INV-BRU934 "Ammelemähli", 1835 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-BRU934
Signatur Archivplan:BRU934
Titel:"Ammelemähli"
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Norden (2015)
Bezirk:Brugg
Gemeinde:Brugg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Herrenmatt
Adresse:Baslerstrasse 13
Versicherungs-Nr.:88
Parzellen-Nr.:82
Koordinate E:2657638
Koordinate N:1259772
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2657638&y=1259772

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1835
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Fabrikgebäude, Manufakturgebäude
Epoche / Baustil (Stufe 3):Biedermeier

Dokumentation

Würdigung:Biedermeierliches Wohnhaus von 1835, das sich im Zentrum eines ehemaligen kleinindustriellen Ensembles am Aareabhang erhebt. Das in den charakteristisch nüchternen Formen seiner Entstehungszeit gehaltene Gebäude ist aussen wie innen weitgehend intakt erhalten. Ursprünglich diente die Anlage als Fabrik für Stärkemehl (Amylum/Amelung), woher sie ihren volkstümlich überlieferten Namen „Ammelemähli“ erhielt. Während sich der strassenseitig angelegte Garten in die vornehme Umgebung der Herrenmatt fügte, zeugen die im Lauf des 19. und frühen 20. Jahrhunderts auf der Flussseite entstandenen Nebengebäude von den verschiedenen, sukzessive hier angesiedelten gewerblichen Nutzungen. Das Ensemble dokumentiert damit auf einzigartige Weise ein Stück Gewerbe- und Sozialgeschichte von Brugg. In seiner Lage unmittelbar über dem Felsabbruch des Aareabhangs kommt ihm insbesondere für den Blick vom gegenüberliegenden Ufer eine erhebliche landschaftlich-städtebauliche Wirkung zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Gebäude wurde um 1835 von dem aus altem Brugger Geschlecht stammenden Paul Frölich erbaut [1]. Es ist im Volksmund als „Ammelemähli“ bekannt, weil hier ursprünglich Stärkemehl (lateinisch Amylum, deutsch Amelung) hergestellt wurde. Entgegen dem Kaufvertrag grub Frölich erfolgreich nach Wasser zum Antrieb eines Wasserrades, musste sich aber schliesslich schriftlich zum Schutz der in dem Gebiet gelegenen öffentlichen Quellen verpflichten und weitere Grabungen unterlassen. Später diente die Anlage weiteren kleinindustriellen Nutzungen. Paul Frölichs Sohn Hermann betrieb hier eine Gerberei. Im 20. Jh. heiratete der Chemiker Ernst Hungerbühler-Frölich in die Familie ein und richtete eine Produktion von Pflanzenschutzmitteln ein.
Wohl zusammen mit dem Haus wurde ein Nebengebäude errichtet, das auf der Flussseite mit geringem Abstand vor den Hauptbau gestellt war und das wohl die Mühleräume enthielt. Es erscheint schon auf der Michaeliskarte um 1840 und noch auf einer Fotografie nach 1894 (vgl. Bilddokumentation), ehe es abgebrochen wurde. Sicherlich in direkter Abhängigkeit von der jeweiligen Nutzung wurden zu unterschiedlichen Zeiten drei weitere Nebengebäude erstellt: Ein schmaler, langgestreckter Baukörper (Vers.-Nr. 89) auf der Ostseite der flussseitigen Terrasse könnte noch in die Frühzeit des Baukomplexes datieren. Eine daran angebaute Gartenhalle entstand wohl im ausgehenden 19. oder frühen 20. Jh. Die Werkstattgebäude, welche die flussseitige Terrasse auf der Westseite begrenzen, wurden nach ihren spätklassizistischen Bauformen im ausgehenden 19. Jh. erbaut und um 1930/40 um eine ausgedehnte Terrasse erweitert.
Zur Zeit ist ein Ausbau der einst zu gewerblichen Zwecken genutzten Räume für eine Wohnnutzung beabsichtigt.
Beschreibung:Das „Ammelemähli“ nimmt ein Grundstück unterhalb der Baslerstrasse am Aareabhang ein, wo das Wohngebäude mit seinen kleinindustriellen Nebenbauten unmittelbar über dem Felsabbruch zur Aare sitzt. Der Zugang zur Liegenschaft erfolgt über ein wohl seit jeher ummauertes Gartengrundstück an der Baslerstrasse. Prominent ist die Anlage im Vordergrund von Stadtansichten des 19. Jh. zu erkennen, wo sie vor dem Hintergrund der Altstadt einen Akzent innerhalb der damals noch wenig bebauten Herrenmatt bildete. Besonders eindrucksvoll tritt von Stützmauern gefassten Geländeterrasse vom Freudensteinwäldchen auf dem gegenüberliegenden Aareufer in Erscheinung.
