INV-OBK910 Gautschi-Haus, 1810 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-OBK910
Signatur Archivplan:OBK910
Titel:Gautschi-Haus
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Oberkulm
Ortsteil / Weiler / Flurname:Schoren
Adresse:Schoren 75
Versicherungs-Nr.:75
Parzellen-Nr.:458
Koordinate E:2652389
Koordinate N:1238073

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1810
Grundlage Datierung:Brandkataster; Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:Landhaus Dr. Hunziker (OBK909)
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerliches Wohnhaus

Dokumentation

Inschriften:"Friedrich Baschi 1831" (Ofenkachel)
Würdigung:Noch vom Ausklang der spätbarocken Bautradition geprägtes bäuerliches Wohnhaus aus der Zeit um 1810, das mit dem herrschaftlichen Landhaus Dr. Hunziker (Bauinventarobjekt OBK909) ein weithin sichtbares, landschaftsprägendes Ensemble in der Schoren bildet. Das wie der Wohnteil eines Vielzweckbaus mit seitlicher Eingangsachse konzipierte Gebäude besitzt eine nicht abschliessend geklärte, wohl mit dem Nachbarhaus verknüpfte Entstehungsgeschichte. Nördlich der Zufahrt ergänzt ein freistehender, ehemals zum Landhaus Dr. Hunziker gehörender Ökonomiebau die Anlage. Das Gautschi-Haus tritt als Mauerbau mit behäbigem Halbwalmdach und sorgfältig mit Stichbogen und Rechtecklichtern gestalteten Fassaden äusserlich weitgehend unverändert in Erscheinung. Der nordwestseitig angelegte Haupteingang bewahrt das originale Türblatt aus Nussbaumholz. Im Innern haben sich die Raumstruktur und einzelne Ausstattungselemente erhalten.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die auf einer aufbewahrten Frieskachel aufgemalte Inschrift nennt "Friedrich Baschi" als Auftraggeber des Kachelofens und "1831" als Jahr der Aufstellung. Derselbe Name und die Jahrzahl "1830" findet sich am Schlussstein über dem Hauseingang. Dabei handelt es sich wohl um eine umgangssprachliche Schreibweise des im Brandkataster verzeichneten Friedrich Bertschi [1]. Dieser wird 1831 als neuer Eigentümer des "Wohnhaus[es] von Stein, zwei Stok hoch, mit gewölbtem Keller und Ziegeldach" und einem Schätzwert von 4200 Franken eingetragen, das zuvor Joseph Holliger gehört hatte und gemäss Versicherungsnummer bereits um 1810 errichtet wurde [2]. Der Schätzwert blieb trotz des Eigentümerwechsels und offenbar einiger Ergänzungen in der Ausgestaltung derselbe. Die Liegenschaft umfasste gemäss Brandkataster auch eine abgesondert stehende, einst zum Landhaus Dr. Hunziker gehörende Scheune und ein Waschhaus mit Holzschopf [3].
Dem Haus, das im Grundriss wie der Wohnteil eines Vielzweckbaus mit einem der Wohnung entlanglaufenden Korridor konzipiert ist und nach Osten nur wenige Fenster aufweist, war wohl nie ein Ökonomieteil angegliedert. Ein solcher wäre mit dem benachbarten Landhaus in Konflikt geraten und hätte die repräsentative Wirkung des streng symmetrisch angelegten Baukörpers gemindert. Mit dem bäuerlichen Wohnhaus beabsichtigte der Erbauer vermutlich, dem Landhaus in Ergänzung zur bereits bestehenden Scheune einen Landwirtschaftsbetrieb anzugliedern. Die gewählte dezentrale Erschliessung hatte unter anderem den Vorteil kurzer Wege zwischen den beiden Gebäuden.
