G6 Gesundheit und Wohlbefinden
Die Gesundheit der Bevölkerung im Kanton Aargau ist weiterhin auf einem hohen Niveau, wobei die psychische Gesundheit eher abnimmt. Die Gesundheitskosten nehmen weiter zu. Bei den Gesundheitsberufen besteht ein Fachkräftemangel.
Gesundheit ist wesentlich für die individuelle, soziale und wirtschaftliche Entwicklung. Sie beinhaltet neben der Abwesenheit übertragbarer sowie nichtübertragbarer Krankheiten auch das soziale und psychische Wohlbefinden. Ziel ist es, das hohe Niveau beim Schutz der Gesundheit zu erhalten sowie das seelische Wohlbefinden zu erhöhen. Gleichzeitig soll die Lebensqualität erkrankter Personen so gut wie möglich erhalten bleiben (Tertiärprävention). Der Erhalt einer guten Gesundheit bedingt einerseits gesundheitsfördernde Lebensbedingungen, die eine eigenverantwortliche Sorge zur individuellen Gesundheit ermöglichen. Andererseits sind stabile und tragbare Versorgungs- und Finanzierungsstrukturen des Gesundheitswesens notwendig. Gleichzeitig soll der Zugang zu medizinischen Leistungen diskriminierungsfrei gestaltet und die Gesundheitskompetenz gestärkt werden.
Indikatoren: Verlorene potenzielle Lebensjahre und Lebenserwartung in guter Gesundheit
Gesundheit und Wohlbefinden werden anhand der verlorenen potenziellen Lebensjahre sowie der Lebenserwartung in guter Gesundheit gemessen. Die Anzahl der verlorenen potenziellen Lebensjahre soll sinken, die Lebenserwartung in guter Gesundheit steigen.
Die verlorenen potenziellen Lebensjahre zeigen die vorzeitige Sterblichkeit. Die Differenzen zwischen dem Sterbealter und dem 70. Lebensjahr werden aufsummiert und für eine Bevölkerung von 100'000 Personen angegeben.
Verlorene potenzielle Lebensjahre, Aargau und Schweiz, 2000 - 2022
langfristig (seit 2000) | positiv |
kurzfristig (seit 2020) | positiv |
Die Lebenserwartung in guter Gesundheit errechnet sich aus der Lebenserwartung in einem bestimmten Alter und dem Anteil an Personen, die sich in diesem bestimmten Alter gesund oder krank fühlen. Das Konzept der Lebenserwartung in guter Gesundheit berücksichtigt demnach neben der Lebensdauer auch die gesundheitliche Qualität der verbrachten Lebensjahre. Die Daten 2012 sind nicht direkt mit jenen der vorangehenden Jahre vergleichbar, da die Antwortmodalitäten der Frage zum selbst wahrgenommenen Gesundheitszustand verändert wurden.
Lebenserwartung bei guter Gesundheit, Schweiz, 2002 / 2007 / 2012 / 2017 / 2022
langfristig (seit 2002) | positiv |
kurzfristig (seit 2020) | Aussage nicht möglich |
Stand 2024
Lebenserwartung nimmt zu, psychische Gesundheit nimmt ab, Suchtproblematik steigt
Die vorzeitige Sterblichkeit nimmt seit Jahren sowohl schweizweit als auch im Kanton Aargau insgesamt ab (BFS 2023a). Männer sterben in der Schweiz frühzeitiger als Frauen: Krebs ist 2022 die Hauptursache für vorzeitige Sterblichkeit: Bei den Männern gehen 26,6 %, bei den Frauen 42,3 % der verlorenen potenziellen Lebensjahre auf das Konto dieser Krankheit. Unfälle und andere Gewalteinwirkungen sind die zweithäufigste Ursache für vorzeitige Sterblichkeit. Aufgrund von Covid-19 starben frühzeitig 2,5 % der Frauen und 2,2 % der Männer (BFS 2023c / BFS 2023d). Die Lebenserwartung der Schweizer Bevölkerung bei Geburt zählt zu einer der höchsten weltweit (BFS 2023e). Betrachtet man die Lebenserwartung in guter Gesundheit bei Geburt, konnten Frauen 2022 mit 71,1 (2017: 70,8) "gesunden Jahren" rechnen, die Männer mit 70,7 (2017: 69,8) (BFS 2023b).
