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INV-SHE904 Vogtshaus, 1691 (Dossier (Bauinventar))
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1691 |
Grundlage Datierung: | Inschrift (Tenntor) |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Landwirtschaftliche Bauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Bäuerlicher Vielzweckbau |
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Dokumentation |
Inschriften: | „M.BASCHIN.L.V.BW.K.O.E.W.B.D.V.N.16.91“ (Jochbalken Tenntor) |
Würdigung: | Das grossvolumige, prominent an der Hauptstrasse stehende "Vogthaus" gehört mit dem am Tenntor überlieferten Baujahr von 1691 zu den ältesten Profanbauten der Gemeinde. Das ehemalige Strohdachhaus, ein spätgotisch geprägter Bohlenständerbau mit halbgeschossig versetztem gemauertem Stock (=massiver feuersicherer Einbau), bezeugt die Bauweise der bäuerlichen Oberschicht zu jener Zeit. Eindrücklich präsentiert sich die strassenseitige Ständerwand des südlichen Hausteils mit reichem, sorgfältig ausgeführtem Holzdekor, während im Dachraum der nördlichen Wohnung noch Teile der charakteristischen, rauchgeschwärzten Hochstudkonstruktion erhalten sind. Das äusserlich sorgfältig renovierte Gebäude lässt auch im Innern noch die ursprüngliche Raumaufteilung nachvollziehen. Das hohe Alter, die typologische Bedeutung als „Stockhaus“, der erhebliche Anteil an historischer Bausubstanz und das gepflegte Erscheinungsbild machen das Gebäude zu einem wichtigen Zeugen der ländlichen Bautradition. Im Falle von grösseren baulichen Veränderungen sollte vorgängig eine bauarchäologische Untersuchung mit dendrochronologischer Altersbestimmung vorgenommen werden. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Eine Inschrift am Tenntorbalken mit der Jahreszahl 1691 verweist auf das Baujahr oder aber auf eine grössere Umgestaltung, womit das Haus in seiner Grundanlage auch älter sein könnte [1]. Die Bezeichnung "Vogtshaus" deutet auf eine sozial gehobene Bewohnerschaft mit öffentlichen Ämtern hin. So soll schon 1629 der damalige Dorfvogt Felix Wildi hier wohnhaft gewesen sein [2]. Der am Tenntor angebrachte Schriftzug „M.BASCHIN.L.V.BW.K.O.E.W.B.D.V.N.16.91“ konnte bislang nicht entschlüsselt werden. Ursprünglich dürfte das Haus als Bohlenständerbau mit massiv gemauertem Stockeinbau in der Südwestecke sowie charakteristisch abgewalmtem Strohdach bestanden haben. Zum originalen Bestand gehören die strassenseitige Holzfassade und der massiv gemauerte Stockeinbau im südlichen Hausteil (Vers.-Nr. 44B), das Tennportal mit der Bauinschrift sowie die verbliebene Hochstudkonstruktion über dem nördlichen Hausteil (Vers.-Nr. 4A). In welcher Form der nördliche, später aufgemauerte Hausteil früher bestanden hat, kann ohne bauarchäologische Untersuchung nicht mit Sicherheit ausgesagt werden. Im Brandkataster von 1850 ist von einem „Wohnhaus samt Scheune, von Mauer, Riegel, Holz, mit zwei Gewölbekellern unter Strohdach“, mit zwei Hausteilen, die Rede [3]. Der südliche Hausteil befand sich damals in den Händen von Rudolf Urech, Metzger, der nördliche gehörte Samuel Baumann, Drechsler. Der Wechsel von Stroh- auf Ziegelbedachung erfolgte im frühen 20. Jh. (1911 oder 1925). Dabei wurde auf der Südseite der Dachfirst zu einem Giebel verlängert, und vermutlich zur gleichen Zeit hat man die rückwärtige Hauswand nach aussen – auf die Flucht des vordem vorspringenden gemauerten Stocks – verlegt. Nach 1988 fand eine Renovation des südlichen Hausteils statt. Dabei wurde die strassenseitige Bohlenständerfassade sorgfältig restauriert, und als einzige wesentliche eingriffe hat man die vormaligen Einzellichter im Obergeschoss durch Zweier- und Dreierfenster ersetzt. |
