INV-WIN941 Wohnhaus Lindhof, 1598 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-WIN941
Signatur Archivplan:WIN941
Titel:Wohnhaus Lindhof
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordwesten (2016)
Bezirk:Brugg
Gemeinde:Windisch
Ortsteil / Weiler / Flurname:Lindhof
Adresse:Lindhof
Versicherungs-Nr.:192A/B
Parzellen-Nr.:1931 (192A), 1780 (192B)
Koordinate E:2659350
Koordinate N:1257537
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2659350&y=1257537

Chronologie

Entstehungszeitraum:1598
Grundlage Datierung:Inschrift (Gewände Kellerportal)
Nutzungen:1315 Schenkung an Königsfelden, 1646 (oder früher) Verpachtung durch die bernische Regierung, 1836 Verkauf in Privatbesitz, 1877 Hausteilung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:WIN017
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Ländlicher Oberschichtbau
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätgotik

Dokumentation

Inschriften:"1598" (Kellerportal)
Würdigung:Spätgotisches Wohnhaus, das als ältester Bestandteil des Lindhofs in wesentlichen Teilen wohl auf das Jahr 1598 zurückgeht. Aus dieser am Kellerportal datierten Bauphase dürften sicherlich die Umfassungsmauern und die spätgotischen Fenster der nördlichen Traufseite stammen, wahrscheinlich auch das vollständig russgeschwärzte Dachgerüst. Zur Baugruppe des Lindenhofs, die durch ihre herausgehobene topographische Lage von weitem in Erscheinung tritt, gehören neben dem hier beschriebenen Wohnhaus ein älteres, stärker verändertes Scheunengebäude sowie die „Neue Scheune“ von 1709 (Kantonales Denkmalschutzobjekt WIN017), ferner ein jüngeres Wohnhaus von 1842. Mit ihrer in einem landwirtschaftlichen Kontext ungewöhnlich herrschaftlichen Gestaltung brachten die Gebäude von alters her die besondere Rolle des Lindhofs zum Ausdruck, der als eine der ersten Schenkungen an das Kloster seit 1315 königsfeldischer Lehenhof war.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Der Lindhof war als habsburgischer Lehenhof einer der bedeutenden alten Höfe von Windisch [1]. 1315 kauften die Habsburger den Hof von ihren Dienstadeligen zurück, um damit als eine der ersten wichtigen Schenkungen das 1311 von der habsburgischen Königin Elisabeth gestiftete Kloster Königsfelden auszustatten. In dieser Funktion waren die Bewohner des Hofs bis ins 19. Jh. von den üblichen Pflichten der Untertanen befreit und gehörten auch nicht der dörflichen Organisation von Windisch und Oberburg an. Als sogenannter „Steckhof“ war der Lindhof dabei durch Marchsteine abgegrenzt. Mindestens seit der Schenkung an das Kloster Königsfelden umfasste er mit Ausnahme zweier Waldstücke bis heute eine unveränderte, grosse Nutzfläche von rund 47 ha, zu der Äcker, Wiesen, Weiden, Gärten, Rebland wie auch Wald gehören. Nachdem der Hof bis dahin von Königsfelden auf eigene Rechnung geführt worden war, wurde er von der bernischen Regierung spätestens ab 1644 verpachtet.
Möglicherweise noch einen Überrest aus einer früheren Bauphase des Gebäudes stellt der eichene Eck- oder Wandständer mit Kultnische dar, der in die bestehende Stubenwand eingemauert ist. Das bestehende steinernen Wohnhauses dürfte in wesentlichen Teilen aber auf das Jahr 1598 zurückgehen, das auf dem südseitigen Kellerportal erscheint. Möglicherweise geht auch das altertümliche, vollständig russgeschwärzte Dachgerüst noch auf diese Bauphase zurück. Ebenfalls in diese Zeit datiert wohl der Kernbau der dem Wohnhaus benachbarten „Alten Scheune“ (Vers.-Nr. 193). 1708 wurde unter Hofmeister Abraham von Graffenried die gegenüberliegende „Neue Scheune“ errichtet (Kantonales Denkmalschutzobjekt WIN017). 1784 erhielt die Alte Scheune einen mächtigen, vollständig neuen Dachstuhl.
