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INV-UMI902 Eisenbahnviadukt der Bözberglinie, 1873-1875 (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1873 - 1875 |
Grundlage Datierung: | Literatur |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Verkehrs- und Infrastrukturbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Brücke |
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Dokumentation |
Autorschaft: | Robert Moser, Ingenieur, Schweizerische Nordostbahn (NOB), Zürich |
Würdigung: | 1873-75 für die Bözberglinie erbaute Eisenbahnbrücke über die Aare, die heute bereits einen Oberbau dritter Generation besitzt. Bei einer Länge von 233 Metern und einer Höhe von rund 30 Metern schwingt sich die Brücke vom Bahnhof Brugg her mit einer markanten Kurve und einer Steigung von 12 Promille an den Abhang des nördlichen Aareufer. Auf den hohen Mauerpfeilern lag ursprünglich ein filigraner sogenannter Pauli-Träger, der bereits 1902-05 durch einen jüngeren Eisenfachwerkträger und 1993-96 durch den heutigen Betonhohlkastenträger ersetzt wurde. Die Brücke ist damit ein Beispiel für eine tiefgreifende technische Anpassung, die trotzdem gewisse Eigenheiten des ursprünglichen Bauwerks bewahrt. Zusammen mit dem auf der Brugger Seite anschliessenden hohen Bahndamm ist sie in der Umgebung weithin sichtbar. Sie stellt damit nicht nur ein Wahrzeichen in der Aareebene von Brugg dar, sondern eine der landschaftlich prominentesten Eisenbahnbrücken des schweizerischen Mittellandes. Für den Eisenbahnknoten von Brugg ist die Brücke trotz ihrer mehrfachen Veränderungen ein erstrangiges verkehrsgeschichtliches Denkmal. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Die Aaarebrücke von Brugg wurde 1873-75 für die gemeinsam von der Schweizerischen Nordostbahn (NOB) und der Schweizerischen Centralbahn realisierte Bözberglinie erbaut [1]. Sie bildete neben dem Scheiteltunnel die zweite bedeutende Kunstbaute der Strecke, die seither die kürzeste Verbindung zwischen Zürich und Basel darstellt und in dieser Funktion die 1858/59 eröffneten Linien über Olten respektive Koblenz-Waldshut ersetzte. Die Brücke war ein Gemeinschaftswerk zweier bedeutender Eisenbahningenieure: Die Gesamtleitung des Projekts lag bei Robert Moser, Oberingenieur der NOB; für den stählernen Oberbau schrieb man hingegen einen Wettbewerb aus, den der Brückenbauingenieur Beat Gubser mit seiner Firma in Wil SG gewann. Nach dessen Projekt wurden die gemauerten Pfeiler mit fünf sogenannten Pauli-Trägern überspannt, einem materialsparenden und damit auch kostengünstigen Fachwerk in Fischblasenform, über dem die Fahrbahn aufgeständert war und das eine ausgesprochen filigrane Erscheinung hatte (vgl. Bilddokumentation). Während die Pfeiler von Anfang an auf einen Doppelspurausbau ausgelegt waren, wurde der Träger vorerst nur einspurig ausgeführt. Die Ausführung des aus Walzeisen konstruierten Stahlbaus lag bei der Brugger Firma Wartmann und Vallette. Die Brücke blieb die einzige Vertreterin dieses konstruktiven Systems in der Schweiz und galt, wie die „Schweizerische Bauzeitung“ 1903 angesichts des beabsichtigten Neubaus in Erinnerung rief, „in Fachkreisen als eine der schönsten und interessantesten der Schweiz“ [2]. Für ihre zeitgenössische Bedeutung spricht auch der Umstand, dass sie im ersten Heft der vom Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein (SIA) herausgegebenen Reihe „Die Bauwerke der Schweiz“ prominent dargestellt wurde [3]. Weil die Pauli-Träger den Anforderungen der 1892 in Reaktion auf den Brückeneinsturz von Münchenstein erlassenen Brückenbauverordnung nicht mehr genügten, drängte sich eine erste Erneuerung auf, die von der NOB angesichts der bevorstehenden Verstaatlichung allerdings aufgeschoben wurde [4]. Gleichzeitig sollte der Doppelspurausbau der Bözberglinie realisiert werden. 