INV-REI904 Zigarrenfabrik "Gautschi, Hauri & Cie.", 1880-1881 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-REI904
Signatur Archivplan:REI904
Titel:Zigarrenfabrik "Gautschi, Hauri & Cie."
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Norden (2011)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Reinach (AG)
Adresse:Hauptstrasse 80
Versicherungs-Nr.:38
Parzellen-Nr.:1319
Koordinate E:2656383
Koordinate N:1233389
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2656383&y=1233389

Chronologie

Entstehungszeitraum:1880 - 1881
Grundlage Datierung:Brandkataster; Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Fabrikgebäude, Manufakturgebäude

Dokumentation

Würdigung:Das 1880-81 errichtete Hauptgebäude der "Cigarrenfabrik Gautschi, Hauri & Cie." ist ein imposanter spätklassizistischer Mauerbau, der sich dreigeschossig auf der westlichen Seite der Hauptverkehrsachse erhebt und sich durch eine sorgfältige architektonische Differenzierung auszeichnet. Der im Äusseren nahezu unverändert erhaltene Bau prägt aufgrund seiner exponierten Lage das Ortsbild des Strassendorfs Reinach nachhaltig. Er ist als wichtigster Bauzeuge des ersten, 1853 gegründeten Reinacher Tabakunternehmens zu bezeichnen, dem als einstmals grösstem Arbeitgeber eine erhebliche lokal- und industriegeschichtliche Bedeutung zukommt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Johann Jakob Gautschi und Heinrich Hauri, beide Baumwollfabrikantensöhne, schlossen sich 1853 zur Gründung einer Tabakfabrik zusammen [1]. Hauri brachte die nötigen Kenntnisse mit, die er in Biel erworben und bereits einige Jahre zur selbstständigen Zigarrenherstellung angewendet hatte, Gautschi das Startkapital. Anfangs wurde in der ehemaligen "Gerbe" (Gerbeweg 10) produziert, wo Gautschi auch wohnte, später entstanden zusätzliche Lager-, Magazin- und Fabrikbauten. Bereits 1863 war die Firma mit 110 Beschäftigten zum grössten Industriebetrieb des Dorfes angewachsen. 1880-81 konnte das Unternehmen mit dem von Gautschi und Hauri gemeinsam finanzierten Bau eines neuen Hauptfabrikationsgebäudes an der Landstrasse erweitert werden [2]. Für die Planung und Ausführung zeichnete das Reinacher Baugeschäft Rudolf Giger verantwortlich. Die Anzahl der Arbeitenden verdoppelte sich in derselben Zeit auf 225.
1996-97 erfolgte die Sanierung und Umnutzung des seit längerer Zeit leer stehenden Fabrikgebäudes als Schulhaus mit Wohnung und Büroräumen im Dachgeschoss. Dabei wurde das Innere vollständig modernisiert und der rückwärtige, bereits um 1940 in Mauerwerk aufgeführte, ehemals jedoch hölzerne Treppenhausanbau durch einen neuen Erschliessungsturm mit Lift und WC ersetzt [3].
Beschreibung:Mächtiger, spätklassizistischer Mauerbau, der in traufständiger Ausrichtung unter knappem, geradem Satteldach dreigeschossig hochragt. Die Fassaden zählen längsseitig acht, stirnseitig fünf gleichmässig verteilte Fensterachsen. An der strassenseitigen Hauptfront sind die mittleren beiden Achsen mit den Eingangsportalen im Erdgeschoss zu einem wenig vorspringenden Mittelrisalit zusammengefasst, der als auffällig geschweifter Quergiebel abschliesst. Gemäss einer alten Postkartenansicht besass dieser ursprünglich ein gerades Satteldach und erhielt die für den Jugend- und Heimatstil typische geschwungene Form erst im frühen 20. Jh. (siehe Fotodokumentation). Der akzentuierten Mittelachse entspricht rückseitig ein angebauter Erschliessungsturm mit Lift und Toiletten, welcher ursprünglich aus einer holzverschalten Aussentreppe bestand und im Falle einer Auflösung des Tabakunternehmens eine unabhängige geschossweise Wohnnutzung hätte ermöglichen sollen [4].
