INV-WLO928 Bahnhof Würenlos, 1877 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-WLO928
Signatur Archivplan:WLO928
Titel:Bahnhof Würenlos
Bezirk:Baden
Gemeinde:Würenlos
Adresse:Bahnhofstrasse 8
Versicherungs-Nr.:8
Parzellen-Nr.:4842
Koordinate E:2669313
Koordinate N:1255398

Chronologie

Entstehungszeitraum:1877
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Verkehrs- und Infrastrukturbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bahnhof

Dokumentation

Autorschaft:Heinrich Gmelin (Architekt)
Würdigung:Stationsgebäude mit angebautem Güterschuppen, das 1877 nach einem Typenprojekt des Nordostbahn-Architekten Heinrich Gmelin erstellt wurde. Der Bahnhof entstand im Zusammenhang mit dem Bau zweier konkurrierender Eisenbahnlinien durch das Furttal, die 1877 im Abstand von nur zwei Wochen durch die Schweizerische Nordostbahn und die Nationalbahn eröffnet wurden, bevor der Konkurrenzkampf wenige Monate später durch den Konkurs der Nationalbahn entschieden war. Das in zeittypischen Formen des Schweizerischen Holzstils gehaltene Gebäude hat trotz diverser baulicher Veränderungen seinen Grundcharakter, wesentliche Teile der Konstruktion und einige zeittypische Zierelemente bewahrt. Es wird heute als Eventlokal, Laden und Ausstellungsraum genutzt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Erschliessung des Furttals durch die Eisenbahn war Resultat des Konkurrenzkampfs zwischen der Schweizerischen Nordostbahn (NOB) und der Schweizerischen Nationalbahn (SNB) [1]. Von Exponenten der sogenannten Demokratischen Bewegung getragen und als eine von Gemeinden und Kantonen getragene «Volksbahn» verstanden, sollte die Nationalbahn nach dem Willen ihrer Promotoren die vom Finanzkapital getragenen Privatbahnen konkurrenzieren. Zur Konkurrenzierung der Nordostbahn versuchte die Nationalbahn eine Ost-West-Verbindung durch das Mittelland zu erstellen, welche Zürich nördlich über das Furttal umging und damit gegenüber der bestehenden NOB-Strecke eine kürzere Verbindung erzielte. Da nach dem eidgenössischen Eisenbahngesetz von 1872 der Güterverkehr zwingend auf der kürzesten Verbindung abzuwickeln war, drohte die NOB damit ein bedeutendes Verkehrsvolumen zu verlieren. Sie versuchte die Konkurrenz daher mit allen Mitteln abzuwehren und entschloss sich ihrerseits zum Bau der sogenannten Schwenkelberglinie von Baden nach Niederglatt, welche als eigene Umgehungsbahn die kürzere Verbindung der SNB nochmals um ein geringes unterbot. In der Konzession verpflichtete der Bund die beiden Bahngesellschaften, den Streckenabschnitt zwischen dem Verzweigebahnhof Wettingen und Otelfingen im Furttal gemeinsam zu erstellen und zu betreiben. Aufgrund der Weigerung der NOB, die Mitbenutzung ihres Gleises durch die SNB zuzulassen, wurden schliesslich zwei parallele Schienenstränge ausgeführt. Die Stationsgebäude auf den gemeinsam benutzten Bahnhöfen Würenlos und Otelfingen wurden durch die Bauabteilung der Nordostbahn erstellt.
Im Oktober 1877 wurden die beiden konkurrierenden Linien durch das Furttal im Abstand von nur zwei Wochen eröffnet; nur wenige Monate später war die Auseinandersetzung durch den Konkurs der Nationalbahn im Februar 1878 freilich entschieden. Im anschliessenden Konkursverfahren erhielt die Konkurrentin NOB den Zuschlag für das Streckennetz de SNB, womit auch die Furttalbahn in den Besitz der NOB überging und die aus rein wirtschaftlich-strategischen Überlegungen erbaute Schwenkelberglinie, die kein wesentliches Verkehrsbedürfnis befriedigte, in der Bedeutungslosigkeit versank.
Beim Bahnhof Würenlos hielt man sich an das Typenprojekt eines kombinierten Stationsgebäudes für den Personen- und Güterverkehr, das vom Architekten Heinrich Gmelin, Leiter des Hochbaubüros der Nordostbahn in Zürich, entworfen worden war. Vom Normtypus des "mit dem traufständigen Dach des Güterschuppens verbundenen Wohn- und Aufnahmegebäudes mit Quergiebelabschluss" gelangten auf diesem Streckenabschnitt schliesslich nur zwei Gebäude zur Ausführung, dasjenige in Würenlos und ein zweites in Killwangen-Spreitenbach (1970 abgebrochen) [2].