Das Wohnhaus ist mit seinem längs zum Hang gerichteten Baukörper in der unteren Hälfte des Grundstücks plaziert. Es handelt sich um einen grosszügig proportionierten, langgestreckten Biedermeierbau in den für die Fabrikarchitektur charakteristischen, zurückhaltend-spröden Formen. Der verputzte Mauerbau erhebt sich zweigeschossig über einem aarewärts vollständig freiliegenden Sockelgeschoss und wird über dem Kniestock von einem mittelsteilen, geraden Rafendach abgeschlossen. Die beiden Trauffassaden sind fünfachsig mit Einzelfenstern in schlichten rechteckigen Steingewänden besetzt, die hölzerne Jalousieläden, im Erdgeschoss der Strassenfassade Brettläden tragen. Strassenseitig ist die Mittelachse durch den Hauseingang und einen kleinen Zwerchgiebel betont. Der Hauseingang besitzt noch sein einfaches, aber schönes bauzeitliches Türblatt samt Oblicht. Das Vordach ist jüngeren Datums. In analoger Gliederung ist die südliche Traufseite zum Fluss hin in der Mittelachse mit zwei Balkonen besetzt, von denen der untere noch ein Schmiedeeisengeländer wohl aus der Zeit um 1900 besitzt; im übrigen wurde der Vorbau vor kurzem erneuert. Die beiden Stirnseiten sind identisch zweiachsig befenstert. Als charakteristisch biedermeierliche Gestaltungselemente besitzen sie im Kniestock ein rundbogiges Zwillingsfenster, im oberen Dachgeschoss eine grossformatige Lünette (Halbrundfenster). Das Dach ist mit Biberschwanzziegeln eingedeckt. Flussseitig wird es von zwei jüngeren Schleppgauben unterbrochen.
Im Inneren sind die Wohnräume mit bauzeitlichem Feldertäfer ausgestattet, das teilweise wohl in einem Zustand des späteren 19. Jh. zweifarbig gefasst ist. Zum Treppenhaus hin haben sich Wohnungsabschlüsse ebenfalls aus dem späten 19. Jh. erhalten. Ein Raum bewahrt einen schönen klassizistischen Zylinderofen mit kannelierten weissen Kacheln und Arabeskendekor am Kranzgesims. Erhalten hat sich zudem ein eiserner Stellofen mit olivgrünen Kacheln und Einfeuerungsöffnung vom Gang, hergestellt im frühen 20. Jh. von der Ofenfabrik Sursee.
Das grosszügige strassenseitige Gartengrundstück ist in vielleicht ursprünglicher Anordnung mit einem halbrunden Fahrweg gestaltet, der tangential ans Haus stösst und strassenseitig ursprünglich zwei seitliche Eingänge besass (vgl. Bilddokumentation). Zwischen zwei seitlichen Baumgruppen, welche in der Zeit um 1900 an die Stelle zweier axial angeordneter Pappeln gepflanzt wurden, ist eine Rasenfläche freigelassen. Gegenüber der Nordfassade steht ein Brunnen mit Jahrzahl 1851, der nach der mündlichen Überlieferung einst als Fischtrog des Hotels „Rotes Haus“ gedient haben soll [2]. Auf allen Seiten hat sich die wohl ursprüngliche Gartenmauer mit zweiflügligem Schmiedeeisentor erhalten.
Zum Fluss hin erstreckt sich über die ganze Grundstückbreite eine Geländeterrasse, deren Stützmauern direkt auf dem anstehenden Fels aufsetzen und von mehreren Nebenbauten unterbrochen sind. Über einen Zwischenbau mit dem Haupthaus verbunden ist der Komplex von Nebenbauten, welcher die südwestliche Ecke des Grundstücks einnimmt. Seinen Kern bildet ein quer in den Hang gestellter einstöckiger Werkstattbau (Vers.-Nr. 705) mit Kniestock und geradem Giebeldach, der nach seinen spätklassizistischen Gestaltungselementen in das ausgehende 19. Jh. zu datieren ist und mit seiner Giebelseite hart am Abhang steht. Westlich schliesst ein jüngerer Quergiebelanbau an. Mit dem Haupthaus sind die Nebengebäude über eine zweigeschossige Eisenbetonkonstruktion verbunden, die im Sockelgeschoss teilweise als Werkstattraum verglast, teilweise offen ist. Charakteristisches Gestaltungselement dieser sicherlich in den 1920er oder 30er Jahren entstandenen Terrassenanlage sind die beiden übereinander angeordneten Aussichtsbalkons, die als dünne Betonscheiben mit relingsartigen Geländern halbrund über die Felskante vorspringen. Die Innenräume zeigen teilweise noch Reste der früheren gewerblichen Nutzung. Vor dem Wohnhaus ist die Geländeterrasse von einer niedrigen Brüstungsmauer begrenzt. Östlich steht auf gleichem Niveau ein quadratischer Gartenpavillon mit Zeltdach wohl des frühen 20. Jh. Auf etwas tieferem Niveau steht quer zum Hang ein langgestreckter, schmaler Giebeldachbau, der vielleicht schon zum ursprünglichen Baubestand gehörte und der sich an der Geländekante mit einer Tür und einem Rundbogenfenster im Kniestock öffnet. Im östlichsten Teil des Grundstücks liegt ein jüngeres Schwimmbassin.
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Baumann / Meier 2009, S. 58f. sowie nach freundlicher Mitteilung von Dr. Max Baumann, Stilli (gemäss den Wasserwerkskonzessionen im Staatsarchiv).
[2] Baumann / Meier 2009, S. 58.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Literatur:- Max Baumann / Titus J. Meier, Brugger Brunnen, Brugg 2009, S. 52, 58f., 138.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
- Staatsarchiv Aargau, Wasserwerkskonzessionen (nach freundlicher Mitteilung von Dr. Max Baumann, Stilli).
- Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich, Bildarchiv: PK_006870, Fel_004083-RE.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=129722
 

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