U6 Landschaft
Dank neuen vernetzenden Massnahmen in der Landschaft konnte die effektive Maschenweite im Kanton Aargau verbessert werden. Trotzdem bleibt der Druck auf die Landschaft hoch. Die Gebäudefläche ausserhalb der Bauzone nimmt weiterhin zu.
Abwechslungsreiche Kulturlandschaften und naturnahe, unverbaute und grossflächige Erholungs- und Naturlandschaften tragen massgeblich zur Lebensqualität bei. Zerschnittene und verbaute Landschaften beeinträchtigen neben der Lebensqualität der Menschen auch die Überlebenschancen vieler Tier- und Pflanzenarten. Eine hohe Landschaftsqualität bedingt ein Netzwerk natürlicher und naturnaher Landschaften sowie ein Siedlungswachstum innerhalb der vorgesehenen Entwicklungsgebieten (BAFU 2020).
Indikatoren: Zerschneidung der Landschaft und landschaftsrelevante Neubauten
Die Qualität der Landschaft und Lebensräume wird anhand ihrer Zerschneidung durch Strassen, Bahnlinien und Siedlungen sowie anhand neu erstellter landschaftsrelevanter Bauten gemessen. Die Flächengrösse unzerschnittener Räume im Verhältnis zur Gesamtfläche (Maschenweite) soll nicht sinken. Der Flächenverbrauch für Bauten ausserhalb der Bauzone soll sinken.
Der Indikator zeigt die durchschnittliche Fläche zwischen Barrieren wie Strassen, Zuglinien und Siedlungen. Eine hohe Maschenweite deutet auf eine geringere Zerschneidung hin.
Effektive Maschenweite (Mass für die Zerschneidung der Landschaft), Aargau, 2008 - 2023
langfristig (seit 2008) | positiv |
kurzfristig (seit 2020) | positiv |
Der Indikator beschreibt die Gebäudefläche in der Landwirtschaftszone durch die jährliche Erstellung (Neubau) bzw. den Abriss von Gebäuden. Zudem wird die kumulierte Fläche der totalen Gebäudefläche in der Landwirtschaftszone gezeigt. Datengrundlage: Seit 2021 sind 100 % der Aargauer Gemeinden erfasst. 2018 waren es 95 %, 2019 96 %, 2020 99 %. Definition der Gebäude: gemäss Verordnung des VBS über die amtliche Vermessung (VAV-VBS) Art 3, bzw. Verordnung über das eidgenössische Gebäude- und Wohnungsregister (VGWR) Art. 2 Buchstabe b. Zusätzlich gemäss Richtlinie der AV93 Aargau werden Hochkamine, Silos, Laufställe, Treibhäuser usw. berücksichtigt.
Veränderung Gebäudefläche ausserhalb Bauzone, Aargau, 2018 - 2023
langfristig (seit 2018) | unverändert |
kurzfristig (seit 2020) | positiv |
Stand 2024
Anhaltender Druck und Anforderung an die Landschaft
Die effektive Maschenweite nahm 2023 im Kanton Aargau gesamthaft zu und damit die Zerschneidung der Landschaft ab. Strassen, die Eisenbahn, Bauzonen sowie verbaute oder kanalisierte Gewässer wirken zerschneidend, Wildtierkorridore und Kleintierdurchlässe und -brücken wirken verbindend. Grund für den Anstieg der effektiven Maschenweite im Bezirk Zurzach ist der Neubau eines Kleintierdurchlasses. Diese Einzelmassnahme verbindet zwei grosse Waldgebiete und zeigt eine entsprechend starke Wirkung. In den anderen Bezirken wurden seit der letzten Erhebung keine Verbesserungen festgestellt. Neben dem Bezirk Laufenburg mit seinen grossen zusammenhängenden Landschaften im Jurapark weist nun auch der Bezirk Zurzach eine Fläche von durchschnittlich 20 km2 ohne Zerschneidung auf.
Der Kanton Aargau gehört zu den am stärksten zerschnittenen Kantonen der Schweiz mit entsprechender Wirkung auf die Fragmentierung der Lebensräume. Schweizweit liegen mehr als die Hälfte der Strassenverbindungen im dicht besiedelten Mittelland, obwohl es nur knapp 30 % der Landesfläche umfasst (BAFU 2022b). 2023 wies der Kanton Aargau eine gesamte Strassenlänge von 6'854 km auf. Dies entspricht einer Länge von 4,9 km/km2. Von 2015 bis 2020 sind jährlich rund 52 km Strassen neu hinzugekommen (BVU 2024). Mit einem Anteil von 18 % ist im Kanton Aargau die gesamte Siedlungsfläche mehr als doppelt so gross als im Landesdurchschnitt von 8 % (BFS 2021). Um der Fragmentierung der Landschaft und dem Verlust der Biodiversität entgegenzuwirken, wird im Kanton Aargau eine Ökologische Infrastruktur, das heisst, ein funktionsfähiges Vernetzungssystem von Kerngebieten mit einem hohen ökologischen Wert angestrebt und über eine strategische Planung schrittweise aufgebaut. Zum Massnahmenpaket gehört auch die Umsetzung des gesamtkantonalen Sanierungskonzepts für Wildtierkorridore (BVU 2023) sowie die Sicherung von Amphibienzugstellen.
