W4 Finanzielle Wohnattraktivität
Der Kanton Aargau gilt als attraktiver Wohnkanton. Das frei verfügbare Einkommen ist überdurchschnittlich hoch. Das Mietpreisniveau ist in einem Aufwärtstrend, liegt aber unter dem Schweizer Durchschnitt.
Finanzielle Wohnattraktivität ist gegeben, wenn Haushalte nach Abzug der obligatorischen Abgaben wie Steuern und Krankenkassenprämien und Fixkosten wie Mieten, Mobilitätskosten oder Ausgaben für die Kinderbetreuung über hohe frei verfügbare Einkommen verfügen. Damit gewährleistet die finanzielle Wohnattraktivität, dass materielle Bedürfnisse gedeckt werden können und die Haushalte individuellen Handlungsspielraum erhalten. Finanzielle Wohnattraktivität ist ein Kriterium für die Wahl des Wohnorts und beeinflusst damit auch die wirtschaftliche Standortattraktivität einer Region.
Eine hohe finanzielle Wohnattraktivität basiert auf hohen Einkommen bei zugleich niedrigen Fixkosten und tiefen obligatorischen Abgaben. Preisgünstiger Wohnraum beispielsweise stellt eine wichtige Voraussetzung für finanzielle Wohnattraktivität dar.
Indikatoren: Frei verfügbares Einkommen und Mietpreisniveau
Finanzielle Wohnattraktivität wird anhand des frei verfügbaren Einkommens und des Mietpreisniveaus gemessen. Das frei verfügbare Einkommen, das heisst, der Betrag, der einem Haushalt nach Abzug der obligatorischen Abgaben und Fixkosten bleibt, soll steigen. Der grösste Anteil an den Fixkosten machen die Wohnkosten aus, welche sich im Mietpreisniveau zeigen. Dieses soll konstant bleiben.
Das frei verfügbare Einkommen umfasst das gesamte Einkommen der Haushalte abzüglich der obligatorischen Abgaben und Fixkosten. Der Index für das Schweizer Mittel beträgt Null.
Frei verfügbares Einkommen, Aargau, 2021
langfristig (seit 2011) | positiv |
kurzfristig (seit 2016) | positiv |
Das Mietpreisniveau zeigt den durchschnittlichen Mietpreis pro Quadratmeter Nettowohnfläche und Monat von Wohnungen, die auf dem Markt sind. Mit der Datenaufnahme 2023 wurden die Daten ab 2005 rückwirkend mit einer neuen Methodik neu berechnet.
Mietpreisniveau, Aargau und Schweiz, 2005 - 2023
langfristig (seit 2005) | negativ |
kurzfristig (seit 2020) | negativ |
Stand 2024
Überdurchschnittliches frei verfügbares Einkommen
Das Erwerbseinkommen ist mit 74,8 % der wichtigste Pfeiler des Bruttoeinkommens der Aargauer Haushalte. Mit 20,6 % stellen Renten und Sozialleistungen die zweitwichtigste Einkommensquelle dar. Mit dem demographischen Wandel nimmt dieser Einkommensteil aus Kosten des Erwerbeinkommens kontinuierlich zu. Für die obligatorischen Abgaben müssen im Kanton Aargau 27 % des Bruttoeinkommens aufgewendet werden, davon sind 11,4 % Steuern, 9,6 % Sozialversicherungsbeiträge, und 6,1 % Krankenkassenprämien. Bei den Fixkosten machen das Wohnen (inklusive Energie) mit 13,7 %, die Mobilität mit 7,3 % sowie Nahrungsmittel mit 6,3 % durchschnittlich die grössten Posten aus (BFS 2021 / Erhebung 2015−2017).
Für die Aargauer Haushalte resultiert schliesslich ein frei verfügbares Einkommen, welches 2021 über dem Schweizer Durchschnitt lag. Im kantonalen Vergleich liegt der Kanton Aargau im Jahr 2021 auf dem Rang 9. Er hat sich damit seit 2016 um einen weiteren Rang verbessert (Credit Suisse 2021). In den städtisch geprägten Kantonen Genf und Basel-Stadt machen die hohen Wohnkosten, gepaart mit einer überdurchschnittlichen Belastung durch Steuern und Krankenkassenprämien, das Leben teuer. Im Gegensatz zu diesen Kantonen profitiert der Kanton Aargau von unterdurchschnittlichen Fixkosten und obligatorischen Abgaben. Bei den Fixkosten sind zwar die Kosten für die vorschulische Betreuung überdurchschnittlich hoch, dafür werden jedoch leicht unterdurchschnittlich hohe Mieten bezahlt. Die Nähe und Anbindung des Kantons Aargau zu den Wirtschaftszentren Zürich und Basel senkt zudem die Pendelkosten. Bei den obligatorischen Abgaben müssen im Kanton Aargau leicht unterdurchschnittlich hohe Krankenkassenprämien bezahlt werden, auch ist die Steuerbelastung aller Einkommensklassen im Kanton Aargau unterdurchschnittlich hoch (Credit Suisse 2021).
