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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1852 |
Grundlage Datierung: | Brandkataster |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Profane Wohnbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Wohnhaus |
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Dokumentation |
Würdigung: | Stattliches Wohnhaus von 1852, das in den 1860er Jahren den Hauptanteil seines qualitätsvollen Innenlebens erhielt und 1911 eine äusserliche Umgestaltung im historisierenden Heimatstil erfuhr. Die grosszügig bemessenen Wohnräume zeigen fast ausnahmslos Oberflächen aus dem 19. Jahrhundert und der Zeit kurz nach 1900. Während Füllungstüren, Feldertäfer und Sichtbalkendecken den zeittypischen Charme der Ausstattung ausmachen, zeugen die selteneren "Berner Böden", das dreifarbige Tafelparkett und der Kachelofen von gehobenen Wohnverhältnissen. Die kunstvoll beschnitzte Biedermeier-Haustür stammt noch aus der Bauzeit. Das gepflegte Haus bildet zusammen mit der Scheune von 1858 und dem im Schweizer Holzstil errichteten Holz- und Waschhaus von 1892 ein intaktes Ensemble. Als Wohnstatt des Baumwollverlegers Hans Rudolf Engel und des Zigarrenfabrikanten Heinrich Hauri vermag es auf eine für die Wirtschafts- und Industriegeschichte Reinachs bedeutsame Besitzergeschichte zu verweisen. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | An der in Richtung Bromen führenden Strasse standen schon um 1840 etliche Häuser. 1852 liess sich der Baumwollverleger Hans Rudolf Engel (geb. 1816) auf einem freien Grundstück an der nördlichen Abzweigung ein stattliches Wohnhaus im spätklassizistisch-biedermeierlichem Stil erbauen [1]. Das "zweistöckige Wohnhaus mit 2 Tremkellern, von Stein und Rieg mit Ziegeldach" ging gemäss Brandlagerbuch einige Jahre später an dessen Ehefrau über und erfuhr 1862 durch Ausbau eine wesentliche Wertsteigerung von 4'800 auf 6'800 Franken. Mit der Handänderung an Heinrich Hauri (1819-1891) 1866 erfolgte erneut eine "Verbesserung". Heinrich Hauri war erst einige Jahre zuvor zu Vermögen gekommen: 1853 hatte er mit Johann Jakob Gautschi zusammen die Tabakfirma Gautschi & Hauri gegründet, welche damals noch im Gerbeareal im Oberdorf produzierte. Alle Gebäude gehörten Gautschi, da dieser das erforderliche Startkapital eingebracht hatte, während Hauri über die nötigen fachlichen Kenntnisse verfügte. Bereits 1863 war die Firma mit 110 Beschäftigten die grösste Reinacher Fabrik. In diese Zeit fällt der Hauskauf von Hauri. 1881 beteiligte er sich auch am neuen Hauptgebäude der Fabrik an der Hauptstrasse (Bauinventarobjekt REI905). Nach Hauris Tod 1891 wechselte die Liegenschaft an seine Erben und gehörte im frühen 20. Jh. einer Nachkommin namens Martha Hauri. Es ist anzunehmen, dass sie die Umgestaltung von 1911 veranlasste, welche mit einem gefugten Sockel, Schindelschirm, erneuerter Laube, Zwillingsfensterformaten sowie Ausstattungsteilen im Innern den Versicherungswert von 13'000 auf 21'000 Franken ansteigen liess. Seither wurden am und im Haus nur geringfügige Veränderungen vorgenommen, einzig die Fenster wurden vor einiger Zeit durch Fenster mit Kunststoffsprossen ersetzt. Bereits 1858 war nordöstlich des Hauses eine kleine Stallscheune errichtet worden, 1892 kam weiter südlich ein Holz- und Waschhaus hinzu. |
Beschreibung: | Achsensymmetrisch angelegtes Wohnhaus mit zwei Geschossen unter geradem Satteldach. Der traufständige Bau ist mit einem mittigen Zwerchgiebel zur Spitalstrasse hin orientiert. Darunter befinden sich in der selben Achse ein Balkon, bestehend aus einer konsolengestützten Muschelkalkplatte mit Gusseisengeländer, sowie der über eine lange gemauerte Freitreppe zu erreichende Haupteingang. Der Baukörper zeigt einen niedrigen Kellersockel mit rustizierender Putzquaderung und ein verputztes Erdgeschoss. Darüber ist, durch ein kräftiges Gurtgesims abgegrenzt, eine Verkleidung aus Holzschindeln angebracht. Sowohl die Hauptfassade als auch die Giebelseiten weisen je drei Fensterachsen auf, wobei diese an ersterer mit breiteren