INV-MEN941 Pfarrhaus, 1913 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-MEN941
Signatur Archivplan:MEN941
Titel:Pfarrhaus
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Westen (2012)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Menziken
Adresse:Pilatusstrasse 41
Versicherungs-Nr.:515, 506
Parzellen-Nr.:325
Koordinate E:2656482
Koordinate N:1232284
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2656482&y=1232284

Chronologie

Entstehungszeitraum:1913
Grundlage Datierung:Brandkataster; Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Sakrale Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Pfarrhaus

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2012

Dokumentation

Autorschaft:Architekt Schenker (Aarau)
Würdigung:Das 1913 etwas oberhalb der Evangelischen Kirche erstellte Pfarrhaus ist ein kompakter Heimatstilbau mit behäbigem Mansarddach, der durch einen 1958 erfolgten Gaubenaufbau eine neue Variation erfahren hat. Das Pfarrhaus, das noch immer seiner ursprünglichen Nutzung dient, ist ein typischer Vertreter der Zeit um 1910 und ein wichtiger Bauzeuge für die damaligen Vorstellungen eines idealen Wohnhauses. Der Baukörper zeichnet sich durch eine vielfältige, funktionsbetonte Fassaden- und Dachgestaltung und eine differenzierte Materialisierung aus. Eingebettet in eine grosszügige Gartenanlage mit repräsentativer Auffahrt von der Kirchstrasse her, bildet er mit dem ehemaligen Wasch- und Holzhaus ein intaktes Ensemble von ortsbildprägendem Wert.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Als Pfarrhaus für die 1888 gegründete Reformierte Kirchgemeinde Menziken-Burg diente anfangs das für den Fabrikanten Heinrich Irmiger errichtete Wohnhaus an der Ecke Bahnhofstrasse/Hauptstrasse (Bauinventarobjekt MEN903). Mit der für damalige Verhältnisse starken Zunahme des Verkehrsaufkommens, u. a. bedingt durch die 1904 bis Menziken verlängerte Wynentalbahn und die 1906 über Menziken nach Beromünster geführte Seetalbahn, wurde der zentrale Standort als unzumutbar empfunden und 1911 der Bau eines neuen Pfarrhauses vorangetrieben. 1912 konnte westlich der Kirche an der Grenze zur Burg ein geeigneter, ruhig gelegener Bauplatz gefunden werden. 1913 war das neue Gebäude fertig gestellt.
Das Pfarrhaus verfügte von Anfang an über eine Zentralheizung, eine Gasküche, elektrische Beleuchtung und Kanalisation. Während die oberen Zimmer Parkettböden erhielten, wählte man mit Betonböden und Korkinlaid für die unteren Räume moderne Beläge. Für die Planung zeichnete Architekt Schenker aus Aarau verantwortlich. Die Gesamtkosten beliefen sich auf Fr. 73'600.- und lagen deutlich über dem Voranschlag, der samt Wasch- und Holzhaus auf Fr. 50'000.- angesetzt worden war. Die Mehrkosten wurden mit einem grösseren Aufwand für Umgebungsarbeiten, Wasser und Gaszuleitungen sowie durch die solide Ausführung begründet.
1958 fanden für Fr. 90'000.- umfassende Umbauarbeiten statt, wobei im Estrich ein grosses Studierzimmer mit breiter Walmgaube gegen Süden eingebaut und stirnseitige Erweiterungen des Dachraums vorgenommen wurden. In dieser Umbauphase wurde vermutlich auch die ehemalige Vorratskammer zur Küche geschlagen und mit einer dreiteiligen Fensterreihe versehen. Daneben wurde ein neuer Eingang eingelassen. Gleichzeitig erfolgte die Schliessung der ostseitig angelegten Loggia. 1983 wurden für Fr. 100'000.- Maler- und Tapeziererarbeiten durchgeführt, die Bodenbeläge erneuert und die Küche modernisiert [1].
Beschreibung:Das in einer grosszügigen Gartenanlage etwas oberhalb der Evangelischen Kirche an der Pilatusstrasse stehende Pfarrhaus ist von der Kirchstrasse her über eine private Auffahrt zu erreichen.
Der kompakte Heimatstilbau verfügt über ein Vollgeschoss, ein Mansard- und ein Dachgeschoss über nahezu quadratischem Grundriss. Das Dach, dessen First in Ost-West-Richtung verläuft, ist auf beiden Stirnseiten abgewalmt (Gehrschild und Fusswalm auf Höhe des Dachgeschosses), wobei der obere Walm ursprünglich Teil einer Gaube war, deren Seitenwände später bis zu den Dachschrägen hinausgezogen wurden. Nach Norden ist der Fassade ein zweigeschossiger Quergiebelanbau mit ausgeprägtem Fusswalm vorangestellt. Auf der Südseite tritt das Mansardgeschoss mit einer ehemals eingeschossig angelegten, später anstelle eines Fachwerkgiebels um ein zweites Geschoss im Dachboden aufgestockten, breiten Gaube zutage. Vorhanden ist auch noch die ursprünglich farblich differenzierte Kassettierung der Dachunterseiten.
