INV-RAU902 Dorfstrassse 54, 1824 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-RAU902
Signatur Archivplan:RAU902
Titel:Dorfstrassse 54
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südosten (2011)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Reitnau
Adresse:Dorfstrassse 54
Versicherungs-Nr.:54
Parzellen-Nr.:392
Koordinate E:2645890
Koordinate N:1233489
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2645890&y=1233489

Chronologie

Entstehungszeitraum:1824
Grundlage Datierung:Inschrift (Türsturz)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Inschriften:"1824" "SA HI LB W" (Türsturz)
Würdigung:Das 1824 errichtete Bauernhaus dominert mit seinem prächtigen spätbarocken Wohnteil und dem imposanten Dreiviertelwalmdach mit gedrungener Ründe den Ortskern von Reitnau. Erbaut wurde das schmucke, bernisch geprägte Gebäude für Lisbeth Wolf und Samuel Hunziker, dessen Familie im 16. Jahrhundert als Meier des Stifts Schänis amtete. Der repräsentative Zuschnitt des Hunziker-Stammhauses unterstreicht die bedeutende gesellschaftliche Stellung dieser Familie in Reitnau und wurde auch für die drei jüngeren "Meierhäuser" vorbildlich, welche sich die Söhne um 1840/50 im Dorf erbauen liessen (Bauinventarobjekte RAU904, RAU905).
Bau- und Nutzungsgeschichte:Der Vorgängerbau des Hauses wurde 1767 zusammen mit weiteren Gebäuden im Bereich des Geländeeinschnitts nördlich der Mühle in der Folge eines verheerenden Unwetters von einer Schlamm- und Gerölllawine schwer in Mitleidenschaft gezogen [1]. Der heutige Bau ist am Schlussstein des Türsturzes in das Jahr 1824 datiert. Die Initialen "SA HI LB W" beziehen sich auf das Erbauerehepaar Samuel Hunziker und Lisbeth Wolf [2]. Dieses Haus und drei weitere stattliche Bauernhäuser, welche von den drei Söhnen [3] des Ehepaars, Jakob, Johann und Samuel, errichtet wurden, heissen im Volksmund noch heute "Meierhäuser" [4] . Dies rührt daher, dass Vorfahren der Familie Hunziker als Meier die niedere Gerichtsbarkeit im Dorf ausübten und den Zehnten für das im Gasterland gelegene Frauenkloster Schänis einzogen, dem Dorf und Kirche früher gehörten [5].
Während der gesamte Wirtschaftstrakt im ausgehenden 19. Jh. unter einem Pfettensatteldach neu aufgebaut wurde, hat der zweigeschossige, aus verputztem Bruchsteinmauerwerk aufgeführte Wohnteil seine ursprüngliche äussere Erscheinung bewahrt. Der im Hinterhof stehende stattliche Speicher Vers. Nr.55 (Bauinventar RAU903), der 1785/86 für das Ehepaar Hansjakob Wolf und Elisabeth MD errichtet wurde, gehörte bereits zum Vorgängerbau des Meierhauses.
Beschreibung:Das im Ortszentrum oberhalb des Gasthauses "Zum Bären" von 1821 gelegene traufständige Bauernhaus duckt sich unter einem mächtigen geknickten Dreiviertelwalmdach, dessen steile Dachneigung auffällt. Beschnitzte Büge tragen die mit zierlichen Hängesäulen versehene Flugsparrenkonstruktion, die mit einer korbbogigen Ründe verschalt ist. Die ausladenden Dachvorsprünge bergen traufseitige Obergeschosslauben, deren Pfosten mit üppigen Wulstprofilen beschnitzt sind. Als ungewöhnlich muss die Dachkonstruktion des Wohnhauses bezeichnet werden [6]. Es handelt sich um eine Sparrenkonstruktion mit Aufschieblingen. Getragen wird sie von kräftigen Schrägstreben mit einer über Eck gestellten Firstpfette sowie von je zwei Mittelpfetten. Die Schrägstreben sind auf Kehlbalkenhöhe mittels einer Art Spangen paarweise verklammert.
