INV-OLU910 Restaurant "Bauernhof", 1846 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-OLU910
Signatur Archivplan:OLU910
Titel:Restaurant "Bauernhof"
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Oberlunkhofen
Ortsteil / Weiler / Flurname:Oberdorf
Adresse:Zürcherstrasse 23
Versicherungs-Nr.:93
Parzellen-Nr.:168
Koordinate E:2672133
Koordinate N:1240736
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2672133&y=1240736

Chronologie

Entstehungszeitraum:1846
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wirtschaft, Restaurant

Dokumentation

Autorschaft:Johann Keusch, Boswil
Inschriften:"Erbaut anno 1846 renoviert 1921" (Türsturz Nordostseite),; "Restaurant J 1925 B Bauernhof" (Portalvorbau Südwestseite)
Würdigung:Das 1846 nach Plänen des Boswiler Baumeisters Johann Keusch errichtete bäuerliche Wohnhaus mit Pintwirtschaft ist ein stattlicher Bau unter geknicktem Satteldach mit markanten Zwerchgiebeln, der mit dem vorgelagerten Zier- und Nutzgarten sowie der mächtigen zugewandten Stallscheune eine von weither sichtbare, strassenraumprägende Baugruppe bildet. Die in spätklassizistisch-biedermeierlichem Stil streng axial gegliederten Fassaden sind stirnseitig reich befenstert, mit zeittypischen Zwillingslichtern und Lünetten gestaltet und seit der Ausrichtung auf die neu angelegte Zürcherstrasse 1925 im Südwesten mit einem repräsentativen Portalvorbau akzentuiert. Das Innere bewahrt die grosszügige dreiraumtiefe Struktur samt Innentreppe, Türen und teilweise Ausstattungen des Biedermeiers wie schlichte Täfer und Stuckdecken. Im Erdreich befinden sich ein langer, quer zum First verlaufender Gewölbekeller und ein Balkenkeller. Dem exponiert gelegenen Restaurant "Bauernhof", das am östlichen Ortseingang die historische Bebauung eröffnet, kommt ein hoher Situationswert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Gleichzeitig mit dem neuen Wohnhaus an der Strasse nach Jonen (Bauinventarobjekt OLU903) liess Untervogt Hans Jakob Hagenbuch um 1745 im Oberdorf, an der alten Strasse nach Arni, einen neuen Hof errichten. Dieser ging später an seinen älteren Sohn Johann überging und ist bis heute in Familienbesitz geblieben. Schon 1830 wurde dem damaligen Eigentümer, Gemeindeammann Jakob Hagenbuch, die Führung einer Pintenwirtschaft bewilligt [1]. 1846 liess sich der Gemeindeschreiber Johann Hagenbuch von Baumeister Johann Keusch aus Boswil an gleicher Stelle ein neues Haus errichten, in welchem die Wirtschaft weitergeführt wurde [2]. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wurden dabei vom Vorgängerbau die Kellerräume, möglicherweise aber auch die Grundanlage mit Aussenmauern und Dachkonstruktion übernommen [3].
Da der alte Strassenlauf nach Arni (heute Bannweg) an der Südostfassade des Gebäudes vorbeiführte, wurde die dorfauswärts gerichtete, hofseitige Trauffassade ursprünglich als Hauptfront angesehen (vgl. historische Aufnahme, Bilddokumentation). Mit dem Bau der Zürcherstrasse um 1925 änderte sich die Ausrichtung des Gebäudes, indem der Mittelrisalit mit dem Treppenhaus und den Toiletten an der talwärts blickenden Trauffront einen repräsentativen Portalvorbau mit Freitreppe erhielt. Auch die Einfriedung und Anlage des nach barocken Vorbildern angelegten Nutz- und Ziergartens mit Buchsbaumhecken geht auf die 1920er-Jahre zurück.
Bereits auf der Michaeliskarte um 1840 ist quer zum Wohngebäude, in traufständiger Ausrichtung zur Strasse, ein grosses Ökonomiegebäude eingezeichnet. Die heute bestehende stattliche Stallscheune (Vers.Nr. 95) mit drei Ställen und zwei Tennen sowie giebelseitiger Hocheinfahrt reicht mindestens in die zweite Hälfte des 19. Jh. zurück. Die Stallwände mit den stichbogigen Fenster- und Türöffnungen wurden 1908 neu aufgemauert, was mit einer Erhöhung des Versicherungswertes von 14'700 auf 21'700 Franken verbunden war [5].