Beschreibung: | Der behäbige, langgestreckte Baukörper ist traufständig an die Seetalstrasse gestellt. Unter der mächtigen, auf der Nordseite noch mit einem Teilwalm versehenen Dachfläche sind zwei aussenseitige Wohnteile und ein dazwischen liegender, gemeinsam genutzter Scheunentrakt mit Tenn und Stall angeordnet. Die für ehemalige Strohdachhäuser charakteristische, rauchgeschwärzte Hochstud-Dachkonstruktion setzte sich ursprünglich aus fünf Firstständern (Hochstüden) zusammen, wovon drei im Bereich der Scheune verliefen und je einer über den beiden Wohnteilen auf Dachbodenniveau abgefangen war. Von dieser Konstruktion sind in der nördlichen, ansonsten stärker veränderten Haushälfte (Vers.-Nr.44 A) noch zwei Hochstüde samt Firstpfette, Unterfirst, Sperrrafen und Windstreben vorhanden. Demgegenüber wurde über der südlichen Haushälfte anlässlich der Umdeckung auf Ziegel ein neues Pfettenrafendach aufgesetzt. Im Übrigen aber zeigt der südliche Hausteil (Vers.-Nr. 44 B) noch wesentliche Elemente des ursprünglichen Baubestandes. Namentlich die strassenseitige Ständerwand bezeugt noch die traditionelle Holzbauweise, wie sie bis ins 19. Jh. in der Region weit verbreitet war. In den mächtigen eichenen Schwellenkranz eingezapfte Ständer bilden mit den horizontal abschliessenden Bundbalken ein konstruktives Gerüst, in das als Wandfüllungen liegende Bohlen eingenutet sind. Breite verblattete Kopfhölzer am Obergaden dienen zur Aussteifung des Gefüges und kerbschnittartig beschnitzte Büge stützen die Balkenvorstösse der Dachkonstruktion ab. Über den gesamten Obergaden verläuft ein kräftiger, mit vierfachem Würfelfries auffällig verzierter Brustriegel. Ein ähnlich gestalteter Brustriegel dürfte auch im Erdgeschoss bestanden haben, doch wurde dieser anlässlich einer Vergrösserung der Fensteröffnungen wohl im 19. Jh. entfernt. Ein weiteres Charakteristikum des „Aargauerhauses“ stellt der nur teilweise in den Hausgrundriss einbezogene, halbgeschossig versetzte gemauerte Stock mit gewölbtem Keller dar [4]. Dieser feuersichere Gebäudeteil ragte ursprünglich an der südwestlichen Hausecke über die hölzernen Gebäudefluchten vor, ehe die südliche Stirnwand aufgemauert und die hintere Trauffassade nach aussen versetzt wurde. Im Hausgrundriss ist die Konstellation mit winkelförmig den Stock umschliessender, ehemals zweigeschossiger Küche mit seitlich anschliessender Kammer sowie den strassenzugewandten Hauptwohnräumen Stube und Nebenstube noch gut ablesbar. Ursprünglich führte der strassenseitige Hauptzugang wohl in eine offene laubenartige Vorzone, von der man in die Küche und wohl auch direkt in die Stube gelangte. Die Küche war die eigentliche „Verkehrsdrehscheibe“, von der aus der Stock und der darunter liegenden Gewölbekeller wie auch die Stube und die neben der Küche liegende Kammer zugänglich waren. Ebenfalls von der Küche aus führte eine Stiege in den Obergaden, welcher früher zwei einfache Schlafkammer über den Stuben sowie eine rückwärtige Kornkammer enthielt [5]. Inneres heute modernisiert. Noch zum ursprünglichen Bestand gehört das Tenntor, dessen Bretterflügel mit vorstehenden Holznägeln zusammengehalten sind. Am Jochbalken eingekerbt und mit weisser Farbe nachgezogen ist die Inschrift „M.BASCHIN.L.V.BW.K.O.E.W.B.D.V N 16.91“. Der nördliche Wohnteil (Nr.44 A) ist mit Ausnahme der Hochstud-Dachkonstruktion und der auf zierbeschnitzten Bügen ruhenden Giebellaube stärker verändert. |
Anmerkungen: | [1] Strohdachhäuser mit gemauertem Stock („Stockhäuser") sind auf aargauischem Boden vor allem aus dem 16./17. Jh. bekannt, vereinzelt wurden sie auch noch im frühen 18. Jh. errichtet. Als Vergleichsbeispiele können das Haus Köllikerstrasse1 in Muhen (MUH905; dat. 1577) und das Strohdachmuseum in Muhen (MUH001; dat. 1720/21) herangezogen werden. [2] Gemäss den Notizen von Alt-Förster Emil Wildi 1978 (vgl. Chronik der Gemeinde Schafisheim 1991, S. 181). [3] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0442-0445: Brandkataster Schafisheim 1850-1938. [4] Zum Phänomen des „Stocks“ in Strohdachhäusern vgl. Räber 2002, S. 214-215, 250-252, 276-285. [5] Zur inneren Raumorganisation vgl. die Verhältnisse im Strohdachmuseum in Muhen (Räber 2002, S. 276-285). |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung. |
Literatur: | - Chronik der Gemeinde Schafisheim (Hrsg. Kulturkommission Schafisheim), Schafisheim 1991. - Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002 (Abb. 259, 304, 358, 515). |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0442-0445: Brandkataster Schafisheim 1850-1938. - Ernst Wildi, Rapport an den Gemeinderat und Kulturkommission Schafisheim über die Dorfuntersuchung (Typoskript vom Mai 1978 bei der Kantonalen Denkmalpflege). |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=130077 |
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