INV-OBK911 Landhaus Dr. Hegnauer, 1800 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-OBK911
Signatur Archivplan:OBK911
Titel:Landhaus Dr. Hegnauer
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Oberkulm
Ortsteil / Weiler / Flurname:Unterdorf
Adresse:Dorfstrasse 28
Versicherungs-Nr.:200
Parzellen-Nr.:641
Koordinate E:2651113
Koordinate N:1239416

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1800
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Landhaus

Dokumentation

Würdigung:Bernisch geprägtes Landhaus mit weit ausladendem, elegantem Walmdach, das im alten Ortsteil Unterdorf ehemals ein grösseres, durch Ökonomiebauten ergänztes Anwesen bildete. Der stattliche Mauerbau zeigt für Bauten im Übergang vom Spätbarock zum Klassizismus der Zeit um 1800 eine typische axiale, jedoch teilweise unregelmässige Gliederung mit Rechteckfenstern und sorgfältig in Muschelkalk ausgeführte Hausteinarbeiten. Die der Strasse zugewandte Westfassade besitzt eine schöne Eingangssituation mit schmiedeeisernem Tor und frontal zulaufender, pyramidenförmiger Freitreppe. Auf der Rückseite befindet sich eine auf gedrechselten toskanischen Säulen abgestützte Obergeschosslaube. Das gepflegte Gebäude, das ab den 1820er Jahren bis 1878 Wohnsitz des Bezirksarztes und späteren Regierungsrates Dr. med. Johann Jakob Hegnauer war, dürfte im Innern noch weitgehend die ursprüngliche Raumstruktur und einzelne Elemente der historischen Ausstattung aus dem 19. und frühen 20. Jh. bewahren.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das im Stil eines bernischen Landhauses errichtete Wohnhaus dürfte um 1800 entstanden sein. Das Anwesen, zu dem gesondert stehende Ökonomiebauten gehörten, erstreckte sich einst entlang des Fahrwegs weiter Richtung Süden und in das damals noch unbebaute dahinterliegende Gelände [1]. Überliefert ist das Protokoll, wonach am 6. März 1826 der Knecht des Eigentümers wegen Tabakrauchens in der Scheune gebüsst wurde [2].
Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1829 ist als Eigentümer bereits "Dr. Jakob Hegnauer" eingetragen, von dem sich die bis heute geläufige Bezeichnung des Hauses ableitet. Der aus Seengen stammende Dr. med. Johann Jakob Hegnauer (1792-1878) war seit 1828 Bürger von Oberkulm, wo ihm als Bezirksarzt, Grossrat, Präsident des Bezirksgerichts, Verfassungsrat, Regierungsrat und als Mitglied verschiedener Kommissionen grosses Ansehen zuteil kam [3]. Nach seinem Tod ging die Liegenschaft an die Gebrüder J. J. und Fried. Ad. Gloor über, welche 1879 für eine "Verbesserung" des baulich vernachlässigten Gebäudes sorgten. Ein weiterer Umbau erfolgte 1898 anlässlich der Handänderung an J.J. Gloor-Walty [4]. Während der 1890er Jahre hatte das Haus mit Johann Oskar Schibler (1862-1932), Fürsprecher, Grossrat, Oberrichter, Mitbegründer der Wynentalbahn und Regierungsrat, erneut einen prominenten Bewohner, der wie schon Hegnauer von 1892-1902 das Amt des Bezirksgerichtspräsidenten bekleidete [5]. Über J. J. Gloor-Dettwiler (Eintrag 1900) wechselte das Haus 1911 an Julius Berner-Deppeler in Unterkulm und Dr. [iur.] H[ans] Schatzmann (1880-1936). Mit letzterem, Grundbuchverwalter im Bezirk Laufenburg und später Grossrat, wohnte ab 1913 der dritte Bezirksgerichtspräsident im Haus. In diesem Zusammenhang steht vermutlich die im selben Jahr festzustellende erhebliche Erhöhung des versicherten Wertes von 16'800 auf über 24'000 Fr.
Beschreibung:Das Landhaus steht im nördlichen Teil des Unterdorfs, der, unterhalb der alten Wynabrücke gelegen, früher auch "Unter Steg" genannt wurde. Der annähernd kubische, unter einem ausladenden Walmdach mit kurzem First und langen, hoch ansetzenden Aufschieblingen geborgene Baukörper ist als zweigeschossiger Mauerbau über einem hohen Kellersockel errichtet. Ecklisenen bilden den zeittypisch zurückhaltenden Bauschmuck. Die vier Fensterachsen der strassenseitigen Eingangsfront sind, im Gegensatz zu jenen auf der nach Süden orientierten Gartenfassade, nicht ganz regelmässig angeordnet. Nordseitig der annähernd mittigen Eingangsachse ist zur Belichtung ein einzelnes Fenster eingelassen, nach Süden sind in kürzeren Abständen zwei Fensterachsen gesetzt. Lediglich zwei Fensterachsen weist auch die Nordfassade auf. Die gefalzten Rechteckgewände sind aus Muschelkalk gehauen. Auf der Rückseite erstreckt sich über die ganze Gebäudelänge eine unter den weiten Vorschermen integrierte hölzerne Laube auf gedrechselten toskanischen Säulen. Die Dachuntersicht ist – wie teilweise auch die Laube – noch mit einer älteren, vielleicht sogar bauzeitlichen hölzernen Bretterverkleidung versehen.