Das Mietpreisniveau hat im Kanton Aargau zwischen 2020 und 2023 um 8,8 % zugenommen. Gesamtschweizerisch wurde im selben Zeitraum eine Zunahme von 6,9 % beobachtet. Damit ist das Preisniveau der Angebotsmiete im Kanton Aargau stärker am Steigen als gesamtschweizerisch. Dies nach einer stabileren Periode in welcher der Mietpreis während rund zehn Jahren um Fr. 16.–/m2 und Monat schwankte. Mit monatlich Fr. 17.30/m2 wird im Kanton Aargau 2023 der höchste Wert seit 2005 registriert (Wüest & Partner 2024). Regional sind die Mietpreise im Kanton Aargau unterschiedlich hoch. Die höchsten Mieten müssen in der Region Baden/Wettingen entrichtet werden. Grund für den Anstieg der Mieten liegt beim starken Bevölkerungswachstum gepaart mit einer schwachen Neubautätigkeit sowie den Auswirkungen des höheren Referenzzinssatzes (AKB 2023). Mit 2 % verzeichnete der Kanton Aargau 2023 das grösste Bevölkerungswachstum seit der Einführung der kantonalen Bevölkerungsstatistik 1972 und liegt schweizweit hinter dem Kanton Wallis auf dem 2. Rang (BFS 2024).
Der Reinzugang an Wohnungen (Neubauten, Wohnungsgewinn durch Umbauten, Abbruchverlust) hat im Kanton Aargau bis 2017 stetig zugenommen. Er betrug Jahr 2017 rund 6'000 Wohneinheiten und ist bis 2022 um rund einen Drittel gesunken (DFR 2023a/b, AKB 2023). Das knappe Wohnungsangebot zeigt sich über die Leerwohnungsziffer. Diese ist zwischen 2018 und 2023 im Kanton Aargau von 2,7 % auf 1,4 % gesunken. Mit 1,15 % liegt die Leerwohnungsziffer im Schweizer Durchschnitt noch tiefer. In absoluten Zahlen ausgedrückt, ist der Leerstand im Kanton Aargau 2023 schweizweit im Vergleich zum Vorjahr mit einem Rückgang von 918 leerstehenden Wohnungen am stärksten zurückgegangen (BFS 2023). Regional unterscheidet sich die Leerwohnungsziffern stark: Die grössten Leerwohnungsziffern verzeichnen im Jahr 2023 die Bezirke Kulm (3 %) und Zofingen (2,3 %), die kleinsten Leerwohnungsziffern findet man in Muri (0,7 %), Lenzburg (0,9 %), Aarau (0,98 %) und Baden (1,2 %) (DFRa 2023).
Herausforderungen
- Das Preis- und Mietniveau wird in Zukunft im ganzen Kanton weiter steigen. Das hohe Preisniveau in den Regionen Baden, Rheinfelden und Aarau kann zu einer Ausweichtendenz innerhalb des Kantons führen, mit dem Resultat dass auch an eher peripheren Standorten die Preise steigen (AKB 2023).
- Die Baulandreserven im Kanton Aargau sind aus raumplanerischer Sicht nur bedingt am richtigen Ort. Der (überkommunale) Baulandtransfer stellt im Zusammenhang mit Eigentumsverhältnissen und entsprechenden Entschädigungsforderungen aber eine grosse Herausforderung dar.
- Die Wohnraumknappheit kann sich im Kanton Aargau verschärfen, wenn die Bautätigkeit mit dem Bevölkerungswachstums weiterhin nicht Schritt halten kann. Der Fachkräftemangel in der Baubranche kann den notwendigen Zubau von Wohnraum zusätzlich verzögern (adecco 2023).
- Die Bereitstellung von finanziell tragbarem Wohnraum, insbesondere für Familien und die alternde Bevölkerung, ist angesichts der sinkenden Leerwohnungsziffer zunehmend herausfordernd.
- Trotz gesamtschweizerisch steigenden Wohnkosten konnte der Kanton Aargau im Vergleich zu anderen Kantonen bisher eine hohe finanzielle Wohnattraktivität bewahren. Insbesondere auch im Vergleich zu den Kantonen mit grossen Zentren. Die finanzielle Wohnattraktivität kommt aber auch im Kanton Aargau unter Druck, wenn die Wohn-, Mobilitäts- und Gesundheitskosten weiter ansteigen und gleichzeitig der Reallohn sinkt.
Verweise
Für das Thema "Innovation" relevante SDGs der Agenda 2030
Das Thema "Finanzielle Wohnattraktivität" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:
Quellen
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Referenzen |
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