Beschreibung:Das Restaurant "Bauernhof" ist ein breitgelagerter Bau unter einem markanten, leicht geknickten Satteldach. Die unteren beiden Geschosse sind in Bruchstein aufgeführt, während die Giebelfelder wie auch die An- und Aufbauten (mit Ausnahme des Treppenhaus-Erdgeschosses) aus verputztem Fachwerk bestehen. Die Fassaden zeigen eine für die spätklassizistisch-biedermeierlichen Architektursprache charakteristische, streng axiale Gliederung. Ein glattes Putzband trennt das Ober- vom Erdgeschoss, während die bretterverschalten Dachuntersichten von einem einfachen Würfelfries aus Holz begleitet werden. Die nach Südosten und Nordwesten orientierten Stirnfronten sind mit sechs regelmässig verteilten Rechtecklichtern je Hauptgeschoss besonders stark durchbrochen. Vier Fenster belichten die Räume im unteren Dachgeschoss, während darüber gekuppelte Rundbogenfenster und direkt unter dem First zeittypische Lünetten eingelassen sind. Diese Öffnungen im oberen Dachbereich dienen der Belüftung und sind nur mit Holzjalousien sowie floralem Sägezierwerk verschlossen. Die Trauffassaden gliedern sich jeweils in eine zentrale Erschliessungsachse und beidseitige Einzelfenster. Die Mitte der talseitigen Trauffront nimmt ein stark überhöhter Treppenhausrisalit mit geradem Zwerchgiebel ein, der durch den aufwändigen Portalvorbau von 1925 mit darüber liegendem Balkon zur Schaufassade umgestaltet wurde (Inschrift " RESTAURANT J. 1925 HB BAUERNHOF"). Die hohen Podeste der in Kunststein gehauenen Säulen tragen figürliche Reliefs, welche den Bauernstand symbolisieren. Den Balkon schmückt ein schmiedeeisernes Geländer mit einzelnen goldgefassten Blüten und Voluten, das von zwei Brüstungspfeilern mit Vasen gerahmt wird. Über der Balkontür ziert ein Kunststeinmedaillon mit dem Relief eines Baumes die Fassade. Die unter dem Balkon von der Witterung geschützte Haustür bewahrt ein historistisches Türblatt mit Oberlicht und kunstvoll geschmiedetem Fenstergitter. Einfache Gitter sind auch an den seitlichen Fenstern angebracht. Zwischen dem Eingang und dem Strassenniveau vermittelt eine breite vierstufige Freitreppe. Die Mittelachse der ehemals als Hauptfassade konzipierten Rückseite bekrönt ein zweiachsiger Dacherker. Der Hauseingang ist hier ebenerdig angelegt. Er wird nach einem in der Mitte des 19. Jh. beliebten Schema von zwei schmalen vergitterten Lichtern flankiert und besitzt ein gut erhaltenes beschnitztes Biedermeiertürblatt von 1846, mit Pilaster-, Dreieck- und Fächermotiven. Eine teils eingemeisselte, teils aufgemalte Inschrift im Sturz ("Erbaut anno 1846 renoviert 1921") verweist auf das Baujahr und die erste grössere Renovation 1921, bei welcher der damalige Haupteingang ein gläsernes Schutzdach auf schmiedeeisernen Art déco-Konsolen erhielt.
In den Hauptgeschossen sind die Tür- und Fenstereinfassungen in Stein gearbeitet, in den aus Fachwerk aufgeführten Teilen aus Holz mit rahmenden Leisten. Vor allem auf der wetterexponierten Nordwestfassade erhielten einige Fenster im 20. Jh. neue Gewände und Gesimse aus Zement. Zum stimmigen Fassadenbild tragen die achtteilig sprossierten Holzfenster bei, welche teilweise noch aus der Bauzeit stammen und mit Espagnolettenverschluss zu betätigen sind.