Durch ein schmiedeeisernes, von zwei steinernen Pfosten flankiertes Tor und fünf Treppenstufen gelangt man auf das Gartenniveau. Der wohl erst seit dem frühen 20. Jh. durch ein Vordach geschützte Vordereingang ist von hier aus über eine vierstufige Pyramidentreppe zugänglich. Das Muschelkalkgewände ist in der Mitte des Sturzes mit einem Schlussstein akzentuiert. Dazu hat sich das bauzeitliche Türblatt mit überschobenen Füllungen und Ziermotiven im Stil Louis VI – Zahnfries, Diamantschnitt, Kanneluren, Tropfen - aus Eichenholz erhalten. Das durch einen Kämpfer davon geschiedene schmale Oblicht wird von einer filigranen Sprossierung in Form überkreuzter Spitzbogen gegliedert (vgl. das sehr ähnliche Türblatt des Gerichtsweibelhauses, Bauinventarobjekt OBK904).
Die innere Erschliessung erfolgt mittels eines Stichgangs, von dem je eine Treppe ins Obergeschoss und in den Keller mit den drei Gewölberäumen führt. Beide Stockwerke weisen dieselbe Raumaufteilung auf: In der Verlängerung des Flurs liegt die Küche (im Obergeschoss wohl erst anlässlich der Umwandlung in ein Zweifamilienhaus hinzugekommen), auf der Gartenseite sind eine Stube und eine Nebenstube, auf der Nordseite zwei weitere Räume angelegt.
Das Dachwerk besteht aus einer Sparrenkonstruktion auf liegendem Stuhl. Die noch 1992 bestehende originale Dachhaut wurde unterdessen durch neue, doppelt verlegte Biberschwanzziegel ersetzt. Auch die hölzernen Jalousieläden (neu Aluminium) und die alten Sprossenfenster mit Espagnolettverschluss wurden erneuert. Möglicherweise sind an historischer Ausstattung noch die ursprünglichen Wand- und Deckentäfer mit profilierten Friesen, das Tafelparkett und in den Gängen einfache Gipsdecken mit Stuckspiegeln erhalten (Beschreibung gemäss Kurzinventar 1993). Ein gusseiserner Anstellofen dürfte auf den Umbau von 1898 zurückgehen, ein grüner Kachelofen mit Sitzkunst auf jenen um 1913.
Eine zusätzliche Kammer wurde um 1900 im Dachgeschoss eingerichtet, das im Zentrum eine alte Rauchkammer aufweist.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Einzelelement, Erhaltungsziel A.
- ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Oberkulm 4140-1.
Anmerkungen:[1] Im Brandkataster sind u.a. eine Scheune und ein Speicher verzeichnet: Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075; CA.0001/0257-0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1938 (Vers.-Nr. Wohnhaus: 169; 205; 203; 200); (Vers.-Nr. Scheune: 201; 206; 204, 199); (Vers.-Nr. Speicher mit Ofenhaus und Knechtenkammer, später Waschhaus und Ofenhaus: 170; 207; 202; 198).
[2] Steiner 1991, S. 58.
[3] Walti 1995, S. 65. Er war 1826 Kommissionsmitglied für den Loskauf des Zehnten in Oberkulm und später für Bau und Finanzierung des 1851 eingeweihten Gemeindeschulhauses.
[4] Der Schätzwert des Hauses stieg 1879 von 9'200 auf 12'000 Franken und 1898 auf 16'800 Franken, vgl. Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0258: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1876-1898 (Vers.-Nr. 203).
[5] Walti 1995, S. 65.
Literatur:- Karl Steiner, Oberkulm. Zeitbilder aus der dörflichen Vergangenheit bis zur Gegenwart, 2. Ausgabe, Oberkulm 1991, S.58.
- Hans Walti, Oberkulm. Vergangenheit und Gegenwart in Bildern, Oberkulm 1995, S. 65.
- Michael Stettler, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 1, Basel 1948, S. 211.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075; CA.0001/0257-0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1938 (Vers.-Nr. 169; 205; 203; 200).
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=44238
 

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