1842 kaufte Friedrich Bertschi das stattlichere Nachbargebäude (Landhaus Dr. Hunziker, Bauinventarobjekt OBK909) hinzu, womit beide Liegenschaften in der Schoren eigentümerrechtlich miteinander vereint wurden. Nach dem Ableben der Bertschis gingen diese an Johannes Schaub & Mithafte, der sie wieder getrennt weiterverkaufte. 1862 wurde Johannes Erni (?) als Eigentümer aufgeführt. Vermutlich durch Einheirat ging die Liegenschaft 1873 an Hermann Gloor über und nach dessen Tod 1877 an die Wittwe Ernis und die Kinder. Der 1888 neu eingetragene Eigentümer Adolf Gloor war möglicherweise der Bruder Hermanns, auf jeden Fall aber der Sohn von Gemeindeammann Johann Rudolf Gloor (1852-72). 1918 folgte Gottlieb Frischknecht, 1925 Fritz Hunziker, Alberts, beide Landwirte.
Eine bauliche "Verbesserung", die eine erhebliche Erhöhung des Schätzwertes von 5'150 auf 8'400 Franken zur Folge hatte, ist im Brandkataster 1865 vermerkt. Aus dieser Zeit könnte der bestehende klassizistische Kachelofen in der Stube der Erdgeschosswohnung stammen.
Beschreibung:Der nur wenige Meter weiter nordwestlich, in fristparalleler Ausrichtung zum Landhaus Dr. Hunziker in der Schoren stehende Mauerbau ist das Wohnhaus eines Landwirtschaftsbetriebs, dem seit dem frühen 19. Jh. die ehemals zum Landhaus gehörende freistehende Scheune (Vers.-Nr. 76) nördlich davon zugeordnet ist. Die Zufahrt von der Gontenschwilerstrasse her führt dazwischen, vor dem Landhaus Dr. Hunziker vorbei. Die aus dem späten 18. und der Zeit um 1810 stammenden, noch spätbarock geprägten Hauptgebäude bilden, in ihrer gestaffelten Annordnung in der Wynaebene weithin sichtbar, ein landschaftsprägendes Ensemble von herrschaftlicher Ausstrahlung.
Der zweigeschossige Mauerbau ist unter einem geknickten Satteldach mit Halbwalmen auf doppeltem liegenden Stuhl geborgen. Die südliche, dem Garten zugewandte Traufseite bildet wie beim Landhaus die Hauptfassade. Die hier in sechs Achsen regelmässig angeordneten Fenster sind im Erdgeschoss mit stichbogigen Gewänden aus Muschelkalk eingefasst, im Obergeschoss mit hölzernen Rechteckgewänden und profilierten Gesimsen. Aussergewöhnlich für den Typ des freistehenden Wohnhauses ist die exzentrische Lage des Eingangs in der östlichsten Achse. Die westliche, je nach Geschoss zwei- bis dreiachsige gegliederte Giebelfassade zeigt auch im Ober- und Dachgeschoss Stichbogenfenster mit Sandsteingewänden, im Erdgeschoss hingegen gekuppelte Rechtecklichter zur Hinterkammer. Nahezu fensterlos ist die östliche Stirnmauer, die – etwas aus der Mittelachse verschoben – an beiden Wohngeschossen nur ein einzelnes Rechtecklicht und am unteren Dachgeschoss ein Ochsenauge aufweist. Die hofseitige, nach Nordwesten ausgerichtete Eingangsfront besitzt anstelle einer früheren, wohl ebenfalls nicht ursprünglichen, Holzlaube ein aus dem 20. Jh. stammender, gemauerter Anbau, der das nachträglich ergänzte Badezimmer mit WC enthält [4]. Zum unteren Küchenfenster, das sich in der Mittelachse anschliesst und als gekuppelte Öffnung mit Stichbogenabschluss und Fenstergitter gestaltet ist, hat sich der äussere Teil des alten Schüttsteins aus Muschelkalk erhalten. In der östlichen Achse führt eine zweiläufige Freitreppe aus Sandstein zum auffallend breiten Hauseingang, der noch das aus Nussbaumholz gefertigte zweiflüglige Türblatt mit oben gefelderten und unten überschobenen Füllungen bewahrt. Mittels profiliertem Kämpfer ist davon ein schmales Oblicht geschieden. Das Muschelkalkgewände verweist mit einer Inschrift im Schlussstein des Stichbogensturzes auf das Jahr "1830" und den damaligen Eigentümer Friederich Bertschi. Die Tür öffnet auf einen entlang der östlichen Umfassungsmauer durchlaufenden Gang mit Hinterausgang zum Garten. Die Wohnungsfläche zeigt eine gängige vierteilige Raumstruktur mit nach Süden ausgerichteter Stube und Nebenstube sowie nordseitig angelegter Küche und Hinterkammer. Zwischen der gegenüber der Stube etwas schmaleren Küche und dem Gang sind die Treppen zum Gewölbekeller sowie in das zusätzlich durch einen Stichgang erschlossene Obergeschoss eingefügt.