Fensterformaten besetzt sind. So sind beidseits des Eingangs und Balkons Zwillingsfenster und am Giebelaufbau sogar ein dreiteiliges Fenster eingelassen, während es sich bei den restlichen Fenstern fast durchwegs um hochrechteckige Einzelfenster handelt. Unter dem First befinden sich kleine, für das mittlere 19. Jh. typische Zwillingsfensterchen. Die Fensteröffnungen sind mit Holz eingefasst. Sie zeigen am Erdgeschoss rahmende Leisten und einfach profilierte Gesimse, am Erdgeschoss der Hauptfassade Blockgesimse aus Zement. In den oberen Geschossen sind die hölzernen Blendrahmen barockisierend mit "ohren-" und konsolenförmigen Eckumrissen versehen. Sie haben reich profilierte Gesimse und entsprechende Bekrönungen, die von einem darüber gezogenen Schindelschirm oder ersatzweise Blechverdachungen geschützt werden. Rückseitig wird die Fassade fast über die ganze Länge von einer zweigeschossigen Laube mit gemauerter Nordostecke für die ehemals hier eingerichtete Toilette eingenommen. Durch die kunstvoll beschnitzte Biedermeiertür von 1852 gelangt man in einen Stichgang und von dort geradeaus in die Küche mit einem Hinterausgang auf die Laube. Der Küchenboden ist mit schönen Art déco-Fliesen belegt, in der Wand befindet sich die Einfeuerung zum Kachelofen. Diese mittlere Raumschicht wird auf beiden Seiten von jeweils zwei Räumen umgeben, zu welchen sich die ursprünglichen vierteilige Füllungstüren samt Türrahmen erhalten haben. Südseitig sind ein vollständig mit schlichtem Feldertäfer ausgestattetes Esszimmer und ein Büro, nach Norden eine Haupt- und eine Nebenstube angelegt. Letztere zeigen mit Feldertäfer und Sichtbalkendecken bauzeitliche Ausstattungsteile, während der kostbare dreifarbige Tafelparkett vermutlich beim Umbau 1911 verlegt wurde. Der Kachelofen mit Sitzkunst dürfte aus der selben Zeit stammen. Vom unteren Korridor führt eine Holztreppe mit einfachem Staketengeländer ins obere Wohngeschoss, wo über der Küche ein Badezimmer eingerichtet wurde. Der Hinterausgang auf die Laube besteht hier noch aus der alten Brettertür. Die beiden Räume auf der Südseite bewahren neben Feldertäfer (im südwestlichen Raum mit illusionistischer Holzmaserierung und Schattenwurf) und Sichtbalkendecken noch die herrschaftlichen Bernerböden (Tannenböden aus breiten Brettern mit Hartholzfriesen) aus der Bauzeit. Die gegenüber liegenden Räume zeigen ihre originale Bodenoberfläche nicht, weisen jedoch ebenfalls Feldertäfer samt dazugehörendem Einbauschrank und Sichtbalken auf. Die Konstruktion des noch mit alten Biberschwanzziegeln eingedeckten Dachs besteht aus Sparren, einem liegendem Stuhl mit verzapften Hölzern und einem Kniestock. In der einen Raumhälfte wurde das Grundgerüst für die Wände einer Mansarde erstellt, offenbar wurde der Plan jedoch vor dem Ausbau wieder verworfen. Neben dem inneren Kellerabgang gibt es unter einem Bretterverschlag auf der Ostseite eine Aussentreppe. Der nähere Vorplatz ums Haus bewahrt teilweise noch die alte Pflästerung. Nordöstlich des Hauses steht eine in Mischbauweise erstellte Stallscheune von 1858 mit Mauerwerk und Bretterverschalungen im Stallbereich sowie einer Fachwerkwand mit Ausfachungen aus Bollensteinen am Tenn auf der östlichen Giebelseite. Im Südosten wird das Ensemble durch ein grosszügiges Holz- und Waschhaus im Schweizer Holzstil ergänzt. Die ehemals als Waschhaus dienende Hälfte ist in hellgelbem Backstein gemauert, während das Holzlager von einer luftdurchlässigen Bretterwand geschützt ist. Der Dachboden, dessen Bretterverschalung nach unten mit einem dekorativ ausgesägten Zierrand abschliesst, kann über ein Türchen im Zwerchgiebel zusätzlich mit Holz bestückt werden. |
Anmerkungen: | [1] Steiner 1995, S. 396, 398. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung. |
Literatur: | - Peter Steiner, Reinach. 1000 Jahre Geschichte, Reinach 1995, S. 396, 398. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0261-0264: Brandkataster Gemeinde Reinach 1850-1938. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=122000 |
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