Gewässer und Gewässerräume
Hier finden Gemeinden und Planungsbüros die raumplanerischen Grundlagen des Kantons, die es bei der bevorstehenden Ortsplanungsrevision im Bereich Gewässer und Gewässerräume zu berücksichtigen gilt.
1. Ausgangslage und strategischer Rahmen
Durch den Kanton Aargau führen knapp 3000 km Gewässer und beanspruchen ihren Raum sowohl innerhalb des Siedlungsgebiets als auch ausserhalb im Landwirtschaftsgebiet oder im Wald. Gewässer erfüllen unterschiedliche Funktionen: Sie dienen als Abflusskorridor für das anfallende Wasser bei Normal- aber auch bei Hochwasser, sie sind ein Vernetzungselement für Flora und Fauna und dienen insbesondere auch den Menschen als Ort der Naherholung. Im Siedlungsgebiet prägen sie das Ortsbild massgeblich und sind ein Identifikationsmerkmal für die Bevölkerung. Gewässer dienen jedoch auch als nutzbare Ressource – zur Bewässerung in der Landwirtschaft und zur Erzeugung von erneuerbarem Strom mittels Wasserkraftwerken. Durch Gewässerverbauungen und Stoffeinträge aus Haushalten, Industrie und Landwirtschaft wurden und werden die Gewässer stark beeinträchtigt. Damit sie auch künftig ihre zahlreichen Funktionen erfüllen können, ist deren Raumbedarf zu sichern. Die Ufervegetation (beispielsweise Gräser, Büsche und Bäume) schützt dabei die Gewässer vor Stoffeinträgen, Erwärmung und Ufererosion.
Die Kantone sind gemäss Art. 36a Bundesgesetz über den Schutz der Gewässer (GSchG) verpflichtet, den Raumbedarf der Gewässer festzulegen. Dieser Gewässerraum muss bei der Richt- und Nutzungsplanung berücksichtigt werden und ist extensiv zu gestalten und zu bewirtschaften. Seit 1. Juni 2011 ist die revidierte Gewässerschutzverordnung (GSchV) in Kraft, worin in Art. 41a und Art. 41b GSchV die Bemessung der Gewässerräume festgelegt ist.
Nach Art. 1 Abs. 1 lit. a und b Bundesgesetz über die Fischerei (BGF) sowie § 1 Abs. 2 lit. a und b Einführungsgesetz zum Bundesgesetz über die Fischerei (AFG) ist die natürliche Artenvielfalt und der Bestand einheimischer Wassertiere zu erhalten, zu verbessern oder nach Möglichkeit wiederherzustellen und bedrohte Arten und Rassen sowie deren Lebensräume sind zu schützen. Art. 21 Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) sowie § 117 Abs. 2 Gesetz über Raumentwicklung und Bauwesen (BauG) regeln den Schutz der Ufervegetation. Bauliche und technische Eingriffe in die Gewässer und ihre Ufer benötigen zudem eine fischereirechtliche Bewilligung (Art. 8 BGF und § 20 AFG).
Der Kanton hat eine Gewässerraumkarte ausgearbeitet und legt die Bundesvorgaben zum Gewässerraum für einzelne Gewässerklassen in § 127 BauG fest. Gemäss Planungsanweisung 1.1 des Richtplankapitels L 1.2 setzen die Gemeinden die Gewässerräume für sämtliche Gewässer (auch eingedolte Bäche) in der allgemeinen Nutzungsplanung grundeigentümerverbindlich um.
2. Handlungsspielräume für Gemeinden
2.1 Darstellung der Gewässer
Sämtliche öffentlichen Gewässer sind im Bauzonen- und Kulturlandplan als Orientierungsinhalt darzustellen. Dazu gehören auch die eingedolten Bäche. Der kantonale Bachkataster im AGIS-Geoportal stellt ein Inventar sämtlicher öffentlichen Gewässer gemäss § 114 BauG dar. Die Lagegenauigkeit der Bachläufe im Bachkataster wird laufend verbessert. Es wird dennoch empfohlen, zu Beginn der Planungsarbeiten die Lagegenauigkeit (sowie bei Eindolungen das Kaliber der Bachleitung) der öffentlichen Gewässer zu verifizieren. Die Arbeitshilfe zur Umsetzung der Gewässerräume in der Nutzungsplanung sowie die "Technischen Richtlinien" im Datenmodell Nutzungsplanung (ZIP, Stand: August 2023, 3,9 MB) zeigen das mögliche Vorgehen und enthalten weitere hilfreiche Hinweise.
2.2 Umsetzung der Gewässerräume
In der allgemeinen Nutzungsplanung sind die Gewässerräume sämtlicher Gewässer umzusetzen. Dies betrifft sowohl die Fliessgewässer inklusive der eingedolten Bäche als auch stehende Gewässer mit einer Fläche von 5000 m² und mehr. Massgebend für die Form der Umsetzung der Gewässerräume ist die revidierte Arbeitshilfe zur Umsetzung der Gewässerräume in der Nutzungsplanung.
Die Gewässerräume werden im Rahmen der allgemeinen Nutzungsplanung in Form von Gewässerraumzonen (überlagert oder als Grundnutzungszone) räumlich konkret umgesetzt. Allfällige rechtskräftige Schutzzonen (beispielsweise Naturschutz-, Uferschutz- oder Grünzonen) und deren Schutzziele sind bei der Umsetzung entsprechend zu berücksichtigen.
Im Rahmen von Sondernutzungsplanungen kann die Freihaltung der in der allgemeinen Nutzungsplanung noch nicht umgesetzten Gewässerräume mittels "Freihaltebereichen Gewässerraum" antizipiert werden. Dies dient der Raumsicherung und der frühzeitigen Koordination von Bauabsichten und dem Schutz der Fliessgewässer in der Sondernutzungsplanung. Eine Umsetzung in der allgemeinen Nutzungsplanung ist aber nach wie vor erforderlich. Das Vorgehen ist in der Arbeitshilfe Gewässerräume in Kapitel 2.1 (Allgemeine Nutzungsplanung) und Kapitel 2.2 (Sondernutzungspläne) beschrieben. Fallweise können Gewässerräume auch im Rahmen von Wasserbauprojekten grundeigentümerverbindlich umgesetzt beziehungsweise angepasst werden.
Wenn die grundeigentümerverbindliche Umsetzung der Gewässerräume in der Nutzungsplanung noch aussteht, bemessen sich die Abstände gegenüber den Gewässern im Baubewilligungsverfahren gemäss den Übergangsbestimmungen aus der bundesrechtlichen GSchV.
3. Planungsinstrumente
Die Gewässerqualität der Fliessgewässer wird von der Abteilung für Umwelt regelmässig untersucht. Die Resultate können wichtige Hinweise für die Umsetzung der Gewässerräume geben.