet, und die ehemals zum Andenken unter einem von Maler W. Büchli geschaffenen Bildnis über der inneren Kirchentür angebracht war: "Ihrem Gründer und Pfarrer Dr. theol. Jakob Heiz. Die dankbare Kirchgemeinde. 1894-1929" [5]. Die ehemals im Pfarrhaus untergebrachten Kirchgemeinderäume wurden 1980 in ein neues Gebäude unmittelbar nordwestlich davon ausgegliedert.
Beschreibung:Die reformierte Kirche ist zusammen mit dem Pfarrhaus von 1928-29 (Bauinventarobjekt MEL903) und dem Kirchgemeindehaus von 1980 in eine leicht terrassierte, offene Parklandschaft an der Ecke Lenzburgerstrasse/Wallisstrasse gebettet. Diese bildet ein Pendant zur Friedhofsanlage mit der Antoniuskapelle von 1736 (Denkmalschutzobjekt MEL006) auf der gegenüber liegenden Seite der Lenzburgerstrasse. Bis Mitte 20. Jh. war die reformierte Kirche von Wohlenschwil her kommend das erste Gebäude auf der linken Strassenseite.
Der parallel zur Antoniuskapelle stehende, behäbig proportionierte Heimatstilbau ist wie diese nach Südwesten gerichtet. Das kurze, lediglich drei Fensterachsen zählende Kirchenschiff trägt ein steiles, doppelt geknicktes Dach. An seiner Südostflanke wächst ein mächtiger Turm mit knapper, ziegelgedeckter Haube empor. Diese wie auch die Dächer des giebelseitig angegliederten Vorzeichens im Nordosten und der halbrunden Apsis im Südwesten wiederholen die eigenwillig geschweifte Form. In die von Turm und Schiff gebildete Ecke fügt sich die Sakristei.
Mit Ausnahme einer Felderung am Turm werden die hellen Fassaden mit Kieselwurfputz über dem grau gefassten Sockel einzig durch die Fensteröffnungen gegliedert. Die ehemals vorhandenen Eckpilaster und ein Gurtgesims am Turm haben sich nicht erhalten. Der quadratische Grundriss des Turms geht auf der Höhe des Glockenstuhls in eine polygonale Form über, wobei die ausgesparten Putzfelder in den Abschrägungen hellgrau hervorgehoben und mit einem Ochsenauge versehen sind.
Die längsseitig regelmässig angeordneten Rundbogenfenster setzen sich an der Eingangsfront in pyramidenförmiger Abstufung fort. Deren Mitte besetzt ein in der Breite mit dem Portal korrespondierendes Rundbogenfenster. Alle Öffnungen werden von Gewänden mit ausgeprägten Fensterschrägen eingefasst. Der zentral angelegte Haupteingang ist über mehrere Treppenstufen und das schützende Vorzeichen zu erreichen. Sein Gewände ist mit einem umlaufenden zweifarbigen Schablonenfries ausgezeichnet. Der Kirchenraum wird durch eine hell lasierte, kassettierte Doppelflügeltür betreten.
Das Innere der tonnengewölbten Saalkirche präsentiert sich seit der jüngsten Renovation von 2004/05 wieder nahe dem ursprünglichen Zustand (Einrichtung und Mobiliar ausgenommen). Der in helles Blau getauchte Chor hebt sich als stimmungsvoller Farbraum vom Kirchenschiff ab, welches in einem warmen Weisston gestrichen ist. Chorbogen und Fenster zeigen die nach originalen Befunden wiederhergestellten Ornamentbänder, welche in den einfachen organisch- geometrischen Formen (Spiegelmotiv Pfauenfeder) den Einfluss des Heimat- und Jugendstils erkennen lassen. Als Beleuchtung hat sich der 1933 in den Lehrwerkstätten der Stadt Bern hergestellte handgeschmiedete Leuchter in Sternenform erhalten. Die Nordostfassade hinter der Orgel bewahrt noch die bauzeitlichen Glasmalereien von Georg Röttinger (1862-1913), die auf Höhe der Empore horizontal unterteilt werden [6]. Die beiden farbenprächtigen Chorfenster mit dem Gleichnis der klugen und törichten Jungfrauen stammen hingegen aus dem Jahr 1949 und wurden nach einem Entwurf von Minna Bühler, Utzenstorf, in der Glasmalwerkstatt von Louis Halter in Bern ausgeführt. Die bestehende Orgel von der Firma "Orgelbau Genf" wurde 1957 als Ersatz für die Orgel von 1910 eingebaut [7].
Erwähnung in anderen Inventaren:- ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Mellingen 4033-7.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Hunziker 1954, S. 48-54; Merkli 2010, S. 2-5; Mellingen 1996, S. 72-74.
[2] Hunziker 1954, S. 56-57; Merkli 2010, S. 5.
[3] Hunziker 1954, S. 67-71; Merkli 2010, S. 8-9. - Submission der Handwerksarbeiten am 1. September 1909, vgl. Schweizerische Bauzeitung 54, Heft 7, S. 114.
[4] Merkli 2010, S. 10-14.
[5] Hunziker 1954, S. 58-61.
[6] Freundliche Mitteilung von Frau Bettina Lichtler, Pfarrerin.
[7] Merkli 2010. S. 6, 9, 10-12, 15.
Literatur:- Mellingen. Bilder einer aargauischen Kleinstadt, hg. v. Einwohnergemeinde Mellingen, Mellingen 1996, S. 72-74.
- Elisabeth Crettaz-Stürzel, Heimatstil. Reformarchitektur in der Schweiz 1896-1914, Frauenfeld 2005, S. 20.
- Peter Hoegger, Mellingen, Schweizerische Kunstführer, Basel 1978, S. 15-16.
- Otto Hunziker, Reformiert Mellingen. Die Reformationszeit. Die neue Gemeinde, Mellingen 1954.
- Leonhard Merkli, Die Reformierte Kirche Mellingen, Mellingen 2010.
- Kunstführer durch die Schweiz Bd. 1, Bern 2005, S. 86.
Quellen:- www.castor-huser.chkirchen-und-kapellenreformierte-kirche-mellingen (Abb. 7)
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=41100
 

Social Media

Share
 
Home|Login|de en fr it
Online queries in archival fonds