5 x 4 Achsen gefalzter Stichbogenfenster verleihen dem Gebäude sein prächtiges spätbarockes Gesicht. Stichbogig ausgeschnitten sind auch die Steingewände der leicht aus der Mitte gerückten Hauseingänge, von denen der vordere am Schlussstein die erwähnten Initialen und das Baudatum 1824 trägt. Wichtiges Element des strassenseitigen Vorplatzes ist ein grosser Brunnen aus Muschelkalkstein mit zweiteiligem Längstrog.
Die innere Erschliessung erfolgt traufseitig mittels eines durchlaufenden Gangs, von dem aus ostseitig die geräumige Stube sowie die Küche mit angegliederter Hinterstube zu betreten sind. Tennseitig schliessen sich zwei weitere Zimmer an. Von der Küche her konnte man sowohl die Stube als auch die Hinterstube beheizen. Eine dritte Einfeuerung für die vordere der tennseitigen Kammern befand sich im Flur, dessen Wände aus verputztem Fachwerk gefügt sind. Die Stube bewahrt neben der ungestrichenen Sichtbalkendecke ein eichenes Wandtäfer und einen ebensolchen Wandkasten.
Zwei quergerichtete, tonnengewölbte Keller mit Naturböden sind auf der Nordseite über einen Aussenzugang zu erreichen; der östliche davon wurde zeitweise als Webkeller genutzt (Inneres gemäss Kurzinventar 1997).
Anmerkungen:[1] Darunter befand sich auch der "Bären", der damals ebenfalls im Besitz von Hansjakob Wolf war. Unter den Geschädigten werden im Schadensbericht des Landvogts von Lenzburg der uns bekannte Jakob Wolf und ein Hans Lehmann genannt. In beiden Familien verloren drei Kinder durch die Gerölllawine ihr Leben (Zofinger Tagblatt vom 27. Juni 1995).
[2] Sie muss die Tochter des am zugehörigen Speicher Vers. Nr. 55 genannten Ehepaars Hansjakob Wolf und Elisabeth MD sein. Hansjakob Wolf ist möglicherweise identisch mit Untervogt Wolf, der ein interessantes und für die Dorfgeschichte sehr wichtiges Manuskript (eine Art Kapital- und Zinsbuch) hinterlassen hat. Die Handschrift mit einer Vielzahl von Eintragungen der 2.Hälfte des 18.Jh. befindet sich im Besitz der Familie Häfliger-Hunziker, Dorfstr.15.
[3] Auszug aus dem Hunziker-Stammbaum im Besitz von Familie Häfliger-Hunziker, Dorfstr. 15 (vgl. Kurzinventar 1997).
[4] Es sind dies das 1843 erbaute Bauernhaus Nr.29 (Bauinventar RAU904), der ebenfalls grosszügig angelegte Vielzweckbau Nr.15 (Bauinventar RAU905) aus dem Jahr 1850 im Unterdorf und das Bauernhaus Nr.43 (Bauinventar RAU909) nördlich des "Bären".
[5] Historische Nachrichten zum Reitnauer Meierhof finden sind bei E. Suter, Der Meyerhof zu Reitnau, in: Jahresbericht der Vereinigung für Heimatkunde des Suhrentals 1 (1933), S.16ff.
[6] Räber 2002, S. 106, Abb. 138.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Band 2, Basel 2002.
- Hans und Theres Gerschwiler, Das Unwetter vom Freitag, 7. August 1767, in: Reitnauer Tagblatt. Reitnau: gestern - heute - morgen (Beilage zum Zofinger Tagblatt vom 27. Juni 1995).
- Dr. E. Suter (Wohlen), Der Meyerhof zu Reitnau, in: Jahresbericht der Vereinigung für Heimatkunde des Suhrentals 1 (1933), S.16ff.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, Brandkataster, CA.0001/0641-0643, 1850 - 1938.
- Archiv der Familie Häfliger-Hunziker, Dorfstr.15.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=115858
 

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