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INV-WEG903 Talmatt 33, 1828-1829 (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1828 - 1829 |
Grundlage Datierung: | Inschrift (Kachelofen) |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Landwirtschaftliche Bauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Bäuerlicher Vielzweckbau |
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Dokumentation |
Inschriften: | "Wolfgang Schmid / Hafnermeister in Gipf", "Egli Mahler in Arau 1829" (Kachelofen, Stube EG) |
Würdigung: | Grosszügig dimensioniertes Juragiebelhaus von 1828-29, das in einer Biegung der Talmatt in den Hang gebettet eine strassenraumprägende Stellung einnimmt. Der traufständige Vielzweckbau unter geknicktem durchlaufendem Satteldach wurde unter Verwendung des vor Ort abgetragenen Steinmaterials als erstes Gebäude an der Verbindungsstrasse nach Hellikon errichtet. In seiner bauzeitlichen Substanz nahezu vollumfänglich erhalten, zählt es mit seinem streng axial gegliederten Wohnteil, der eine Tür mit Zahnschnittkämpfer und Oblicht sowie die sorgfältig zubehauenen Fenstergewände bewahrt, und der von einem Korbbogenportal und schartenartigen Lüftungsöffnungen geprägten Scheune zu den wichtigsten und besterhaltenen spätklassizistisch-biedermeierlichen Bauzeugen im Wegenstettertal. Im Innern überrascht das Bauernhaus durch die aussergewöhnlich reiche Ausstattung, darunter als Prunkstück einen Kachelofen mit Sitzkunst von Hafnermeister Schmid aus Gipf und dem Aarauer Ofenmaler Egli. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Das 1828-29 für Katharina und Joseph Schreiber auf der Ostseite der Talmatt in den Hang gestellte Bauernhaus war das erste Gebäude an der Verbindungsstrasse nach Hellikon [1]. Gegenüber folgte 1833 das vor einigen Jahren zum Wohnhaus umgenutzte Bauernhaus Talmatt 28 (Bauinventarobjekt WEG926), dorfeinwärts entstand 1841 bzw. 1845 mit den aneinandergefügten Vielzweckbauten Talmatt 42 und 48 (Bauinventarobjekte WEG904 und WEG905) eine kurze Häuserzeile. Das Gebäude war ursprünglich ein Mitterstallhaus mit aussen liegender Remise wie beispielsweise die Bauernhäuser Talmatt 48 (WEG905) und Hauptstrasse 20 (WEG908). Noch in der ersten Hälfte des 19. Jh. wurde auf der Rückseite ein Anbau angeschleppt, der mit seinen Mauern auch ein Waschhaus umfasste. Die alte Remise wurde vermutlich erst später zu einem zweiten Stall umgebaut. Jedenfalls erwähnt der Brandkatastereintrag von 1850 noch ein "Wohnhaus mit Scheune, Stall und Wagenschopf, nebst Anbau mit Waschhaus und Schweinestallschopf, von Stein, mit Ziegeldach und gewölbtem Keller" [2]. Ursprünglich bewohnte die Familie mit ihren zehn Kindern das ganze Haus. 1860 aber wurde das Gebäude von den betagten Eltern zu gleichen Teilen den beiden Söhnen aus zweiter Ehe, Josef Ambros und Sebastian Schreiber, überschrieben und in der Folge stockwerkweise in zwei Wohnungen unterteilt. Die detaillierten Nutzungsrechte beider Parteien wurden 1899 wohl wegen nachbarschaftlicher Streitigkeiten in einem Hausbrief festgehalten. Die angehobene, gerade verlaufende Dachfläche auf der Rückseite des Bauernhauses geht auf eine Veränderung der Laube im 20. Jh. zurück [3]. |
Beschreibung: | Der an einer sanften Strassenbiegung in der Talmatt stehende Vielzweckbau von 1828-29 bildet mit seiner nahezu vollständig intakt erhaltenen äusseren Erscheinung einen Blickfang am nordöstlichen Bebauungsast von Wegenstetten. Der stattliche Baukörper mit dem zeittypisch knappen, geknickten Satteldach ist aus Bruchsteinmauern von 60-70 Zentimeter Stärke aufgeführt. Das Kalksteinmaterial wurde direkt vor Ort gewonnen, wo der Bauplatz dem Hangfuss abgerungen werden musste [4]. Der zweigeschossige, regelmässig in vier Fensterachsen gegliederte Wohnteil blickt mit der südwestlichen Trauffassade auf die Strasse, während der Rückseite eine verglaste, mit Brettern eingewandete Laube vorgelagert ist. Die gefalzten rechteckigen Sandsteingewände weisen ein für die Zeitstellung charakteristisches, fein abgetrepptes und gekehltes Gesims auf (vgl. Bauinventarobjekte WEG901, WEG906, WEG912, WEG918, WEG919, WEG924). Der über eine dreiseitige Freitreppe aus Kalksteinen erreichbare Hauseingang ist unmittelbar neben dem Scheunentrakt angelegt. Er bewahrt ein Rechteckgewände aus Sandstein (ehemals fein profiliert, in jüngerer Zeit wegen Verwitterungsschäden mit Zementmörtel ausgestrichen) und das bauzeitliche Türblatt, eine Rahmenkonstruktion mit zwei Füllungen, von welchen die obere mit einem klassizistischen Tropfenmotiv verziert ist. Das mit einem Zahnschnittfries versehene Kämpferholz scheidet ein schmales Oberlicht aus. Neben dem Hauseingang führt parallel zur Fassade eine Aussentreppe zum Keller, der quer zur Firstrichtung mit einem Tonnengewölbe überspannt ist. Der mit einem Boden aus gestampfter Erde ausgestattete Raum ist durch eine Tür mit Sandsteinsturz und eichenen Pfosten zu betreten. Der Wirtschaftstrakt zeigt heute die Abfolge Stall, Tenn, Stall, wobei der aussen liegende Stall