Der von Ecklisenen eingefasste Baukörper wird horizontal durch kräftig vorspringende, verkröpfte Sohlbankgesimse aus Sandstein am ersten Obergeschoss und Dachgeschoss gegliedert, welche von einem zweiten, feinen Gesimsprofil begleitet werden. Über dem niedrigen, mit Muschelkalkplatten verkleideten Kellergeschoss ist das Erdgeschoss mittels eines horizontalen Fugenstrichs im Putz als Sockel von den darüber liegenden Geschossen abgesetzt. Die rechteckigen, aus Sandstein gefertigten Fenstergewände tragen am 1. Obergeschoss profilierte Gesimsbekrönungen, während ihre Blockbänke am Erdgeschoss auf profilierten Konsolen ruhen.
Der ehemalige Haupteingang ist zugunsten der Fassadensymmetrie zweiachsig angelegt. Von den beiden Portalen mit stichbogigen, profilierten Sandsteingewänden, welche über eine zweiläufige Kalksteintreppe erschlossen sind, öffnet sich jedoch nur das südliche auf einen quer zur Firstrichtung verlaufenden Gang. Aus der Erbauungszeit haben sich die beiden zweiflügligen eichenen Füllungstüren mit sorgfältig gearbeitetem Holzwerk und grossen, vergitterten Lichtern erhalten. Auch die oberen Stockwerke weisen durchlaufende, von tragenden Backsteinmauern gebildete Gänge auf. Beidseits der Erschliessungszone dehnten sich ehemals die offenen, dreischiffigen Produktionshallen aus. Das Tragsystem bilden zwei in Firstrichtung verlaufende Unterzüge auf Gusseisensäulen und quer dazu verlaufende Sichtbalkendecken mit eingeschobenen Bretterböden (heute aufgrund der Isolation und Verkleidung nicht mehr sichtbar).
Das auf einem unteren liegenden Stuhl und einem oberen stehenden Stuhl mit Kniestock konstruierte Dach ist mit neuen Biberschwanzziegeln eingedeckt. Im Keller sind sechs Gewölberäume angelegt, welche die gesamte Grundfläche einnehmen und analog zu den darüber liegenden Geschossen über einen Mittelgang quer zum First erschlossen sind.
Die bei der Modernisierung der Innenräume entfernte bauzeitliche Ausstattung umfasste Sandsteinplattenböden in den Gängen und Fischgratparkett sowie Nadelholz-Brusttäfer in den ehemaligen Produktionshallen. Die Holzverschalung des Treppenhauses wurde bereits in der ersten Hälfte des 20. Jh. durch massives Mauerwerk ersetzt, die originale Wangentreppe mit gedrechselten Staketen hingegen blieb bis zum jüngsten Umbau erhalten.
Anmerkungen:[1] Steiner 1964, S. 335; Steiner 1995, S. 403-404.
[2] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0261-0264: Brandkataster Gemeinde Reinach 1850-1938.
[3] Aus Zigarrenfabrik wurde Schulhaus, in: Renovation Nr. 3, Fachbeilage zum "Schweizer Baublatt" vom 3. März 1998, o. S.
[4] Mitteilung von Herrn Gautschi, Eigentümer 1996.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Einzelelement, Erhaltungsziel A.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 52
Literatur:- Andreas Steigmeier, Blauer Dunst. Zigarren aus der Schweiz gestern und heute, Baden 2002, S. 42, 92 (Abb.).
- Peter Steiner, Reinach. Die Geschichte eines Aargauer Dorfes, Reinach 1964, S. 335.
- Peter Steiner, Reinach. 1000 Jahre Geschichte, Reinach 1995, S. 403-404.
- Aus Zigarrenfabrik wurde Schulhaus, in: Renovation, Fachbeilage zum "Schweizer Baublatt" Nr. 19 (3. März 1998).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0261-0264: Brandkataster Gemeinde Reinach 1850-1938.
- Historische Vereinigung Wynental, Fotoarchiv.
- www.vamus.ch/industriekultur
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=121946
 

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