INV-MEN925 Wohnhaus mit Postanbau, 1818-1819 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-MEN925
Signatur Archivplan:MEN925
Titel:Wohnhaus mit Postanbau
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Menziken
Adresse:Hauptstrasse 18
Versicherungs-Nr.:36, 37
Parzellen-Nr.:2927
Koordinate E:2656608
Koordinate N:1232858
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2656608&y=1232858

Chronologie

Entstehungszeitraum:1818 - 1819
Grundlage Datierung:Inschrift (Türsturz und Ofenfuss)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus mit Gewerbelokal

Dokumentation

Inschriften:"1818" Türsturz; "1819" Ofenfuss
Würdigung:Das 1818-19 giebelständig zur Hauptstrasse errichtete Wohnhaus, das ab 1873 bis ins frühe 20. Jahrhundert im ehemaligen Scheunenanbau das Postbüro von Menziken beherbergte, ist ein stattlich proportionierter, spätbarocker Bau. Das Wohnhaus bewahrt im Innern einige Teile seiner ursprünglichen Ausstattung. An der strassenseitigen Stirnfront befindet sich als Besonderheit eine Aufzugsöffnung, welche auf eine gewerbliche Nutzung des Dachbodens als Lagerraum hindeuten könnte. Am rechtwinklig angebauten ehemaligen Postgebäude hat sich als auffälligstes Merkmal der Dachvorschermen mit ursprünglicher Stützeneinteilung und Stuckdecke erhalten. Wohnhaus und Anbau bilden eine spannungsvolle gehöftartige Anlage. Während das Wohnhaus von der Wohnkultur früher Industrieller zeugt, verweist das ehemalige Postgebäude auf die Anfangszeit der technischen Infrastruktur, die für die industrielle Entwicklung ebenfalls von grosser Bedeutung war.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Laut Inschriften an Türsturz und Ofenfuss wurde das Wohnhaus 1818/1819 erstellt. Als Eigentümer ist um 1850 Johann Rudolf Merz verzeichnet, der möglicherweise mit dem Gründer der Buntweberei Merz identisch ist. Um 1872 übernahm Gottlieb Merz-Gautschi die Liegenschaft und liess im folgenden Jahr in der dazugehörenden Scheune ein "Postbureau" einrichten. 1888 wechselten das Wohnhaus und das als Postbüro und Scheune genutzte Nebengebäude erneut den Besitzer. Eigentümer wurde nun Johann Jakob Weber-Merz (1821-1891), Zigarrenfabrikant und Sohn von Samuel Weber (1785-1861), der 1838 in Menziken die erste Tabakfabrik der Region gegründet hatte. Kurz bevor seine Söhne Bertrand (1858-1945) und Darwin Weber die Liegenschaft übernahmen (1896), erfolgte 1894 ein Umbau des Postbüros (vgl. Zustand auf Fotos um 1900). In diese Bauphase fällt vermutlich der Anbau eines angeschleppten, von Säulen gestützten Dachvorschermens mit Stuckdecke. Während Darwin als Kaufmann in Südamerika tätig war, hatte Bertrand 1893 zusammen mit seinem älteren Bruder Aderich und den beiden Vettern die Leitung der Firma "Weber Söhne" übernommen. 1894 bezahlte er seine Geschwister aus, um aus dem Firmenbesitz die Villa "Eintracht" (Denkmalschutzobjekt MEN003) zu erwerben. Ab 1899 ist im Brandlagerbuch unter dem Gebäude, welches das Postbüro und die Scheune enthielt, eine Wohnnutzung vermerkt. Im Hauptbau daneben richtete noch vor 1904 ein Coiffeur seinen Salon ein. 1908 gab Darwin Weber offenbar den Gedanken auf, in die Schweiz zurückzukehren und trat seinen hälftigen Besitzanteil an seinen Bruder Bertrand ab, womit dieser alleiniger Eigentümer der Liegenschaft wurde [1].
Spätestens mit dem Bau des Postgebäudes an der Hauptstrasse 47 (Bauinventarobjekt MEN928) wurde das Postbüro 1909 aufgehoben. Der Anbau erfuhr im Anschluss einige Veränderungen (teilweise Verschliessung der ehemaligen Posteingänge, bretterverschalte Arkaden am Dachvorschermen). Die ehemalige Posteinrichtung hat sich nicht erhalten. Das 2011 am Äusseren renovierte Hauptgebäude weist seither eine neue Biberschwanzeindeckung auf. Zudem wurden die beiden mittleren Erdgeschossfenster an der südlichen Traufseite zu Gartenausgängen vergrössert.
Beschreibung:Das Wohnhaus mit ehemaligem Postbüro befindet sich wenige Häuser oberhalb des Gasthofs "Sternen" an der Abzweigung der Alten Poststrasse von der Hauptstrasse. Der giebelständige Hauptbau ist ein zweigeschossiger Putzbau unter einem geknickten Gehrschilddach mit holzverschalter strassenseitiger Ründe und rückseitigem Fusswalm. Der behäbige, zwei auf vier Fensterachsen zählende Baukörper weist nach Süden und Osten eine regelmässige Verteilung der Öffnungen auf, während diese auf der nordgerichteten Eingangsfront entsprechend der Raumaufteilung gruppiert sind. Die hölzernen Gewände sind aussen stichbogig ausgeschnitten. Die Strassenfront zeichnet sich durch eine raumhohe Aufzugsöffnung im Dachgeschoss aus. Das über einem liegenden Stuhl aufgerichtete Sparrendach mit Aufschieblingen weist eine einfache Eindeckung aus neuen Biberschwanzziegeln auf. Bis zur kürzlich erfolgten Renovation waren die Dachuntersichten mit Blütenfriesen bemalt, die vermutlich aus dem frühen 20. Jh. stammten.
Der nordseitige Hauseingang ist über eine zweiläufige, neu aufgemauerte Steintreppe zugänglich, unter der ursprünglich ein frontaler Kellerabgang lag. Das wie die Fenster hellgrau gefasste Türgewände weist in konsequenter Imitation des Steinmaterials einen "Schlussstein" mit der Jahrzahl 1818 am Sturzholz auf. Mit Ausnahme der geschweiften Füllungen, die nachträglich verglast wurden, ist die zweiflüglige Füllungstüre mit zierlichem Schnitzwerk original erhalten und bewahrt teils noch die alten Messingbeschläge. Das von Holzpfosten getragene, geschweifte Vordach mit dem hölzernen Geländer dürfte bei der Erneuerung des Treppenaufgangs anfangs des 20. Jh. hinzugekommen sein.
Die Erschliessung des grosszügig dimensionierten Gebäudes erfolgt über einen Stichgang mit Treppe ins Obergeschoss. Die Raumaufteilung beider Stockwerke ist identisch: Auf der Südseite liegen die Stube und zwei Zimmer, auf der Nordseite ebenfalls zwei Zimmer sowie die Küche. Aus der Erbauungszeit datiert in der unteren Stube eine am Ofenfuss ins Jahr 1819 datierte Sitzkunst. Diese bewahrt einen Kranz weissgrundiger, mit Vasen- und Girlanden bemalter Frieskacheln, während die Füllkacheln später überstrichen wurden. Zur originalen Ausstattung gehören auch Füllungstüren, Sichtbalkendecken und gestemmte Wandtäfer. Das vorherrschende einfache Brettertäfer stammt möglicherweise von einer Umbauphase des frühen 20. Jh. (Angaben zur Raumaufteilung und Ausstattung gemäss Kurzinventar 1993/95). Laut Brandkataster verfügt das Wohnhaus über drei Kellerräume mit Balkendecken.
Das um Hauslänge zurückversetzte Nebengebäude, welches ursprünglich eine Scheune und ein Postbüro, später eine Wohnung beherbergte, ist im rechten Winkel an das Wohnhaus angebaut. Es trägt über verputzten Mauern ein gerades Satteldach und öffnet sich mit einem auf Säulen abgestützten Dachvorschermen nach Osten Richtung Hauptstrasse. Dessen vergipster Dachhimmel ist mit Stuckspiegeln und Mittelmotiven verziert. Die arkadenförmige Bretterverschalung ist eine spätere, ins frühe 20. Jh. weisende Zutat. An der Schmalseite des offenen Vorraums befindet sich unter einem breiten Oblicht eine hölzerneTür, an der Längsmauer sind anstelle der früheren Eingänge ins Postbüro eine Tür und ein Fenster geblieben. Die Befensterung mit gekuppelten Rechtecklichtern an der Giebelmauer und auf der Rückseite geht mindestens auf die Zeit um 1900 zurück.
Auf der Südseite des Gebäudekomplexes hat sich die vermutlich aus dem späten 19. Jh. stammende Garteneinfriedung mit Schmiedeisengeländer erhalten.

