U10 Mobilität
Der Motorisierungsgrad der Aargauer Bevölkerung bleibt unverändert und liegt nach wie vor über dem Schweizer Durchschnitt. Die öV-Erschliessung im urbanen Raum ist gut. Die Kapazitätsengpässe der Verkehrsinfrastruktur sind eine Herausforderung.
Mobilität ist ein grundlegendes Bedürfnis der Menschen und eine zentrale Voraussetzung für wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Ein für alle hürdenfrei zugängliches Verkehrssystem garantiert die Erreichbarkeit von Wohnorten, Arbeitsplätzen und Freizeitaktivitäten und ist so auch ein bedeutender Standortfaktor. Die durch Mobilität verursachten negativen wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und ökologischen Auswirkungen wie Staustunden, Lärm, Emissionen und Landverbrauch sollen verringert werden. Mit seiner Mobilitätsstrategie "mobilitätAARGAU" (moAG) strebt der Kanton ein mit der Raumentwicklung abgestimmtes Verkehrsangebot an, das effizient, sicher und umweltfreundlich genutzt werden kann. Ferner soll eine ökonomisch und ökologisch erstellte und betriebene Verkehrsinfrastruktur erhalten werden. Ein funktionierendes Gesamtverkehrssystem bedingt eine bedürfnisgerechte, solid finanzierte und widerstandfähige Infrastruktur.
Indikatoren: Motorisierungsgrad der Bevölkerung und Anteil der Bevölkerung in den öV-Güteklassen A bis C
Gemäss kantonaler Mobilitätsstrategie soll der Anteil des motorisierten Individualverkehrs (MIV) am Gesamtverkehr in fast allen Raumtypen abnehmen (BVU 2016). Der Motorisierungsgrad als Indikator der Mobilität im Individualverkehr soll sinken. Das Verkehrsangebot und somit auch die Erschliessung nach öV-Güteklassen soll, gemäss kantonaler Mobilitätsstrategie, räumlich differenziert ausgestaltet werden: In Kernstädten, urbanen Entwicklungsräumen, ländlichen Zentren und entlang der ländlichen Entwicklungsachsen wird ein attraktives öV-Angebot angestrebt, in ländlichen Entwicklungsräumen eine bedarfsbezogene Erschliessung (BVU 2016). Der Indikator Anteil der Bevölkerung in den öV-Güteklassen A bis C soll daher steigen.
Der Motorisierungsgrad der Bevölkerung ergibt sich durch die Anzahl registrierter Personenwagen pro 1'000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Motorisierungsgrad, Aargau, 2000 - 2023
langfristig (seit 2000) | negativ |
kurzfristig (seit 2020) | unverändert |
Der Indikator zeigt die Erschliessung mit dem öffentlichen Verkehr (öV) anhand der öV-Güteklassen pro Einwohnerin und Einwohner. Die Güteklassen A bis F hängen von der Erschliessungsqualität einer Haltestelle, d. h. vom Verkehrsmittel und vom Kursintervall ab, wobei A eine sehr gute öV-Erschliessung bedeutet.
Anteil der Bevölkerung in den öV-Güteklassen A bis C, Aargau, 2017 / 2019 / 2021 / 2022
langfristig | Aussage nicht möglich |
kurzfristig | unverändert |
Stand 2024
Weiter wachsendes Verkehrsaufkommen
Nach einem stetigen Wachstum des Motorisierungsgrads der Aargauer Bevölkerung in der Vergangenheit, hat sich dieser zwischen 2016 und 2021 stabilisiert. Seit 2022 ist sogar ein leichter Rückgang feststellbar. 2023 lag der Motorisierungsgrad bei 583 Personenwagen pro 1'000 Einwohnende (DFR 2023). Nach wie vor liegt der Aargauer Motorisierungsgrad über dem Schweizer Durchschnitt von 540 Personenwagen pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner (BFS 2024). In den Aargauer Kernstädten ist der Motorisierungsgrad deutlich kleiner als in ländlichen Entwicklungsräumen (DFR 2023). Der Motorfahrzeugbestand im Kanton Aargau wächst seit 1975 stetig an und hat 2023 einen neuen Höchststand von 599'784 registrierten Fahrzeugen erreicht (DFR 2023). Auch der durchschnittliche motorisierte Tagesverkehr (gemessen auf den West-Ost-Achsen des Kantons) nahm in den letzten 10 Jahren jährlich um durchschnittlich 1 % zu. 2020 nahm der durchschnittlich motorisierte Tagesverkehr in Folge der Covid-19-Pandemie stark ab, seit 2021 ist wieder eine Zunahme feststellbar (BVU 2024b).