aus einer früheren Remise hervorgegangen ist. Rückwärtig schliesst ein jüngerer Schleppdachanbau an, der stirnseitig durch eine Einfahrt mit geschweiftem Jochbalken erschlossen ist. Dieser Anbau hat als Arbeits-, Speicher- und Abstellraum sowie als wettergeschützte Verkehrsfläche wichtige Funktionen inne. Mit seinen Mauern umschliesst er ausserdem ein Waschhaus, das schon vorgängig bestanden haben dürfte. Die strassenseitige Fassade des Scheunentrakts ist mit schmalen, in zwei Zonen angeordneten Lüftungsschlitzen rhythmisch gegliedert. Den Hauptakzent setzt das zeittypische Korbbogenportal mit diagonal gemusterten Torflügeln in der Mitte, dessen Gewände mit Schlussstein, kapitellartigen Bogenanfängern und Radabweisern gleichermassen aus blaugrünem Sandstein zugehauen ist. An den Stalleingängen und am rückwärtigen Tenntor sind währenddessen Eichengewände zu finden. Der Wohnteil verfügt auf beiden Stockwerken über nahezu identisch konzipierte Wohnungen mit für das 19. Jh. geläufigen Grundrissen [5]. Im Erdgeschoss läuft der Korridor quer durch, während im Obergeschoss die vordere Hälfte als schmale Kammer ausgeschieden ist. Das Treppenhaus befindet sich im rückwärtigen Bereich neben den Küchen, die zusammen mit einer Kammer das Hinterhaus besetzen. Stube und Nebenstube - im Obergeschoss ergänzt durch die erwähnte Kammer - bilden das strassenseitige Vorderhaus. Die Räume sind mit Gipsdecken und Tannenriemenböden ausgestattet. Von den grosszügig bemessenen Wohnstuben bewahrt die untere als Prunkstück einen 1829 datierten Kastenofen samt Sitzkunst aus der Werkstatt von "Wolfgang Schmid Hafnermeister in Gipf". Die grün glasierten Kacheln sind kontrastvoll mit einem für die Hafnerei Schmid typischen Nelkenmuster schabloniert. Unter den oberen Gesimskacheln verläuft ein Fries aus weissgrundigen Fayencekacheln, die vom Aarauer Ofenmaler Johann Heinrich Egli ("Egli Mahler in Arau") kunstvoll verziert sind. Als Motive wechseln Früchteschalen auf Podesten mit Sinnsprüchen sich ab mit Spruchschildern vor Vasen mit Blütenzweigen. Ein weiterer Biedermeierofen aus blauen Kacheln im Obergeschoss soll nachträglich von Zuzgen hierher versetzt worden sein. Die gestemmten zweifeldrigen Türblätter, das Knietäfer sowie die mit Mittelmedaillons bestückten Gipsdecken gehen vermutlich auf die Zeit der Hausaufteilung von 1860 zurück. Deren für bäuerliche Verhältnisse eher ungewöhnliche farbliche Fassung (Holzmaserierung, am Täfer mit dunklem Randstrich und ornamentalen Eckmotiven, die stuckierten Mittelmedaillons im Obergeschoss mit Blumenstrauss und Früchtekorb als Motiv) dürfte dagegen um 1900 oder Anfang des 20. Jh. hinzugekommen sein. Der mittels Zwischenboden über dem Kehlgebälk in zwei Ebenen aufgeteilte Dachraum wird von einer mit Falzziegeln eingedeckten Sparrenkonstruktion auf liegendem Stuhl und strebengestützter Firstpfette geborgen. Das Tenn und der rückwärtige Annexbau verfügen noch über einen gestampften Erdboden. Im älteren innen liegenden Stall haben sich das alte Läger aus Steinplatten, die hölzerne Futterwand und –krippe erhalten. Der jüngere Stall besitzt ein mit Tonplatten ausgelegtes Läger und eine aus Backsteinen aufgemauerte Futterwand mit Futterkrippen aus Zementguss. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung. |
Anmerkungen: | [1] Zu den Besitzern sowie zur Bau- und Nutzungsgeschichte vgl. Räber 2002, S. 355-356; Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, IX-12, 5. [2] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0586-0588: Brandkataster Gemeinde Wegenstetten 1850-1938. [3] Räber 2002, S. 355-356, 451-452. [3] Räber 2002, S. 355-356; Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, IX-12, 5. [4] Ein eigentlicher Steinbruch wurde einige Jahre später bis 1971 am Ortseingang weiter nördlich, ebenfalls an der Talmatt betrieben, Schreiber 1996, S. 254-255. [5] Angaben über die innere Ausstattung gemäss Räber 2002, S. 355-356; Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, IX-12, 5. |
Literatur: | - Edith Hunziker/Peter Hoegger, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 9, Bern 2011, S. 438-439. - Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Basel 2002, S. 124 (Abb. 194), 354-359, 380 (Abb. 721), 451-452 (Quellentext). - Hans Schreiber-Brändlin, Dorfgeschichte Wegenstetten, Wegenstetten 1996, S. 254-255. - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 162. |
Quellen: | - J. Ackermann, Aufnahmen von älteren Häusern und Hausgruppen, 1934, Blatt Nr. 13 (Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv). - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0586-0588: Brandkataster Gemeinde Wegenstetten 1850-1938. - Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, IX-12, 5. |
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Related units of description |
Related units of description: | siehe auch: DOK-WEG839-BI Bilder (Teilserie Dossier (Dokumenttypen))
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=47262 |
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