Aktennotiz Besichtigung vom 26. Aug. 2016:
Die Liegenschaft wechselte im Januar 2016 die Eigentümer. Noch unter dem vormaligen Eigentümer erfuhr das Wohnhaus im Innern eine durchgreifende Modernisierung. Im Erdgeschoss wurde die räumliche Unterteilung stark aufgelöst und die Treppe ins Obergeschoss unter Richtungswechsel erneuert. Die historische Ausstattung, bestehend aus Sichtbalkendecken, Wandtäfer, Füllungstüren sowie einer bauzeitlichen Sitzkunst mit bemalten Frieskacheln und Jahreszahl "1819" am Ofenfuss, ging dabei vollständig verloren. Das Obergeschoss bewahrt die ursprüngliche Aufkammerung und einzelne Teile der originalen Ausstattung (Sichtbalkendecke, Täfer, Füllungstür, Fischgratparkett wohl jünger). Die bauzeitliche Dachkonstruktion hat sich ebenfalls erhalten.
Das angebaute ehemalige Postgebäude befindet sich zurzeit im Umbau. Die Arbeiten sind noch vom vormaligen Eigentümer begonnen worden. Zukünftig soll gemäss Auskunft der heutigen Eigentümer u.a. eine Wohnung entstehen. An historischer Ausstattung sind insbesondere die Stuckdecken des offenen Vorraums zu nennen, welche aus der Zeit des Postbüros stammen.
Trotz unvorteilhafter Veränderungen im Innern kommt dem Gebäude Hauptstrasse 18 mit Anbau aufgrund seiner intakten äusseren Gesamterscheinung, der Situation und prominenten Lage an der Hauptstrasse sowie der Nutzungsgeschichte erhebliche Bedeutung zu.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] vgl. Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0252-0255: Brandkataster Gemeinde Menziken 1850-1938. - Steiner 1996, S. 1, 19-28, 36-45.
Literatur:- Peter Steiner, Vor Zeiten im Wynental (Jubiläumsschrift der Historischen Vereinigung Wynental), Menziken 1978, Abb. 53, 54.
- Peter Steiner, Die Menziker Tabakfirma Weber Söhne, in: Jahresschrift der Historischen Vereinigung Wynental 1995/96, Menziken 1996, S. 1-72.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0252-0255: Brandkataster Gemeinde Menziken 1850-1938.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=41400
 

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