2021 betrug die durchschnittliche Tagesdistanz pro Person summiert über alle Verkehrsmittel im Kanton Aargau 31,6 km (BVU 2023), leicht über dem Schweizer Durchschnitt von 30,0 km (BFS 2023). Damit ist die durchschnittlichen Tagesdistanz im Kanton Aargau gegenüber der Erhebung von 2015 (39,1 km) deutlich zurückgegangen, was zu einem grossen Teil auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen ist (BVU 2023). 70 % davon wurden mit dem MIV (2015: 66 %), 21 % mit dem öV (2015: 24 %) und 8 % zu Fuss oder mit dem Velo (2015: 7 %) zurückgelegt (BVU 2023 / BVU 2018). Damit hat sich der sogenannte Modal Split leicht vom öV zum MIV verlagert, währenddem der Fuss- und Veloverkehr leicht zugenommen hat. Zwischen 1994 und 2015 stieg der Anteil des öffentlichen Verkehrs an der Tagesdistanz von 14,8 % auf 23,9 % stark an. Für das Jahr 2021 ging der Anteil wieder etwas zurück auf 20,7 %. 2021 sank der öV-Anteil auf Kosten des Individualverkehrs. Der MIV-Anteil hat nach einer leichten Abnahme 2015 wieder das Niveau von 2010 erreicht (BVU 2023).
Freizeit ist auch 2021 (trotz Abnahme gegenüber 2015) der häufigste Mobilitätszweck. Im Jahr 2021 wurden im Kanton Aargau 38 % der Tagesdistanz (2015: 43 %) zu Freizeitzwecken zurückgelegt. Der zweithäufigste Zweck der Mobilität war die Arbeit mit 31 % (2015: 26 %), gefolgt vom Einkauf mit 16 % (2015: 13 %). Der grösste Anteil der zu Freizeitzwecken absolvierten Distanzen wurde mit dem Auto zurückgelegt (2021: 69 %, 2015: 64 %). Das Auto wurde 2021, wie schon 2015, am häufigsten für Arbeitswege und zum Einkaufen eingesetzt; für 78 % der zum Einkaufen absolvierten Strecken (2015: 78 %) sowie 71 % der auf Arbeitswegen zurückgelegten Distanzen (2015: 61 %) (BVU 2023 / BVU 2018).
In den Güteklassen A bis C, welche auf eine gute Anbindung an das öV-Netz hindeuten, lebt ein relativ stabil bleibender Anteil der Bevölkerung. 2022 wohnte die Hälfte der Aargauer Bevölkerung in den Güteklassen A bis C, dies entspricht zum Beispiel einem Abstand von höchstens 300 Meter von einer Haltestelle mit einem 15-Minuten-Takt Bus oder einer 30-Minuten-Takt Bahn (BVU 2024a). Dabei ist das öV-Angebot bereits heute differenziert nach Raumtyp: Im urbanen Raum wohnte 2022 rund 80 % der Bevölkerung mindestens in der Güteklasse C. Im ländlichen Raum ist ein grosser Teil der Bevölkerung in der Güteklasse D und E, das heisst, zum Beispiel maximal 300 m entfernt von einer Bushaltestelle mit 30-, beziehungsweise 60-Minuten-Takt Bus (BVU 2024a).
Die Verkehrsinfrastruktur ist überlastet: In den Morgen- und Abendspitzenzeiten stossen das heutige Verkehrsnetz und -angebot auf den Nationalstrassen, den Haupt- sowie Zulaufachsen in die Zentren an ihre Kapazitätsgrenzen. Auch auf der Schiene akzentuieren sich die Infrastrukturengpässe auf der Ost-West-Achse und in Richtung Basel. Engpässe zeichnen sich auch vermehrt an den Bahn- und Bushöfen ab (BVU 2022). Die Mobilität ist nach Wohnen und Ernährung der drittgrösste Treiber der Umweltbelastung der Schweiz. Zu den Hauptbelastungen gehören Treibhausgase, Luftschadstoffe, Lärm sowie der Boden- und Materialverbrauch (BAFU 2022a).
Herausforderungen
- Die stetige Verkehrszunahme wird weiter Druck auf die Infrastruktur ausüben und den Bedarf nach zusätzlicher Infrastruktur steigern. Ausbauten der Verkehrsinfrastruktur stehen in einem Spannungsfeld zu einem sparsamen Umgang mit der begrenzten Ressource Boden (BVU 2022).
- Viele öV-Drehscheiben stossen heute an ihre Kapazitätsgrenzen und müssen daher ausgebaut werden. Dabei gilt es die Bedürfnisse des öV, des Veloverkehrs (Bike + Ride), des Fussverkehrs sowie des MIV (Park + Ride) zu berücksichtigen. Zusätzlich ergeben sich durch die Anforderungen des Behindertengleichstellungsgesetzes weitere Herausforderungen in Bezug auf den Raumbedarf (BVU 2022).