1902 erarbeiteten die SBB ein Projekt für den Ersatz des alten Oberbaus durch Halbparabelträger in Stahlfachwerk. Der mittlerweile als selbständiger Ingenieur tätige Robert Moser, der sich seit den 1890er Jahren als Verfechter von Steinbrücken hervorgetan hatte, legte ein Gegenprojekt vor, welches die bestehenden Pfeiler in eine gemauerte Rundbogenbrücke einbezog. In der Folge bot die „Schweizerische Bauzeitung“ bot Mosers Argumenten eine Plattform. Diese betonten in zeittypischer Rhetorik zum einen den volkswirtschaftlichen Nutzen: „Während wir für das Eisen dem Ausland tributpflichtig sind, haben wir gute Bausteine in Hülle und Fülle. Die Bevorzugung der steinernen Bauwerke hat daher auch einen volkswirtschaftlichen, vaterländischen Hintergrund.“ Zum anderen bezog man sich aber auch auf die „ästhetische Seite“, die „in der schönen landschaftlichen Umgebung der klassischen Vindonissa wahrlich nicht zurückgesetzt zu werden“ verdiene, wobei der Hinweis offensichtlich auf die antikisierenden Formen von Mosers Bogenbrücke anspielte [5]. Das Verhältnis der Brücken zum Landschaftsbild war neben den Baukosten und der Dauerhaftigkeit denn auch eines der Argumente, welches von Moser, insbesondere aber auch von der Heimatschutzbewegung um 1900 immer wieder zugunsten von Steinbogenbrücken vorgebracht wurde [6]. Die SBB erarbeiteten auf der Grundlage von Mosers Projekt eine modifizierte Variante, die schliesslich jedoch zugunsten der Stahlfachwerkbrücke mit Halbparabelträgern verworfen wurde. Vermutlich nach Projekt von Ingenieur Otto Meister wurde diese bis 1905 ausgeführt. Um den Ausbau ohne Betriebsunterbruch zu ermöglichen, wurden die beiden Fahrtrichtungen konstruktiv unabhängig ausgestaltet, weshalb die Brücke mit ihren fünf Jochen über insgesamt zehn Fachwerkträger verfügte. 1932 erfolget die Elektrifizierung der Bözberglinie. Eine zweite umfassende Erneuerung drängte sich in den 1990er Jahren wegen der gestiegenen Anforderungen an die Tragfähigkeit und wegen der vom Fachwerkträger ausgehenden Lärmimmissionen auf [7]. 1993-96 wurde das Stahlfachwerk durch einen Betonhohlkastenträger ersetzt, womit die Brücke einen vollständig neuen Oberbau erhielt. Dieser wurde über provisorischen Hilfspfeilern auf der Unterwasserseite der Brücke betoniert und anschliessend in zwei Etappen in seine definitive Position verschoben, wodurch während der gesamten Bauzeit ein zumindest einspuriger Betrieb möglich war, mit Ausnahme einer Sperrung von lediglich zehn Stunden. Wegen der entstehenden Mehrbelastung wurden die Landpfeilerfundationen mit sogenannten Jettingpfählen unterfangen und das Widerlager am Nordufer verstärkt. Auch ersetzte man den als Hängebrücke zwischen die Pfeiler gespannten Fussgängersteg durch einen analog konstruierten Neubau. |
Beschreibung: | Die Aarebrücke bildet zusammen mit dem anschliessenden Bahndamm den Anfang der Bözberg-Nordrampe. Unmittelbar nach der Ausfahrt aus dem Bahnhof Brugg steigen die Gleise in einer Rechtskurve steil an, um sich auf dem Damm zuerst mit dem Verbindungsgleis aus Richtung Birrfeld (-Gotthard) zu vereinigen und sich anschliessend mit einer Gegenkurve über die Brücke ans Nordufer der Aare zu schwingen. Mit ihrer grossen Höhe treten Bahndamm und Brücke im Aaretal weithin prominent in Erscheinung. Im unmittelbaren Umfeld wirken sie gleichzeitig als Schranke, indem sie das zur Entstehungszeit noch weit vor der Stadt gelegene Altenburg räumlich von der Stadt trennen und heute das Brugger Siedlungsgebiet durchschneiden. Bemerkenswert ist die Brücke durch den Umstand, dass sie sowohl in einer Steigung als auch in einer Kurve liegt. Bei einer Länge von 234 Metern und einer Höhe von 