Der Zugang zu medizinischen Leistungen kann durch Hindernisse wie unzureichende Grundkenntnisse über die Institutionen des Gesundheitswesens (geringe Gesundheitskompetenz) oder Sprachbarrieren erschwert werden. Personen mit Migrationshintergrund verzichten häufiger aus finanziellen Gründen auf zahnärztliche Leistungen als Personen ohne Migrationshintergrund. Die Entbehrungen bei zahnärztlichen Leistungen sind besonders aussagekräftig, da die Kosten für diese Leistungen in den meisten Fällen von den Patientinnen und Patienten getragen werden müssen und im Gegensatz zur medizinischen Grundversorgung nicht von den Krankenkassen übernommen werden (BFS 2022).
Stress und Schlafstörungen nehmen in der Aargauer Bevölkerung weiter zu: Die Zahl der Erwerbstätigen, die immer oder meistens unter Stress leiden, ist zwischen 2017 und 2022 leicht gestiegen und lag 2022 bei 23,9 % (2017: 21,1 %) (BFS 2024). Auch der Anteil der 11- bis 15-jährigen Aargauer Schulkinder, welche sich durch die Schule einigermassen oder sehr gestresst fühlen, ist von 2018 bis 2022 stark angestiegen (2018: 22 %, 2022: 33,9 %): Dabei fühlen sich Mädchen 2022 im Schnitt deutlich gestresster als gleichaltrige Jungen: über 40 % der Mädchen gab 2022 an, einigermassen oder sehr gestresst zu sein (Sucht Schweiz 2019 / 2023a). Schlafstörungen haben zwischen 2017 und 2022 um knapp 5 % zugenommen: 2022 waren 32,4 % (2017: 27,8 %) der Bevölkerung ab 15 Jahren von mittleren bis pathologischen Schlafstörungen betroffen (BFS 2024).
Depressionssymptome sind 2022 im Vergleich zu 2017 minim höher (2022: 34,9 %; 2017: 34,5 %). Der Anteil Personen, welche mittlere bis schwere Depressionssymptome haben, hat in diesem Zeitraum um 2,4 % zugenommen. 17,5 % der Aargauer Bevölkerung fühlte sich 2022 mittel oder schwer psychisch belastet (2017: 13,3 %). Die Zahl der von Einsamkeit betroffenen Aargauerinnen und Aargauer ist seit 2017 deutlich gewachsen: 2022 waren dies 40,6 % (2017: 33,6). Der Anteil in der Aargauer Bevölkerung mit einem mittleren oder tiefen Energie- und Vitalitätsniveau – ebenfalls ein Zeichen einer belasteten psychischen Gesundheit – ist 2022 auf 57,7 % gestiegen (2017: 51,6 %) (BFS 2024).
Die Covid-19-Pandemie hat die psychische Gesundheit der Schweizer Bevölkerung belastet, vor allem bei gefährdeten Gruppen wie Kindern, Jugendlichen und weiteren vulnerablen Personen. Suizidale Krisen, besonders bei jungen Menschen, haben zugenommen, während die Nutzung von Beratungsangeboten stark angestiegen ist (Obsan 2023 / BASS 2022). 14,3 % der Aargauer Bevölkerung beklagen einen schlechteren allgemeinen Gesundheitszustand als vor der Covid-19-Pandemie (BFS 2024). Der Anteil der Aargauer Schulkinder, welche sich aufgrund der Covid-19-Pandemie traurig oder ängstlich fühlen oder fühlten, lag 2022 zwischen rund 10 und 30 %, wobei sich Mädchen trauriger und nervöser fühlen oder fühlten als Jungen (Sucht Schweiz 2023a).
Eine nationale Ernährungserhebung von 2014/2015 ergab, dass sich die Schweizer Bevölkerung nicht ausgewogen ernährt. Süsses und salzige Snacks werden beispielsweise bei Weitem mehr konsumiert als von der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung (SGE) empfohlen. Dabei kann eine gesunde Ernährung das Risiko verringern, an einer ernährungsbedingten Krankheit wie Diabetes oder Adipositas zu erkranken (BVU 2023). Der Anteil von Adipositas-Betroffenen im Kanton Aargau lag 2022 bei 14,2 % (2017: 14 %) (BFS 2024). Der Anteil der übergewichtigen und adipösen Schülerinnen und Schüler der Oberstufe betrug im Kanton Aargau 2018/19 knapp 25 % (Gesundheitsförderung Schweiz 2021). Wie bereits 2017 bewegte sich 2022 mehr als drei Viertel der Aargauer Bevölkerung ausreichend.