Eine historische Aufnahme aus der Zeit um 1900 zeigt das Gebäude noch in seiner ursprünglichen Ausgestaltung als Fachwerk- und Holzbau mit Zierformen in der Art des Schweizer Holzstils (vgl. Fotodokumentation). Im Erdgeschoss befanden sich Büro, Wartsaal und Güterraum, während im Obergeschoss eine kleine Wohnung für den Stationsvorstand eingerichtet war. Wohl anlässlich der Elektrifizierung der Bahnlinie 1942 erfuhr das Aufnahmegebäude im Erdgeschoss eine erste grössere Umgestaltung. In den 1950er Jahren wurde ein freistehendes Nebengebäude mit WC-Anlage und Unterstand erstellt (Nebengebäude nicht Teil des Schutzumfangs). In der Zeit nach 1980 versah man das Aufnahmegebäude mit einer verputzten Aussenisolation, und es wurde eine Personenunterführung mit Aussenperron und normierter Wartehalle als Glas- und Metallkonstruktion realisiert. 2005 ging das alte Stationsgebäude mitsamt dem Güterschuppen in private Hände über; heute wird es als Ausstellungsraum und Laden sowie als Eventlokal genutzt.
Beschreibung:Das 1877 errichtete Stationsgebäude liegt nordwestlich des historischen Dorfkerns im zum Haselberg hin leicht ansteigenden Gelände. Auf der Siegfriedkarte um 1880 ist es noch als freistehender Baukörper weitab von der damals noch eng begrenzten dörflichen Bebauung auszumachen (vgl. Fotodokumentation). Der langgestreckte Baukörper setzt sich aus einem grossvolumigen hölzernen Güterschuppen und einem als Fachwerkbau errichten Aufnahmegebäude mit Quergiebelabschluss zusammen.
In seiner ursprünglichen Ausprägung präsentierte sich das zweigeschossige Aufnahmegebäude als schmucker Riegelbau mit wohlproportionierten Fassaden und detailreichen Zierformen in der Art des Schweizer Holzstils (vgl. historische Aufnahme um 1900). Namentlich im Obergeschoss und im Giebelfeld haben sich die bauzeitliche Fensteranordnung und Teile der alten Zierformen noch erhalten. Das Aufnahmegebäude zeigt einen T-förmigen Grundriss, bestehend aus einem giebelständigen Kopfteil mit ehemaligem Wartsaal und Stationsbüro sowie einem schmaleren traufständigen Teil mit Treppenhaus und zweitem Wartsaal. Durch das Abdrehen der Firstrichtung und das Zurücknehmen des traufseitigen Vordachs erfuhren die Wohnräume im Obergeschoss eine günstige Belichtung.
Westlich an das Aufnahmegebäude schliesst unter durchlaufendem Giebeldach der Güterschuppen an, welcher in gängiger Gerüstbauweise mit vertikaler Bretterschalung ausgeführt und mit einem massiven Steinsockel mit stirnseitiger Rampenauffahrt versehen ist. Die weitgehend geschlossenen Wandflächen bewahren an den Traufseiten noch die alten grossformatigen Toreinfahrten, während die ehemals grosszügige Befensterung der Giebelfront durch kleinere bandartige Lichtöffnungen ersetzt wurde. Die traufseitig weit ausladenden Dachflächen werden von einem kräftigen bauzeitlichen Sprengwerk getragen, das im offen belassenen Innern eindrücklich zutage tritt. Den stirnseitigen Dachvorsprung stützen sorgfältig beschnitzte Büge, die in gleicher Ausführung auch am Quergiebel des Aufnahmegebäudes vorzufinden sind.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Zur Geschichte der beiden Eisenbahnlinien vgl. Rainer Siegenthaler: Die «Schipkapass»-Bahn Bülach–Baden, in: Schweizer Eisenbahn-Revue, 2002, Nr. 8/9, S. 390–396; Nr. 10, S. 482–486 (Digitalisat ohne Abbildungen: [1] Zur Geschichte der beiden Eisenbahnlinien vgl. Rainer Siegenthaler: Die «Schipkapass»-Bahn Bülach–Baden, in: Schweizer Eisenbahn-Revue, 2002, Nr. 8/9, S. 390–396; Nr. 10, S. 482–486 (Digitalisat ohne Abbildungen: http://home.datacomm.ch/eisenbahn.info1/buelach_baden/schipkapass_bahn.pdf); Hans-Peter Bärtschi et al.: Die Nationalbahn. Vision einer Volksbahn, Wetzikon 2009
[2] Zur Geschichte des Stationsgebäudes vgl. Witschi 1984, S. 294-296; SBB-Inventar 2013.
Literatur:- Peter Witschi, Ortsgeschichte Würenlos, Würenlos 1984.
- Stationsgebäude Typ Würenlos der NOB (Kurzinventar der SBB-Fachstelle für Denkmalpflege, Stand Mai 2013/Verfasser Karl Holenstein, Markus Fischer)
- Ortsgeschichtlich interessante Gebäude in Würenlos, In: Würenloser Blätter 2010, S. 112.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=49074
 

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