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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1819 |
Grundlage Datierung: | Brandkataster |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Landwirtschaftliche Bauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Bäuerlicher Vielzweckbau |
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Dokumentation |
Würdigung: | Stattliches ehemaliges Bauernhaus von 1819, worin die Besitzerfamilie Strössler von 1864 bis 1888 vorerst eine Pinte und später eine Speisewirtschaft betrieb. 1928 wurde der ehemalige Scheunenteil zu einem Dorfladen umgebaut. Dem prominent im Dorfzentrum, nahe des ehemaligen Gasthofs „Bären“ (kantonales Denkmalschutzobjekt STI001) gelegenen Gebäude kommt aufgrund seiner bewegten Vergangenheit ein erheblicher lokalgeschichtlicher Zeugenwert zu. Die kräftigen, sorgfältig bearbeiteten Tür- und Fenstergewände aus Muschelkalk zeugen von der gehobenen sozialen Stellung des Bauherrn. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Gemäss Brandkataster wurde das Gebäude 1819 durch Johann Heinrich Finsterwald, „Wirts-Hans-Heiri“, als „steinernes, mit Ziegeln gedecktes Haus und Scheune“ erstellt [1]. Das für damalige Verhältnisse stattliche Bauernhaus wurde mit einem ungewöhnlich hohen Betrag von 4000 Fr. versichert. Johann Heinrich Finsterwald gehörte der begüterten dörflichen Oberschicht an und war auch im Gemeinderat tätig [2]. 1839 ging die Liegenschaft an Heinrich Strössler, „Melchers“ (1818-1882) über, der durch seine vielfältige berufliche Tätigkeit als Müller, Wirt und Bauer zum reichsten Einwohner von Stilli avancierte [3]. 1864 erteilte ihm der Regierungsrat die Erlaubnis zur Führung einer Pintenwirtschaft in seinem Haus. Wohl im Zusammenhang mit dem Gastbetrieb wurde 1865 ein rückwärtiger Treppenhausanbau mit Sanitäreinrichtung erstellt, gefolgt von weiteren An- und Ausbauten mit Zimmern, Werkstatt, Wagenschopf und Weinpresse. Nach der Schliessung des "Bären" (1876) konnte die Pinte sogar als Speisewirtschaft mit Tavernenrecht weitergeführt werden. Um 1888 ging das Wirtepatent an die Familie Lehner im nördlich benachbarten "Frohsinn" (Dorfstrasse 17) über [4]. Mit dem Umbau der Scheune in einen Dorfladen 1928 wurde der vielfältigen Nutzungsgeschichte ein weiteres Kapitel hinzugefügt. Der Laden hatte bis 1998 Bestand, heute dient das Gebäude zu Wohnzwecken und als Fotoatelier. |
Beschreibung: | Der längliche, traufständig zur Dorfstrasse ausgerichtete Mauerbau präsentiert sich mit original erhaltenem, stattlichem Wohnteil und einem zu Ladenlokal umfunktioniertem Scheunentrakt. Die strassenseitige Hauptfassade zeigt fünf regelmässige Fensterachsen, deren grosszügig dimensionierte, breitrechteckige Öffnungen mit gefalzten Muschelkalk-Gewänden und kunstvoll profilierten Gesimsen ausgestattet sind. Der Hauseingang zeichnet sich durch ein auffallend kräftiges Rechteckportal mit unverziertem Schlussstein aus, darüber ist eine Tafel mit den Wappen der Gemeinde Stilli und des Kantons Aargau angebracht [5]. Das aus Nussbaumholz gearbeitete Türblatt besitzt vier Felder, von denen die oberen zeittypische Rautenfelder aufweisen. Demgegenüber ist der rückwärtige Eingang als Brettertür mit rautenförmiger Aufdoppelung ausgeführt. Ebenfalls noch das originale Türblatt mit fischgratförmiger Aufdoppelung zeigt der westliche Eingang zum querliegenden Gewölbekeller. Das Erdgeschoss besitzt einen gängigen Grundriss mit ursprünglich durchlaufendem Hausgang [6] und vierteiliger Raumanordnung mit Stube/Nebenstube auf der Strassenseite sowie Küche/Hinterstube im rückwärtigen Bereich. Die Erschliessung des Obergeschosses erfolgt über ein rückwärtig angefügtes Treppenhaus, einem in Fachwerk erstellten Querfirstanbau mit sanitären Anlagen und angeschlossener Laube. Von dieser betritt man einen L-förmigen Flur, welcher zur südlichen Giebelseite hin in eine schmale, mittig angelegte Küche mündet. Von hier erfolgt der Zugang zur strassenseitigen Stube und zur rückwärtigen Küchenkammer. Ausstattungselemente aus der Bauzeit sind in beiden Geschossen noch in Restbeständen erhalten. Dazu gehören Wandkästen und zweiteilige Füllungstüren mit den ursprünglichen Beschlägen. In der Küchenkammer des Obergeschosses ist noch die originale Sichtbalkendecke mit eingeschobenem Bretterboden und profilierten Deckleisten sichtbar. Aus der zweiten Hälfte des 19. Jh. datiert eine hellblaue Sitzkunst im Hinterzimmer der Parterrewohnung, welche 1990 modernisiert wurde (Inneres gemäss Kurzinventar von 1992).
Aktennotiz Besichtigung vom 8. Dez. 2015: Die Liegenschaft ging 2002 von der Gemeinde in private Hände über. Das stark renovationsbedürftige Obergeschoss wurde 2004 durchgehend modernisiert. 2007 wurden die Fenster im ganzen Haus erneuert. Kürzlich hat man das Dach isoliert und mit einem Unterdach versehen. Die Wohnung im Erdgeschoss ist seit den 1990er Jahren weitgehend unverändert geblieben. Der rückwärtige Treppenhausanbau mit der hölzernen Wendeltreppe befindet sich noch im originalen Zustand. |
Anmerkungen: | [1] Staatsarchiv Aargau, Bezirksamt Brugg Zw 1936.0001/4524: Brandkataster Gemeinde Stilli 1809. [2] Baumann 1977, S. 330. [3] Baumann 1977, S. 344. [4] Baumann 1977, S. 253. [5] Während der Renovation des ehemaligen Gasthofs „Bären“ war in den Wohnräumen die Gemeindeverwaltung untergebracht. [6] Der ursprünglich durchlaufende Quergang ist heute zu einem Stichgang reduziert, da im rückwärtigen Bereich ein Badezimmer eingebaut wurde. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung. |
Literatur: | - Max Baumann, Stilli, von Fährleuten, Schiffern und Fischern im Aargau, Windisch 1977. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, Bezirksamt Brugg Zw 1936.0001/4524-4525: Brandkataster Gemeinde Stilli 1809-1850; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0189-0191: Brandkataster Gemeinde Stilli 1850-1938. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=121683 |
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