Im Kanton Aargau ist die jährliche Fläche für Neubauten ausserhalb der Bauzone weiterhin grösser als die Fläche abgerissener Bauten pro Jahr. Zwischen 2018 und 2023 betrug die Flächenzunahme für Gebäudeflächen durchschnittlich 3,2 ha. Entsprechend geht jährlich Kulturland in der Grösse von vier Fussballfeldern verloren. Durchschnittlich rund 30 % der neu überbauten Flächen liegt in Landschaften von kantonaler oder nationaler Bedeutung und damit in besonders schutzwürdigen Landschaftskammern. Die gesamte kumulierte Gebäudefläche von Bauten ausserhalb der Bauzone beträgt im Kanton Aargau 2023 rund 536 ha. Dies entspricht in etwa der Gemeindefläche von Buchs (532 ha). Zwischen 2021 und 2023 wuchs die Gesamtfläche pro Jahr 0,5 %. 2018 lagen im Kanton Aargau 12 % (Schweiz: 19 %) aller Gebäudeflächen (Grundfläche ohne Umschwung) ausserhalb der Bauzone, 88 % (81 %) innerhalb der Bauzone (ARE 2023). Der Gebäudebestand ausserhalb der Bauzone betrug im Kanton Aargau 2022 7'087 Gebäude mit und 20'927 Gebäude ohne Wohnnutzung. Schweizweit gab es 2022 insgesamt 618'307 Bauten ausserhalb der Bauzone (ARE 2023).
Aufgrund des Strukturwandels in der Landwirtschaft und unter anderem wegen den höheren Anforderungen an das Tierwohl nehmen die Dimensionen Ökonomiegebäuden zu und die landschaftsverträgliche Einordnung der einzelnen Bauten wird schwieriger. Ein weiterer landschaftsrelevanter Aspekt betrifft die zunehmende Lichtemission. Bereits Mitte der 1990er-Jahre gab es im Schweizer Mittelland keinen einzigen Quadratkilometer völliger Dunkelheit mehr. Seither hat die Lichtverschmutzung weiter zugenommen – und sich bis heute nochmals mehr als verdoppelt. Sie stört Menschen beim Schlaf und vor allem nachaktive Tiere in ihrem normalen Verhalten (BAFU 2022a).
Die Bedeutung der Landschaft für die Erholung hat sich während der Covid-19-Pandemie akzentuiert. So stellte der Jurapark Aargau beispielsweise eine deutliche Zunahme der Nutzung durch Erholungssuchende fest, die sich seither auf einem hohen Niveau etabliert hat (Jurapark Aargau 2022). Auch am Hallwilersee zählen die Rangerinnen und Ranger immer mehr Besuchende. An sonnigen Sommertagen schätzen sie rund 20'000 Personen am See. Nur schon auf dem Parkplatz mit zusätzlichen Parkwiesen bei der Badi Beinwil am See stehen an Spitzentagen rund 1'000 Autos. Es ist zunehmend anspruchsvoll, die ökologisch wertvollen Zonen zu schützen und gleichzeitig attraktive Freizeitaktivitäten, um den See zu ermöglichen. Mit seiner gesundheitspolitischen Strategie unterstreicht auch der Bundesrat den Wert einer attraktiven Landschaft für die Gesundheit (Bundesrat 2019).
Herausforderungen
- Trotz zunehmender Innenentwicklung der Siedlungen geraten wertvolle Landschaften und Lebensräume weiter unter Druck. Dies aufgrund des Bevölkerungswachstums, der Zunahme des Erholungsdrucks, des Produktionsdrucks in der Landwirtschaft, aber auch durch Strassen, Zuglinien, landwirtschaftliches Bauen sowie weitere Infrastrukturbauten ausserhalb der Bauzonen.
- Attraktive Landschaften haben für die Gesundheit und Erholung der Bevölkerung einen hohen Wert. Gleichzeitig kann sich der zunehmende Nutzungsdruck negativ auf die Biodiversität und Landschaftsqualität auswirken. Zudem erfordert die zunehmende Erholungs- und Freizeitnutzung Infrastrukturelemente wie Parkplätze oder Toilettenanlagen.
- Der fortschreitende Verlust an Kulturland steht weiterhin im Widerspruch dazu, den Bodenverbrauch ausserhalb der Bauzonen zu minimieren. Jährlich steigt die Gebäudefläche ausserhalb der Bauzone weiterhin an. Die Einpassung neuer Gebäude ist aufgrund der grossen Dimensionen zunehmend schwieriger.
- Das steigende Mobilitätsbedürfnis zusammen mit dem Bevölkerungswachstum bedingen mehr und dichter befahrene Transportwege mit negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild und die ökologische Vernetzung.
- Mit der schleichenden Zersiedelung und der vermehrten Beleuchtung von Strassen und Bauten wird die Lichtverschmutzung weiter zunehmen. Die zunehmende Freizeitnutzung in Landschaftsräumen kann zudem insbesondere in der Nacht zu Licht- und Lärmemissionen und damit zu einer zur Störung der Fauna führen.
- Der Klimawandel verändert die natürlichen Standortbedingungen durch die Verschiebung der Vegetationszonen oder durch urbane Wärmeinseln und wirkt sich so auf die Entwicklung der Landschaft aus (BAFU 2020).
- Durch den klimawandelbedingten Anstieg der Hitze und die zunehmende Trockenheit werden Massnahmen in der Landwirtschaft nötig. Notwendige Wasserentnahmen für landwirtschaftliche Kulturen müssen so erfolgen, dass die Austrocknung von Gewässern minimiert wird, Infrastrukturen wie Bewässerungssysteme oder Treibhäuser können in der Agrarlandschaft zunehmen.
- Der Energiebedarf nimmt weiter zu, die Gebiete ausserhalb der Bauzonen werden zunehmend für die Produktion erneuerbarer Energien genutzt. Agrophotovoltaikanlagen, Windkraftwerke, Biogasanlagen sind für die Energiewende wichtig, die grossen Anlagen führen aber zu Interessenskonflikten mit den Zielen des Landschaftsschutzes.
Verweise
Für das Thema "Landschaft" relevante SDGs der Agenda 2030
Das Thema "Landschaft" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:
Quellen
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Referenzen |
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