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INV-REI941 Kaufhaus "Au Louvre", 1749 (Dossier (Bauinventar))
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1749 |
Grundlage Datierung: | Inschrift (Wappentafel REI935); Literatur |
Nutzungen: | Pfarrhaus bis 1877, 1891-1910 Buchdruckerei Tenger, ab 1911 Geschäftshaus mit Ladenanbau (Kaufhaus) |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Geschäftshaus, Ladenlokal |
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Dokumentation |
Autorschaft: | Beat Ringier (Pfarrhaus); Hans Giger (Erschliessungstrakt); Paul Christen (Aufstockung Ladenanbau) |
Würdigung: | Das sich in den Spickel zwischen der Alten Strasse und der neuen Hauptachse von 1877 fügende Geschäftshaus "Au Louvre" ist ein spannungsvoller Gebäudekomplex mit interessanter Nutzungsgeschichte, der drei nacheinander entstandene Teile mit unterschiedlichen Stilmerkmalen vereint. Das Herzstück bildet das Alte Pfarrhaus von 1749, das seine Grundform und Konstruktion samt dem eindrücklichen Dachwerk sowie ein wertvolles Wand- und Deckentäfer aus der Bauzeit bewahrt. Von der Umwandlung zum Geschäftshaus 1911 stammt der von Ecktürmen gerahmte Erschliessungstrakt im Norden. Der südseitige Ladenanbau tritt als Vertreter der frühen Moderne, mit Eingangs- und Schaufenstergestaltung aus der Zeit um 1950, in Erscheinung. Das Kaufhaus "Au Louvre" ist ein origineller, für die Ortsgeschichte wichtiger Bauzeuge, der an seinem Standort in der Strassengabelung gegenüber Zentralschulhaus, Post und Kaufhaus "Central" eine hohe städtebauliche Qualität entfaltet. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Während den ersten vier Jahrzehnten nach dem Bau der evangelisch-reformierten Kirche 1528-29 wurde dem Pfarrer jeweils eines der bestehenden Bauernhäuser im Mitteldorf als Wohnung überlassen. Ein eigentliches Pfarrhaus wurde erstmals 1568 am Standort des späteren Kaufhauses "Au Louvre" erbaut. Es hatte knapp 200 Jahre Bestand und wurde 1749 von Grund auf erneuert. Dieses von Architekt Beat Ringier (1712-1778) aus Zofingen erstellte Gebäude, zu dem eine Scheune, ein Waschhaus und ein Baumgarten gehörten, behielt seine ursprüngliche Nutzung bis 1877 [1]. In diesem Jahr wurde zwischen Pfistergasse und Neudorfstrasse ein neuer Landstrassenabschnitt gebaut, wodurch das Pfarrhaus in eine Strassengabelung gezwängt und vom östlich gelegenen Baumgarten abgeschnitten wurde. Das nun allseitig vom Verkehr umgebene Alte Pfarrhaus, das dem Staat bereits hohe Reparaturkosten beschert hatte, wurde daher an Gottlieb Hediger verkauft, der in der Nachbarschaft (Alte Strasse 51, Bauinventarobjekt REI925) seit den 1860er Jahren eine Gerberei mit Lederhandel betrieb [2]. Unter Gottlieb Hedigers gleichnamigem Sohn wurde das Wohnhaus ab 1891 an Samuel Tenger vermietet, der hier eine "Buchdruckerei mit Petrolmotor" einrichtete und die 1884 begründete Zeitung "Echo vom Homberg" herausgab. Nachdem dieser 1910 sein neu erstelltes Wohnhaus mit Gewerbelokal an der Neudorfstrasse 10 bezogen hatte, wurde das ehemalige Pfarrhaus 1911 vom Architekten Hans Giger, dem Sohn des Baugeschäftsgründers Rudolf Giger, erworben und zu einem "Geschäftshaus mit Anbau" umgestaltet. Auf diese Phase gehen die grössten Veränderungen am ehemaligen Pfarrhaus zurück: Hans Giger ersetzte die nordseitige Laube durch einen dreigeschossigen, gemauerten Erschliessungsbereich mit zwei Ecktürmen, die von geschweiften Blechhauben bekrönt werden. Die steinernen Fenstergewände mit einfachen Blockgesimsen am Pfarrhaus wurden durch Zementgusselemente erneuert. Gegen Süden, wo sich bis zuletzt ein umfriedeter Rest des Gartens befand, setzte er einen sich in den Spickel fügenden abgerundeten Flachdachanbau. Dieser bestand anfangs nur aus einem gemauerten Erdgeschoss mit breitem Eingangstor an der Schmalseite und grossen Schaufenstern zur Strasse hin (vgl. Ostseite des ehemaligen Pfarrhauses). Vermutlich noch unter Hans Giger erhielt das Geschäftshaus den Namen Kaufhaus "Au Louvre" und damit einen mondänen Anstrich, so wie das 1906 eröffnete Konfektionsgeschäft "Zur Stadt Paris" hinter dem "Bären" am Lindenplatz [3]. 1925 erfolgte eine Handänderung an "Schwob, Meyer Emanuels, Kaufmann", welcher den südseitigen Ladenanbau 1930 ein erstes Mal umgestalten liess. Architekt Paul Christen aus Reinach erhöhte den Ladenanbau um ein Stockwerk mit querliegenden Fenstern [4]. In dieser Form prägte dieser das Erscheinungsbild des "Au Louvre" mindestens bis 1940. Die durchgängige Verglasung des Erdgeschosses und die Abstützung des muralen Oberbaus auf zwei schlanken Säulen zur Bildung eines überdeckten Eingangsbereichs ist erst in die Zeit nach 1940 einzuordnen (vgl. historische Flugaufnahme von 1940 mit Postneubau aus den späten 1930er Jahren) und vermutlich eine Neuinterpretation aus den 1950er Jahren. Die heutige Beschriftung mit grossen Lettern stammt jedoch noch aus der Zeit vor 1940. Vom ursprünglichen Ladenanbau von 1911 ist nach all diesen Veränderungen nur noch die Grundform erhalten geblieben.