1836 brachte die aargauische Regierung den Hof zur Steigerung, worauf er in privates Eigentum überging.1842 erbaute der erste Privateigentümer Bernhard Wernli ein zweites Wohnhaus (Vers.-Nr. 191), das 1871–1940 als Restaurant und Pinte diente [2]. 1877 wurde der Hof und damit auch das alte Wohnhaus in zwei Hälften aufgeteilt. Vielleicht erhielt die westliche Haushälfte (Vers.-Nr. 192B) erst zu diesem Zeitpunkt ihre axial bezogenen Einzelfenster, die in auffallendem Kontrast zur spätgotischen Befensterung des östlichen Hausteils (Vers.-Nr. 192A) stehen. 1891 bzw. 1903 kamen mit Robert Geiser aus Langenthal und Adolf Mosimann aus Lauperswil BE die Vorfahren der heutigen Eigentümer in den Besitz des Lindhofs. Um 1910/20 erhielt der westliche Hausteil einen Treppenhausanbau, nachdem beide Hausteile bis dahin denselben Mittelgang benutzt hatten [3]. Um 1980 wurde der östliche Hausteil im Inneren teilweise renoviert. Kürzlich erfolgte ein Umbau des westlichen Hausteils samt einem Teilausbau des Dachgeschosses.
Beschreibung:Der Lindhof besetzt südlich über dem alten Siedlungskern von Oberburg eine weithin sichtbare Anhöhe, die nach Norden und Westen mit Acker- und Weideland sanft abfällt, während das Gelände nach Süden von einem Waldstück begrenzt wird, nach Südosten von einem Steilhang zur Reuss, den ehemaligen „Lindreben“ (vgl. Siegfriedkarte 1880 in der Bilddokumentation). Das alte Wohnhaus steht mit der nördlichen Traufseite im Fluchtpunkt der alten Fahrstrasse von Oberburg. Westlich davon ist in gleicher Firstlinie die freistehende „alte Scheune“ angeordnet, dieser gegenüber der schöne Barockbau der „neuen Scheune“ von 1708 (Kantonales Denkmalschutzobjekt WIN017). Mit 90 Grad gedrehter Firstrichtung steht an der östlichen Hangkante das jüngere Wohnhaus von 1842.
Das hier beschriebene alte Wohnhaus (Vers.-Nr. 192A/B) ist in wesentlichen Teilen als zweistöckiger spätgotischer Mauerbau erhalten, der von einem steilen Satteldach mit hochliegendem Knick abgeschlossen wird. Am deutlichsten bewahrt die spätgotische Befensterung an der Nordfassade des östlichen Hausteils die Bauformen aus der Entstehungszeit um 1598: Ein dreiteiliges, gekehltes Staffelfenster belichtete wohl seit jeher die Stube, ein benachbartes Doppelfenster die Nebenstube. Letzteres besitzt heute einen hölzernen Mittelpfosten; der Grund für den Versatz in der Sohlbank- und Sturzhöhe ist unklar. Im ersten Obergeschoss besteht noch ein gleichfalls gekehltes gotisches Einzelfenster. Die übrigen, axial angeordneten Einzelfenster sind Produkt einer Neugestaltung in spätklassizistischen Formen, vielleicht aus Anlass der Hausteilung von 1877. Ungefähr die Mittelachse besetzt der breit proportionierte Hauseingang, der zu seiner Entstehungszeit beiden Wohnungen diente; zwei Einzelfenster im Erdgeschoss und drei von vier im Obergeschoss gehören zum westlichen Hausteil.
Vor der westlichen Giebelseite liegt der um 1910/20 entstandene, von einem Pultdach abgeschlossene Treppenhausanbau, der seither diesem Hausteil als Erschliessung dient. Stärker verändert zeigen sich die östliche Giebelseite und die rückwärtige, südliche Traufseite. An dieser besitzt nur noch das Obergeschoss Fenstergewände des 19. Jh. Alle anderen Lichtöffnungen sind heute ohne Gewände. An der Südfassade des westlichen Hausteils ist das Dach im unteren Bereich angehoben und von einer breiten Lukarne besetzt.