Die verputzten Fassaden weisen eine Sockelzone aus rustizierenden Kalksteinquadern auf, die bis zu den Gesimsen der Fenster im Erdgeschoss hinaufreicht. Die stirnseitigen Wandflächen im Dachgeschoss sind mit ziegelroten Faserzementplatten verkleidet. Einem Grundgedanken des Heimatstils folgend, ist das Haus von innen nach aussen gebaut. Die einzelnen Räume fügen sich unter Berücksichtigung ihrer Funktion und ihrer Bezüge untereinander sowie der Himmelsrichtungen um einen zentralen Erschliessungsraum. Entsprechend präsentiert sich jede Fassade anders.
Die der Kirche zugewandte Eingangsfront bewahrt den ursprünglichen, von Kalksteinmauern eingefassten Treppenaufgang zum gedeckten und von verputzten Stützen flankierten Antritt. Das originale, eichene Türblatt besitzt ein Fenstergitter mit dem auch im Putz und an den Fensterläden verwendeten Rautenmotiv. Von hier gelangte man ursprünglich auch auf die sich zum Garten öffnende, heute eingewandete Loggia, von der sich die aus Kalkquadern gemauerte Plattform und die in die Fassade integrierten Stützen erhalten haben.
Nach Süden sind im Erdgeschoss das Wohn- und Esszimmer angelegt, die je mit einem polygonalen Erkervorbau aus der Fassade vorspringen. Über dem zentralen, grösseren Erker des Wohnzimmers befindet sich ein Balkon mit originalem Schmiedeisengeländer. Das nachträglich in das Dachgeschoss gebaute Studierzimmer, das mit einer durchgehenden Fensterfront nach Süden orientiert ist, tritt aussen als breite abgewalmte Gaube mit fast senkrechten Flanken zutage. Mit der maximalen Ausnutzung des Dachgeschosses büsste der Heimatstilbau einen Teil seiner Leichtigkeit und seines verspielten Umgangs mit Volumen und Dachflächen ein. Das lichtdurchflutete Studierzimmer, in das sich der Pfarrer über der Wohnung zurückziehen kann, findet im Heimatstil jedoch vergleichbare Einrichtungen [2]. So bedienen sich die gewählten Dachlösungen denn auch des Heimatstil-Vokabulars und fügen sich ohne grossen Aufhebens ins Gesamtbild des Baukörpers ein.
Der sich mit einer Hausteinfassade von der Putzfläche absetzende Eckerker des Esszimmers setzt sich stirnseitig unter einem glockig geschweiften Blechdach fort. Die Westseite wird im Übrigen nur von drei Fensterachsen gegliedert.
An der nördlichen Traufseite ist unter einem Schleppdach eine schmale Vorratskammer an die Küche angefügt (heute Teil der Küche). Die Mitte der Fassade akzentuiert ein kräftiger Mittelrisalit, der u. a. die innere Erschliessung ins Obergeschoss enthält. Die dreieckig geschnittenen Fensteröffnungen am Quergiebel sind wohl beim Ausbau des Dachgeschosses hinzugekommen.
Die grösstenteils bauzeitlichen Fenstergewände bestehen teilweise aus sorgfältig gehauenem Sandstein, teilweise aus schmalen Zementgusseinfassungen. Erhalten haben sich auch die mit schlichten Ornamenten versehenen Holzläden.
Im Innern hat sich die Raumstruktur und die Erschliessung mittels Holztreppe mit Flachbalustern aus Eiche im Wesentlichen erhalten. An originalen Bauteilen und Ausstattungen sind in der Stube ein Fischgratparkett aus Eiche und im Obergeschoss Riemenböden vorhanden. Die horizontalen Abschlüsse der profilierten Türrahmen sind im Flur als durchlaufendes Fries durchgezogen. Inneres nur teilweise gesehen.
Zum Ensemble des Pfarrhauses gehört ein ehemaliges Holz- und Waschhaus, das links der Einfahrt von der Pilatusstrasse her steht. Es ist analog zum Wohnhaus mit einem Sockel aus rustizierenden Kalksteinquadern, verputzten Fassaden und einem Mansarddach gestaltet. Die Stirnseiten weisen im Dachbereich eine Bretterverschalung auf, die nach unten mit einer ornamental ausgeschnittenen Kante abschliesst. An der Ostfassade hat sich ein dreiteiliges Fenster mit originalem Sandsteingewände erhalten, das Dach öffnet sich nach drei Seiten (ausser nach Norden) mit jeweils zwei nebeneinander liegenden, von Jalousieläden geschützten Öffnungen. Das Erdgeschoss dient seit einiger Zeit als Doppelgarage und wurde zu diesem Zweck nach Norden geringfügig verlängert.
Anmerkungen:[1] Steiner 1995, S. 559. - Sommerhalder 1988, S. 58. - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0252-0255: Brandkataster Gemeinde Menziken 1850-1938.
[2] Vgl. das auf das Dach gesetzte Aussichtszimmer der 1903-05 erbauten Villa "Heimeli" in Luzern, Hennig 2005, S. 162 u. 164, Abb. 1 u. 4.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- Barbara Hennig, Die Villa "Heimeli": Heimatstil - Jugendstil - gar kein Stil?, in: Elisabeth Crettaz-Stürzel, Heimatstil. Reformarchitektur in der Schweiz 1896-1914, Bd. 2, Frauenfeld 2005, S. 162-167.
- Erwin Sommerhalder, Jubiläumsschrift. 100 Jahre evangelisch-reformierte Kirchgemeinde Menziken-Burg, Menziken 1988, S. 59-62.
- Peter Steiner, Reinach. 1000 Jahre Geschichte, Reinach 1995.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0252-0255: Brandkataster Gemeinde Menziken 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=118989
 

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