Die ehemals über dem Südeingang des Pfarrhauses angebracht Wappentafel mit Jahreszahl "1749" wechselte 1911 vermutlich direkt an die Färberstrasse 22, wo sich Baumeister Rudolf Giger, der Vater von Hans Giger, ein Wohnhaus gebaut hatte. Seither ziert es die Fassade des Waschhauses (Bauinventarobjekt REI935). |
Beschreibung: | Das noch heute unter dem Namen "Au Louvre" bekannte Geschäftshaus befindet sich an zentraler Lage direkt gegenüber dem 1906 errichteten Schulhaus und bezeichnet die Stelle, an der die alte Strassenführung seit 1877 in die Hauptstrasse mündet. Es setzt sich aus drei Gebäudeteilen von unterschiedlichem Alter und Ausdruck zusammen: dem ehemaligen Pfarrhaus von 1749, einem die ganze Nordfassade einnehmenden Erschliessungstrakt mit zwei Ecktürmen von 1911 und einem zweigeschossigen, flachgedeckten Ladenanbau gegen Süden, welcher zwischen 1911 und 1950 in verschiedenen Bauetappen seine heutige Form erhalten hat. Das Alte Pfarrhaus von 1749 ist mit den Aussenmauern und seinem markanten, geknickten Vollwalmdach in seiner ursprünglichen Form noch lesbar. Es handelt sich um einen dreigeschossigen Mauerbau von kubischer Gesamtwirkung, dessen ehemalige Nordostecke als Eckrisalit ausgebildet ist (heute von einem der Ecktürme eingefasst). Auf der Westseite, wo in rund 40 Metern Entfernung die Wyna vorbei fliesst, laufen die Gebäudeecken nach unten als geböschte Pfeiler aus. Die nach Süden gerichtete Hauptfassade besitzt fünf eng gestellte Fensterachsen, während die Ost- und Westfassade lediglich zwei Fenster bzw. Fensterpaare aufweisen. Die beiden grossen Schaufenster mit den abgeschrägten Ecken in der Ostfassade sind ein Überbleibsel aus der ersten Umbauphase zum Geschäftshaus 1911; in gleicher Weise war der ehemals eingeschossige Ladenanbau mit Schaufenstern versehen. Das Dach ist südseitig mit zwei kleinen Giebellukarnen besetzt. Die verschalte Dachuntersicht wird von einem die Fassade abschliessenden Kranzgesims, profilierten Traufgesimsen und einem Zahnschnittfries begleitet. Die mit Biberschwanzziegeln doppelt eingedeckten Dachflächen stützt eine liegende Stuhlkonstruktion mit verzapften Querstreben, welch noch aus der Bauzeit stammt. Der Dachboden besitzt noch den bauzeitlichen Tonplattenbelag, wie er in stattlichen Gebäuden als Brandschutz üblich war. Das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss sind innen vollständig modernisiert und zum südseitigen Ladenraum hin geöffnet. Im Obergeschoss vermittelt eine die ganze Länge einnehmende Holztreppe zwischen den unterschiedlichen Fussbodenniveaus beider Bauphasen (Pfarrhaus von 1749 und Aufstockung Ladenanbau aus der Zeit um 1930). Im zweiten Obergeschoss sind wie im ersten sämtliche Zwischenwände entfernt, so dass es sich heute als ein einziger grosser, nur mehr von zwei Stützpfeilern unterteilter Raum präsentiert. An den verbliebenen Aussenwänden und der Decke hat sich jedoch eine in grosszügige Felder unterteilte und von feinen Profilleisten begleitete Täferung erhalten, die noch aus der Bauzeit des Pfarrhauses stammen dürfte. Die Erschliessung erfolgt seit 1911 über einen die ganze Gebäudebreite einnehmenden nordseitigen Treppenhaus- und Toilettentrakt mit zwei Ecktürmen. Unter dem nordöstlichen Turm an der Hauptstrasse befindet sich ein gedeckter Vorplatz zum Haupteingang, der sich mit zwei Arkaden zum Strassenraum öffnet, während der nordwestliche Turm einen Hintereingang besitzt. Im Gesamteindruck zeichnet sich die Gestaltung durch