2022 rauchte 25,9 % der Aargauer Bevölkerung täglich oder gelegentlich (2017: 26,7 %). Der Konsum von Einweg E-Zigaretten ("Vapes") hat zwischen 2018 und 2022 in der Schweiz sowie im Kanton Aargau stark zugenommen und ist besonders bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen bereits sehr verbreitet (Sucht Schweiz 2019, 2023a, 2023b / Lungenliga 2024). Der chronisch riskante Alkoholkonsum hat leicht zugenommen und betraf 2022 3,5 % der Bevölkerung (2017: 3 %). Die Anzahl Klientinnen und Klienten in der Suchtberatung nahm von 2018 (2'648) bis 2023 (3'140) um 18,6 % zu. Die grössten Zunahmen im Vergleich zu 2022 verzeichneten die Beratungen zu Alkohol und Kokain (DGS 2024). 6 % der Bevölkerung waren 2022 von problematischer Internetnutzung betroffen, womit sich dieser Anteil gegenüber 2017 fast verdoppelt hat (BFS 2024). Der Anteil der 11- bis 15-Jährigen, die eine problematische Nutzung sozialer Netzwerke aufweisen, war 2022 bei den 13- bis 15-jährigen Aargauer Schulmädchen beinahe doppelt so hoch, wie bei gleichaltrigen Jungen (Sucht Schweiz 2023a).
Die Akutspitäler standen von Beginn der Covid-19-Pandemie an im Fokus der Krisenbewältigung. Insbesondere das Jahr 2020, teilweise auch das Jahr 2021, waren geprägt von der Verschiebung vieler elektiver Eingriffe (DGS 2022). In den 22 Aargauer Kliniken mit stationärem Angebot wurden 2022 insgesamt 106'684 Patientinnen und Patienten behandelt. Zwischen 2001 und 2022 ist die Zahl der Hospitalisierten in Aargauer Spitälern um 34,6 % auf rund 106'684 Patientinnen und Patienten angestiegen. Im gleichen Zeitraum stieg die Anzahl Pflegetage von 1'103'627 um 5,1 % auf rund 1'159'581 an. Der Betriebsaufwand stieg in dieser Zeit um mehr als das Doppelte von 971'970 auf 2'420'124 Franken. Der Bettenbestand hat sich während dieser Periode kaum verändert (DFR 2023a). Die Anzahl Klientinnen und Klienten in Alters- und Pflegeheimen nahm zwischen 2008 (5'709) und 2022 (6'405) um 12,2 % zu (DFR 2023b). Die stationären Leistungskosten sind zwischen den Jahren 2016 und 2021 um 17 % angestiegen (DGS 2022).
Herausforderungen
- Die Anzahl als auch die Qualifikation des Fachpersonals im Gesundheitswesen verändert sich, weshalb sich vor dem Hintergrund des steigenden Bedarfs ein zusätzlicher Personalengpass abzeichnet (DGS 2023).
- Aktuell kann die Versorgung mit Arzneimitteln in der Schweiz nicht in allen Fällen sichergestellt werden. Trotz bisheriger Massnahmen konnte noch keine Verbesserung erzielt werden (BAG 2023a).
- Der medizinisch-technische Fortschritt zieht bessere Analyse-, Diagnose- und Therapiemöglichkeiten nach sich, welche die Lebenserwartung erhöhen, gleichzeitig jedoch auch den Konsum von Versorgungsleistungen steigern. Behandlungsmethoden, basierend auf künstlicher Intelligenz, könnten den Fachkräftemangel abfedern. Die Prämisse ambulant vor stationär und die vermehrte Pflege zu Hause erfordern neue Versorgungsmodelle (DGS 2023).
- Die im internationalen Vergleich eher geringe Gesundheitskompetenz der schweizerischen Bevölkerung (BAG 2023b) stellt Dienstleistungen im Gesundheitsbereich vor grosse Herausforderungen.