- Der Bau von neuen Strassen und Schienen bedingt grosse Investitionen mit Folgekosten für den laufenden Betrieb und Unterhalt (BVU 2024d).
- Der Kanton Aargau unterstützt die Verlagerungsziele des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene des Bundes im Rahmen seiner Zuständigkeiten. Die starke Auslastung des Schienennetzes führt jedoch zu einer Trassenkonkurrenz zwischen dem schienengebundenen Güter- und Personenverkehr (BVU 2022).
- Die Art der Nutzung des Verkehrsangebots steht vor einem Umbruch. Durch den Trend zu modularen Mobilitätslösungen wird die Grenze zwischen öffentlichem Verkehr und Individualverkehr zusehends verwischt (Stichwort Sammeltaxis, Ridesharing usw.) (BVU 2022). Dadurch ergeben sich neue Fragen zur zukünftigen Finanzierung des Gesamtverkehrssystems.
- Aus der Umsetzungskontrolle der moAG 2016 wird die Rolle der Gemeinden insbesondere in Bezug auf den Fuss- und Veloverkehr, aber auch beim Mobilitätsmanagement, der Parkierung und der Siedlungsentwicklung sichtbar. Die Unterstützung der Gemeinden bei diesen wichtigen Aufgaben wird in Zukunft an Bedeutung gewinnen (BVU 2022).
- Sowohl die Herausforderungen im Umgang mit dem Klimawandel als auch die Schonung der natürlichen Ressourcen werden in einer anstehenden Aktualisierung der moAG verstärkten Eingang finden. Damit trägt der Kanton zum Netto-Null Ziel bis 2050 bei (BVU 2022). Die Dekarbonisierung des Verkehrs ist ein wichtiges Handlungsfeld auf dem Weg zu Netto-Null 2050 (BVU 2024c). Die Umstellung der Fahrzeuge des öffentlichen Verkehrs auf alternative Antriebstechnologien (Stichwort Elektrifizierung) ist eine direkt umsetzbare Massnahme zur Erreichung dieses Ziels (BVU 2021).
- Demographische Anforderungen und Entwicklungen haben einen grossen Einfluss auf die tatsächliche Ausgestaltung der Mobilität (BVU 2022). Die Zunahme der über 64-Jährigen führt beispielsweise zur Erhöhung der Verkehrsleistung und des Motorisierungsgrads dieser Altersgruppe. Das schlägt sich in einer starken Zunahme der Anzahl Wege mit dem Auto nieder. Beim öV ist bei den über 64-Jährigen eine leichte Zunahme zu erwarten (BVU 2016).
- Die Automatisierung und Digitalisierung führt im Verkehr zu neuen Chancen als auch Risiken: Besonders der Mischverkehr aus automatisierten und konventionell gelenkten Fahrzeugen stellt für Fahrzeugentwickler, Gesetzgeber, Behörden und die Verkehrsteilnehmenden eine besondere Herausforderung dar (ASTRA 2020).
- Der Kanton ist daran, im Zusammenhang mit der fortschreitenden Automatisierung und Digitalisierung, Grundlagen und Haltungen zu entwickeln. Die öffentliche Hand muss Handlungsspielräume zu drängenden Fragen der Mobilität der Zukunft ausloten und die Auswirkungen auf Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft antizipieren. Eine zentrale Frage dabei ist, inwiefern der Staat lenkend in die Entwicklung eingreifen soll oder nicht (BVU 2022).
Spotlight Klima
Der Klimawandel ist eine der wichtigsten Herausforderungen, welche ein nachhaltiges Handeln erfordern. Die Spotlights-Klima beleuchten ausgewählte Massnahmen im Zusammenhang mit dem Klimawandel aus Sicht der kantonalen Verwaltung.
Weitere Informationen zum Klimawandel
Alternative Antriebe im öffentlichen Verkehr: so wird der Aargauer Busverkehr dekarbonisiert
Durch den Ersatz von Dieselbussen mit CO₂-neutralen Antriebstechnologien soll der öffentliche Busverkehr im Kanton Aargau bis 2035 vollständig elektrisch betrieben werden. 2024 waren im Kanton Aargau bereits 38 E-Busse im Einsatz. In den Jahren 2025 und 2026 werden 29 bzw. 70 neue E-Busse in Betrieb genommen. Mit dem aktuell hohen Tempo bei der Umstellung von Diesel auf Elektro wird 2027 bereits die Hälfte der Linienbusse im Kanton Aargau elektrisch unterwegs sein.
Verweise
Für das Thema "Mobilität" relevante SDGs der Agenda 2030
Das Thema "Mobilität" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:
Quellen
Mitarbeit | |
---|---|
Referenzen |
|