An historischer Ausstattung haben sich in der unteren Stube die Sichtbalkendecke und ein hellblau-weisser Kachelofen erhalten, der aus der Umbauphase um 1865 stammen dürfte und im 20. Jh. eine neue Sitzkunst erhielt. Von der einst in der Stube der Obergeschosswohnung stehenden "Aarauer Kunst" wird die oben erwähnte Kachel mit Inschrift "Friederich Baschi 1831" aufbewahrt. Die weisse Frieskachel mit manganfarbener Malerei zeigt das damals verbreitete Motiv der mit Girlanden behängten Fruchtschalen auf Postamenten. Das ursprüngliche Wand- und Deckentäfer wurde entfernt, so dass teilweise die Balkendecken sichtbar sind. Inneres ansonsten modernisiert (Beschreibung gemäss Kurzinventar 1993).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Gemäss Steiner ist "s Baschis" auch ein Beiname für Angehörige der Familie Hunziker. Die Hälfte aller in Oberkulm überlieferten Beinamen wurden gebraucht, um zwischen den vielen verschiedenen Familien mit dem Namen Hunziker unterscheiden zu können, vgl. Steiner 1991, S. 145.
[2] Wie Holliger zur Liegenschaft gekommen war, ist nicht überliefert. Jedoch kann aufgrund eines Fertigungsprotokolls vermutet werden, dass seine Schulden beim Hauptmann Karl May von Belletruche, Mitglied des souveränen Rats der Stadt und Republik Bern, in der Höhe von 9000 Schweizerfranken für den Verkauf seiner Liegenschaft in der Schoren ausschlaggebend waren. Die May waren eine einflussreiche Berner Patrizierfamilie, in deren Besitz sich seit dem ausgehenden Mittelalter auch die Herrschaft Rued befand. Steiner 1991, S. 62.
[3] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1849 (Vers.-Nr. 47 (Wohnhaus), 48 (Scheune), 49 (Waschhaus)). Die 1829 unter der Ver.-Nr. 48 verzeichnete Scheune war im vorhergehenden Brandkataster noch unter derselben Vers.-Nr. 33 erfasst wie das Landhaus Dr. Hunziker. Das 1829 erstmals verzeichnete Waschhaus wurde 1858 von Rudolf Hunziker in Ergänzung zum Landhaus erworben und im Folgejahr durch eine Scheune ersetzt.
[4] Eine Laube ist erstmals im Brandkataster von 1899 vermerkt: Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1899-1938 (Vers.-Nr. 75).
Literatur:- Karl Steiner, Oberkulm. Zeitbilder aus der dörflichen Vergangenheit bis zur Gegenwart, 2. Ausgabe, Oberkulm 1991, S. 62, 145.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05/0075; CA.0001/0257-0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1829-1938 (Vers.-Nr. 47; 64; 74; 75).
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=44232
 

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