romantisierende Tendenzen sowie die Verarbeitung von Heimatstileinflüssen aus (Turmmotiv, ausgestellter Eckpfeiler, Fugenstrich im Sockelbereich), in der Detailgestaltung werden hingegen bereits Stilmerkmale der frühen Moderne vorweggenommen (Fensteröffnungen ohne Gewände ins Mauerwerk eingelassen, mehrere Fensteröffnungen mittels durchlaufendem Gesims zusammengefasst). Alle Fenster sind hochrechteckig geschnitten, im obersten Turmgeschoss und in der nordwestlichen Ecke, wo sich die Toiletten befinden, jedoch kleiner dimensioniert. Die Türme schliessen mit einem kugelbesetzten Glockendach aus Blech ab. Den Übergang zwischen Fassade und Dachuntersicht ziert ein umlaufendes, schräg montiertes Brett, welches noch Spuren einer schachbrettartigen Bemalung aufweist. Das Innere zeigt mit Bodenfliesen, Fischgratparkett, Deckentäfer, Granitstufen und einem kunstvollen Eisengeländer bzw. gedrechselten Staketen noch die ursprüngliche Bausubstanz. Der südseitige, flach gedeckte Ladenanbau, der sich mit abgerundeten Ecken verjüngend in den Strassenspickel fügt, bewahrt auf Höhe des Obergeschosses die aus einer ersten Umbauphase von 1930 stammenden Umfassungsmauern samt Fenstern, umlaufendem Sohlbankgesims und Beschriftung "Au Louvre". Demgegenüber wurde das Erdgeschoss um 1950 ganz in Glas umgestaltet. Auf diese Bauphase geht auch die Gestaltung des gedeckten Vorplatzes mit Einlegearbeiten in Stein und Messing auf dem Boden, rautenförmig unterteilter Decke und schmiedeeisernem Türgitter zurück. Die ehemals mit Stein verkleideten unteren Säulenschäfte waren derart verwittert, dass sie bei der letzten Renovation in Metall erneuert wurden. |
Anmerkungen: | [1] Steiner 1995, S. 144-145. - Hunziker 2004, S. 255: Beat Ringier war zur gleichen Zeit als Generalunternehmer für die beiden Pfarrhäuser an der Hinteren Hauptgasse in Zofingen tätig. 1747 übernahm er die Ausführung, 1749 erfolgte der Ausbau der Pfarrhäuser, vgl. die sehr ähnlichen kleinen Lukarnen auf dem geknickten Dach der ev.-ref. Pfarrhäuser in Zofingen. [2] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0262-0263: Brandkataster Gemeinde Reinach 1876-1938. - Das 1880 vom Reinacher Baumeister Rudolf Giger erstellte neue Pfarrhaus kam im östlichsten Streifen des Grundstücks Richtung Kirche zu stehen, während der dazwischenliegende grössere Teil des Pfrundlandes im Hinblick auf einen späteren Schulhausbau von der Gemeinde erworben wurde (heute Zentralschulhaus von 1906, Denkmalschutzobjekt REI005). [3] Vgl. Steiner 1995, S. 372 (Abb.). [4] Neues Bauen 1996, S. 90. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung. - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 51. |
Literatur: | - Peter Steiner, Reinach. 1000 Jahre Geschichte, Reinach 1995, S. 144-145 (Abb.), 372 (zum Geschäft "Zur Stadt Paris"), 384 (Abb.). - Edith Hunziker, Das barocke Zofingen, in: Zofingen vom Mittelalter bis 1798 (Veröffentlichungen zur Zofinger Geschichte (VZG) Bd. 4), Baden 2004, S. 255. - Neues Bauen im Kanton Aargau 1920-1940, hg. v. SIA Sektion Aargau/Kanton Aargau/Aargauer Heimatschutz, Baden 1996, S. 90. - 100 Jahre Alu Menziken. Ein Jahrhundert Oberwynental, hg. v. Alu Menziken Holding, Menziken 1997, S. 36 (Abb.). |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0261-0264: Brandkataster Gemeinde Reinach 1850-1938. - Historische Vereinigung Wynental, Fotoarchiv. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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