Im Innern trennen geräumige, quer zur Firstrichtung durchlaufende Mittelkorridore jedes Geschoss in zwei Hälften. Das südostseitige Vorderhaus umfasst im Erdgeschoss neben der Wirtsstube zwei "Säli", die früher vom Gang aus beheizt werden konnten. Im Hinterhaus sind die "Schöne Stube", die Küche und ein Zimmer untergebracht. Die "Schöne Stube" bewahrt noch die einfache Naturholz-Vertäferung aus der Bauzeit. Im ebenfalls vertäferten "Säli" in der östlichen Hausecke zeigen zwei Portraitgemälde aus der Bauzeit des Hauses den Bauherrn, Gemeindeschreiber Johann Hagenbuch, und die erste seiner drei Gattinnen, eine geborene Nauer. Das Obergeschoss beherbergt sechs Zimmer (eines teilweise als Bad umgenutzt), von welchen einige Gipsdecken mit schlichten Stuckprofilen, Naturholztäfer und Bohlenböden mit Eichenrahmungen aufweisen. Das von aussen als Risalit ablesbare Treppenhaus ist auf den Zwischenpodesten mit Toiletten ausgestattet, deren schmale Fenster die Treppenhauslichter flankieren.
Das untere Dachgeschoss, das eine den Wohngeschossen vergleichbare Einteilung mit Mittelgang und darum herum angeordneten Stauräumen besitzt, beeindruckt durch seine ungewöhnliche Raumhöhe. Die Binnenwände sind teilweise als Bohlenständerkonstruktion erstellt. Das kunstvolle barocke Beschläg einer dazugehörigen Tür dürfte in Zweitverwendung in den Dachraum gelangt sein; möglicherweise gehört es zur Ausstattung des Kernbaus aus dem mittleren 18. Jh. Das Dachgerüst besteht aus einer Sparrenkonstruktion mit liegendem Stuhl und Hahnenbalken. Die eingezapften Kopfhölzer sind zusätzlich mit Holznägeln fixiert, als Windverband dienen Andreaskreuze.
Unter dem Hinterhaus erstreckt sich quer zur Firstrichtung ein langer, tonnengewölbter Keller, der einen zusätzlichen Aussenzugang für den Transport sperriger Gegenstände wie Fässer aufweist. Unter dem Vorderhaus und Mittelgang befanden sich einst zwei Keller mit Balkendecken und Holzstützen, von welchen sich der südliche erhalten hat, während der andere wegen Schäden an der Konstruktion aufgefüllt wurde.
Der Garten bewahrt die Einfriedung aus den 1920er-Jahren, bestehend aus einem mit Spitzen bewehrten Gitter, das von steinernen Eckpfeilern und einem niedrigem Mauersockel gefasst wird; auch der zugehörige Laufbrunnen aus Granit ist noch vorhanden.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
- ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Oberlunkhofen 4073-6.
Anmerkungen:[1] Die bereits 1798 von Pfarrer Fischer erwähnte Wirtschaft des alt Untervogt Hagenbuch selig, befand sich vermutlich im stattlichen Haus an der Zugerstrasse 3 (Bauinventarobjekt OLU903), Bürgisser 1993, S. 159; Bürgisser 1990, S. 41, 52-53 (Anm. 11).
[2] Bürgisser 1993, S. 57. Im Depositum Keusch (StAA), das verschiedene Schriftstücke wie Kostenvoranschläge und Bauabrechnungen und etliche, leider meist nicht beschriftete Planzeichnungen von Johann Keusch umfasst, befinden sich zwei von Johann Hagenbuch an Keusch gerichtete Briefe. Keusch baute 1848 auch den neuen Glockenstuhl und die Laternenhaube des Kirchturms (gemäss Kurzinventar 1996).
[3] Dafür, dass nicht nur die Kellerräume, sondern auch aufgehende Teile vom Vorgängerbau übernommen wurden, sprechen die Firstrichtung, die breit gelagerten Proportionen und das geknickte Hauptdach des Gebäudes, von dem sich die geraden Zwerchgiebel von 1846 absetzen. Gestützt wird die Vermutung durch den Vergleich mit dem nur 7 Jahre später für Josef Karpf erbauten Haus an der Zugerstrasse 24 (OLU906).
[4] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0097: Brandkataster Gemeinde Oberlunkhofen 1899-1938.
Literatur:- Walter Bürgisser, Oberlunkhofen im Wandel der Zeit, Wohlen 1993, S. 57, 159-160, 229-230.
- Walter Bürgisser, Flucht des Pfarrers von Lunkhofen beim Einmarsch der Franzosen im Jahre 1798, in: Bremgarter Neujahrsblätter 1990, S. 32-54.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 113.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0097: Brandkataster Gemeinde Oberlunkhofen 1899-1938.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, III-13, 11.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=45006
 

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