32 Metern führt sie mit der Maximalsteigung der Bözberglinie von 12 Promille bergwärts und beschreibt dabei einen Radius von 480 Metern. Das fünfjochige Bauwerk teilt sich in den noch aus der Entstehungszeit stammenden steinernen Unterbau und dem heute als Betonträger konstruierten Oberbau. Die vier Pfeiler sind ebenso wie die beiden Widerlager aus grob bossierten Jurakalksteinen gemauert. Die beiden Mittelpfeiler setzen dabei im Flussbett direkt auf dem anstehenden Fels auf; die beiden Landpfeiler hingegen mussten entsprechend fundiert werden. Auf halber Pfeilerhöhe verbindet ein als Hängebrücke konstruierter Fussgängersteg über die mittleren drei Joche die beiden Ufer. 1993-96 durch einen Neubau ersetzt, folgt er mit der Aufhängung an einem durchgehenden Drahtseil der Konstruktionsweise seines Vorgängers von 1873-75. Rundbogige Durchgänge gewähren den Durchlass durch die Pfeiler. Der Oberbau, der zuvor bereits zwei Generationen unterschiedlicher Eisenfachwerkträger erlebt hatte (vgl. Baugeschichte), besteht seit 1996 aus einem Betonhohlkastenträger. Dieser ist als Durchlaufträger über alle fünf Joche konstruiert und ruht in Topflagern auf den einzelnen Pfeilern. Durch die gevoutete Form des Hohlkastens (bogenförmige Unterkante) werden die Joche mit leichtem Schwung überspannt; rautenförmig vorspringende Stege über den Auflagern gliedern den Träger zudem an seiner Ansichtsseite. Die Fahrleitungsmasten stehen jeweils über den Pfeilern sowie in der Mittelachse der einzelnen Joche. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung, Erhaltungsziel A. - Schweizer Bahnbrücken, Hg.: SBB, Fachstelle für Denkmalpflege u. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK (Architektur- und Technikgeschichte der Eisenbahnen in der Schweiz, Bd. 5), Zürich 2013, S. 90-97 (Kat. 9). |
Anmerkungen: | [1] Zur ursprünglichen Brücke von 1873-75 vgl. Schweizer Bahnbrücken 2013, S. 90; SBZ 1903. Zu Robert Moser (1838-1918) vgl. den Art. in: Neue Deutsche Biographie 1997 sowie den Nekrolog in SBZ 1918; zu Beat Gubser (1836-1882) den Nekrolog in SBZ 1883. [2] SBZ 1903, Bd. 41, S. 155. [3] Bauwerke der Schweiz 1896. [4] Zum ersten Umbau vgl. SBZ 1903; Badener Tagblatt 1984. [5] SBZ 1903, Bd. 41, S. 156. [6] Vgl. Schweizer Bahnbrücken 2013, S. 16-18. [7] Zum Umbau von 1993-96 vgl. Schweizer Bahnbrücken 2013, S. 92; Marti / Monsch / Laffranchi 2001, S. 168-170. |
Literatur: | - Art. ‚Robert Moser‘, in: Neue Deutsche Biographie 18 (1997), S. 203f. (digitalisiert: http://www.deutsche-biographie.de/pnd137575157.html) (zum Ingenieur). - Bauwerke der Schweiz, hrsg. vom Schweizerischen Ingenieur- & Architekten-Verein, Heft 1, Zürich 1896. - Die Eisenbahnbrücke über die Aare – ein Denkmal aus der Pionierzeit der Schiene, in: Badener Tagblatt, 18.1.1984 (Sonderbeilage „700 Jahre Stadtrecht Brugg“). - Nekrolog Robert Moser, in: Schweizerische Bauzeitung (SBZ), Bd. 71 (1918), S. 58f. u. Tf. 11. (zum Ingenieur). - Nekrolog Beat Gubser, in: Schweizerische Bauzeitung (SBZ), Bd. 1 (1883), S. 11f. (Nekrolog) (zum Ingenieur). - Peter Marti / Orlando Monsch / Massimo Laffranchi, Schweizer Eisenbahnbrücken, hrsg. von der Gesellschaft für Ingenieurbaukunst, Zürich 2001, S. 166-171. - Schweizer Bahnbrücken, Hg.: SBB, Fachstelle für Denkmalpflege u. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK (Architektur- und Technikgeschichte der Eisenbahnen in der Schweiz, Bd. 5), Zürich 2013, S. 90-97 (Kat. 9). - Schweizerische Bauzeitung (SBZ), Bd. 41 (1903) S. 11, 154-156, Bd. 42 (1903), S. 38f. |
Quellen: | - ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv: Ans_05444-002-AL-FL, Ans_05444-003-AL-FL. |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=45840 |
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