Inneres des östlichen Hausteils (Vers.-Nr. 192A): Der ungefähr axial quer zum First angelegte, durchgehende Mittelgang dient heute nur noch dem östlichen Hausteil, obwohl er unter dem Obergeschoss des westlichen Hausteils liegt. Das Erdgeschoss umfasst strassenseitig Stube und Nebenstube, die seit einem Umbau um 1980 miteinander verbunden sind, im mittleren Bereich die Küche und rückwärtig daran anschliessend eine Kammer. Eine Innentreppe führt quer zum Gang etwa unter dem First ins Obergeschoss. Zwischen Mittelgang und Nebenstube sowie im Treppenhaus sind teilweise die Fachwerkwände freigelegt. In der Stube hat sich links neben dem Staffelfenster ein Eichenbalken erhalten, den man wohl als Wandständer eines hölzernen Vorgängerbaus deuten kann und der mit einer kleinen Sakramentsnische versehen ist. Er war vollständig in das mächtige Mauerwerk integriert und wurde bei der Renovation um 1980 freigelegt. Die Stube besitzt einen Heimatstil-Kachelofen um 1950, die rückwärtige Kammer eine einfache gestemmte Täferdecke wohl aus dem frühen 20. Jh.
Inneres des westlichen Hausteils (Vers.-Nr. 192B): Unter dem westlichen Hausteil liegt ein Gewölbekeller, der über einen Aussenzugang an der südlichen Traufseite betreten wird. Er besitzt ein grosses rundbogiges Muschelkalkgewände mit Fase, eingemeisselter Jahrzahl 1598 und Steinmetzzeichen [4]. Dieses wird von einem einfachen biedermeierlichen Türblatt mit strahlenförmiger Aufdoppelung verschlossen. Unter der geräumigen, quer zum First gelegenen Korbbogentonne ist der Boden mit einer schönen Pflästerung aus grossen Steinplatten und Flusskieseln versehen. Die Wohnräume dieses Hausteils wurden in jüngerer Zeit im Inneren modernisiert, wobei teilweise Innenwände entfernt wurde. Erhalten sind die durchgehend freigelegten alten Deckenbalken. Das giebelseitige Treppenhaus besitzt eine einfache Holztreppe mit Staketengeländer aus der Entstehungszeit um 1910/20. Das Erdgeschoss ist heute zu einem einzigen Raum zusammengefasst, das erste Dachgeschoss zu Wohnzwecken ausgebaut.
Über dem gesamten Baukörper erhalten ist das wohl 1598 zusammen mit dem Haus aufgerichtete, vollständig russgeschwärzte Dachgerüst, eine liegende Stuhlkonstruktion mit eher zierlich bemessener Sparrenlage.
Seit jeher zum Haus gehört die auf der Westseite stehende, heute stark veränderte und angebaute „Alte Scheune“ (Vers.-Nr. 193, nicht Bestandteil des Schutzumfangs). Ihre Umfassungsmauern dürften teilweise noch in die Entstehungszeit des Wohnhauses weisen. Durch seine Grösse wie auch seine Fassadengestaltung kam dem Ökonomiebau ursprünglich wohl eine überaus herrschaftliche Wirkung zu. Die ursprüngliche Fassadengliederung dokumentiert ein mächtiges, gefastes Rundbogenportal, das sich in der ehemaligen südlichen Aussenwand erhalten hat und mit dieser heute ganz im Inneren des Gebäudes liegt. Ein analoges, mittig angelegtes Portal öffnete sich ursprünglich wohl auch in der nordseitige Vorderfront. Im westlichsten Bereich der südlichen Traufseite geht die Wand in eine behelfsmässig wirkende Fachwerkkonstruktion über, die vielleicht als Hinweis auf eine nachträgliche, sicher aber schon früh vorgenommene Verlängerung zu deuten ist. Die von einem Halbwalm abgeschlossene westliche Stirnseite ist im Erdgeschoss mit drei schmalen Lichtöffnungen besetzt, die von Steingewänden gerahmt werden und mit gezackten Eisenstäben vergittert sind. Die Verlängerung der Scheune nach Osten wurde vielleicht zusammen mit der in den Schriftquellen dokumentierten Erneuerung des Daches 1784 vorgenommen. Vollständig erhalten ist über dem ganzen Ökonomiebau das mächtige, damals vollständig neu aufgebaute Dachgerüst, das sich auch jenseits der ehemaligen östlichen Giebelwand fortsetzt.
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Baumann 1983, S. 45-47 u. 247-254.
[2] Baumann 1983, S. 685f.
[3] Freundliche Mitteilung des Eigentümers.
[4] Stettler / Maurer Kdm AG II 1953, S. 465.
Literatur:– Michael Stettler / Emil Maurer, Die Bezirke Lenzburg und Brugg (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band II), Basel 1953, S. 462 u. 465.
– Max Baumann, Geschichte der Gemeinde Windisch vom Mittelalter zur Neuzeit, Brugg, 1983, 45-47, 247-254, 685f.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=130281
 

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