- Der demografische Wandel schlägt sich insbesondere in der zunehmenden Anzahl älterer Menschen und chronisch/multimorbid (mehrfach) Erkrankter nieder. Der steigende Pflege- und Betreuungsbedarf beeinflusst die Gesundheitskosten. Gleichzeitig führt eine sinkende Geburtenrate, kleinere Familien und mehr Einpersonenhaushalte zu Lücken bei einfachen Betreuungs- und Pflegeleistungen (DGS 2023). Eine mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie kann diese Entwicklungen verstärken. Zudem gibt es mit der sinkenden Geburtenrate weniger Personen, die in das Gesundheitssystem einzahlen.
- Die langfristigen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sowie weiterer Krisen auf die angeschlagene psychische Gesundheit sind noch unklar (BASS 2022), besonders bei Jugendlichen besteht das Risiko einer weiteren Verschlechterung (Pro Juventute 2024). Eine schlechte psychische Gesundheit steht in Zusammenhang mit häufigerem Alkohol- Zigaretten- und E-Zigarettenkonsum (Sucht Schweiz 2024).
- Die Verbreitung von Krankheiten sowie das Auftreten von Zoonosen (Krankheiten oder Infektionen, die von Wirbeltieren auf Menschen und umgekehrt übertragen werden) kann durch das Wachstum der Bevölkerung, den Personen- und Güterverkehr, die menschliche Migration, der Verlust von natürlichen Lebensräumen und Artenvielfalt, der zunehmende Eingriff des Menschen in die Natur und durch den Klimawandel verursacht und beschleunigt werden. Eine der grössten Bedrohungen für die menschliche Gesundheit ist die Antibiotikaresistenz von Bakterien, die auch zu den Zoonosen zählt (DGS 2023 / Bundesrat 2023).
- Die steigenden Temperaturen infolge des Klimawandels kann zur vermehrten Erschöpfung der Allgemeinbevölkerung und Symptomverschlimmerung zum Beispiel bei Pollenallergiebetroffenen führen und erhöht zudem das Risiko für einen lebensbedrohlichen Hitzschlag. Extrem hohe Temperaturen können auch zu einer Verschlechterung bestehender chronischer Erkrankungen (z. B. kardiovaskulären und Atemwegserkrankungen) führen. Die Klimaveränderungen haben auch indirekte Gesundheitseffekte, wie zum Beispiel die veränderte/vereinfachte Übertragung von bisher tropischen Erkrankungen durch Mücken/Zecken (DGS 2023 / WHO 2018).
Spotlight Klima
Der Klimawandel ist eine der wichtigsten Herausforderungen, welche ein nachhaltiges Handeln erfordern. Die Spotlights-Klima beleuchten ausgewählte Massnahmen im Zusammenhang mit dem Klimawandel aus Sicht der kantonalen Verwaltung.
Weitere Informationen zum Klimawandel
Klimaoasen: Eine bäumige Anpassungsmassnahme wird in die Aargauer Gemeinden getragen
Mit der Aktion werden Gemeinden animiert mitten im Siedlungsgebiet grosskronige Bäume als "Klimaoasen" zu pflanzen und damit Hitzeinseln zu bekämpfen. Bis Mitte 2024 haben 28 Aargauer Gemeinden eine Klimaoase gepflanzt, wurden dabei bei der Standort- und Baumartenwahl durch das Naturama Aargau fachlich unterstützt und für die Anpassung an den Klimawandel sensibilisiert. Einige Gemeinden haben für ihre Klimaoase grossflächig entsiegelt.
Klimakarten Kanton Aargau: ein Instrument für mehr lokale Lebensqualität
Der Kanton stellt online fünf Klimakarten bereit. Diese unterstützen die Gemeinden und Planungsbüros bei der Klimaanalyse und dienen als zentrale Planungsgrundlage für eine hitzeangepasste Siedlungsentwicklung. Die Klimakarten geben Aufschluss über die klimatische Situation jeder Aargauer Gemeinde: Wo befinden sich die Hot-Spots im Siedlungsgebiet? Welche Grün- und Freiräume sind wichtig für die Kaltluftproduktion? Wo verlaufen wichtige Kaltluftleitbahnen, die es freizuhalten gilt?
Verweise
Für das Thema "Gesundheit und Wohlbefinden" relevante SDGs der Agenda 2030
Das Thema "Gesundheit und Wohlbefinden" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:
Quellen
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Referenzen |
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