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INV-UNS934 Ev.-ref. Kirche, 1963-1965 (Dossier (Bauinventar))
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1963 - 1965 |
Grundlage Datierung: | Literatur |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Sakrale Bauten und Anlagen |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Kirche (ev.-ref.) |
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Schutz / Status |
Status Bauinventar: | Neuaufnahme Bauinventar 2016 |
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Dokumentation |
Autorschaft: | Gottfried Siegenthaler, Baden |
Würdigung: | Das 1963-65 nach Plänen von Gottfried Siegenthaler errichtete evangelisch-reformierte Kirchenzentrum ist als blockartig gestaffelter Gebäudekomplex mit frei stehendem Glockenturm um einen rechteckigen Innenhof organisiert. Die von einem mächtigen asymmetrischen Dach dominierte Anlage leitet die Besucher über eine gedeckte Passage in den Hof, der als Besammlungsplatz und Erschliessungsraum dient. Im Innern zeigen sich die zeittypischen Tendenzen insbesondere im Kirchensaal, der als neutraler Gemeinschaftsraum ohne Empore oder ausgezeichnetem Chor gestaltet ist und mit der schräg gegen den Chor hin ansteigenden Holzdecke an die beliebte Zeltsymbolik anknüpft. Die Wirkung des für die 1960er-Jahre wichtigen neuen Umgangs mit Sichtbeton ist seit der Sanierung von 1992, bei der die Fassade einen weissen Anstrich erhielt, verunklärt. Hingegen hat sich im Inneren die ursprüngliche Materialität mit Tonplattenböden, holzverkleideten Decken sowie Mobiliar weitgehend bewahrt. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | 1809 liessen sich fünf reformierte Familien aus Brienz im bisher katholischen Untersiggenthal nieder [1]. Sie siedelten sich ausserhalb des Dorfes auf dem Steinenbühl an, wo sie drei Höfe und Land gekauft hatten. 1811 wurden sie der reformierten Kirchgemeinde Baden zugeteilt und 1856 – inzwischen auf 108 in Untersiggenthal wohnende Reformierte angewachsen - als gleichberechtigte Kirchgenossen anerkannt. Da sich bis 1910 ihre Zahl nahezu verdreifachte, wurde der Gottesdienst nun einmal im Monat im neuen Schulhaus gefeiert. Zwar pendelte sich der Anteil der Reformierten um 1930 bei einem knappen Drittel der Bevölkerung ein, doch weil diese insgesamt stark anwuchs, musste 1958 für die Weihnachtsfeier bereits auf die Turnhalle ausgewichen werden. Nachdem man von den früheren Erwägungen eines gemeinsamen Kirchenbaus mit der Gemeinde Gebenstorf in Turgi, abgekommen war, begann die Kirchenpflege 1952 mit dem Ankauf von Land im Breitenstein. Beim Architekturwettbewerb 1961 ging das vom Badener Architekten Gottfried Siegenthaler entworfene Kirchenzentrum als Siegerprojekt hervor [2]. Die Realisierung des Kirchenbaus erfolgte 1963-65 [3]. Anfang 1964 goss die Glockengiesserei Rüetschi, Aarau, die fünf Glocken, welche vor ihrer Anbringung im Glockenturm als Teil eines 26-stimmigen Glockenspiels an der Landesausstellung "Expo 64" in Lausanne zu hören waren. Im Klang sind die Glocken auf die drei Kirchen der Nachbarschaft abgestimmt. Entgegen damaligen Tendenzen entschied man sich beim Turm aus akustischen Gründen bewusst für eine weitgehend geschlossene Glockenstube, in der die Glockentöne vor ihrem Austritt gemischt und gedämpft wurden [4]. Der Glockenaufzug fand am 1. Juli 1965 statt. Aus demselben Jahr stammt die von Orgelbauer Th. Kuhn in Männedorf gelieferte Orgel [5]. Am 28. November 1965 wurde die Kirche eingeweiht. 1992 wurde das Kirchenzentrum einer grösseren Renovierung unterzogen. Dabei erhielt die sanierte Betonfassade einen weissen Anstrich, das Dach eine Isolation und die Wohnung im Dachgeschoss einen neuen direkten Aussenzugang [6]. Auch das Innere des Kirchgemeindesaals wurde im Laufe der Zeit saniert, die Orgel 2005 renoviert. Seit der Umstellung der Heizung auf Fernwärme 1998 werden die freigewordenen Kellerräume für die Jugendarbeit genutzt. Das von der politischen Gemeinde ursprünglich im Untergeschoss eingerichtete Notspital des Zivilschutzes ist nicht mehr in Betrieb. |
Beschreibung: | Das 1963-65 am Höhenweg, an der Hangkante über der Ebene von Ennetturgi erbaute Reformierte Kirchenzentrum ist ein kräftig gegliederter Gebäudekomplex, der sich um einen rechteckigen Innenhof gruppiert. Nach Süden ist der Innenhof offen und gibt den Blick frei über die tiefer liegende, von der Limmat durchflossene Ebene. Mit Ausnahme des freistehenden Glockenturms sind alle Funktionen – Kirchenraum, Kirchgemeindesaal, Pfarrhaustrakt und verschiedene Nebenräume – in einem Baukörper zusammengefasst. In der Formensprache lehnt sich dieser an die im zeitgenössischen Wohnbau verbreitete Bauweise mit tief herabgezogenem, asymmetrisch geneigtem Dach an. Aufgrund der Staffelung wirkt der Komplex wie eine Abfolge mehrerer derart gestalteter, dicht aneinandergeschobener Einzelhäuser. Von aussen erscheint der das Kirchenzentrum als massiger, felsblockartig aufsteigender Baukörper. Die hell gefassten, leicht nach innen geneigten Betonmauern des Erdgeschosses gehen unvermittelt in den mächtigen, mit dunklen Faserzementschindeln verkleideten Dachbereich über. Dieser senkt sich zum Innenhof hin trichterartig und schliesst mit einem senkrechten Band ab, das wiederum mit den Fassaden zum Innenhof hin korrespondiert. Die unmittelbar unter der Trauflinie ansetzenden und durch schmale Betonstreben getrennten Fenster sind in unterschiedlich weit hinunterreichenden Bändern angeordnet. Fenster und eine zur Pfarrwohnung gehörende Loggia im Westen geben den Dachbereich als ausgebaute Geschossebene zu erkennen, nur im Ostflügel, wo der bis unters Dach offene Kirchgemeinde- und Kirchensaal untergebracht sind, sind die Dachflächen geschlossen. Die Ostseite, welche die Rückwand des Kirchgemeinde- und Kirchensaals bildet, gliedert sich in drei voneinander abgestufte, senkrecht in den Dachbereich hineingreifende Mauerflächen, die mit kubisch gemauerten Wassersammlern und Regenrohren ausgestattet sind. Licht dringt jeweils durch die im Eckbereich schmalseitig eingelassenen Fenster. Die der Breitensteinstrasse zugewandte Nordfassade springt in Richtung Osten in mehreren Absätzen immer weiter vor, wodurch die einzelnen Gebäudeabschnitte an Tiefe und Höhe gewinnen. Im nördlichen Flügel befinden sich die allgemeinen Kirchgemeinderäume, während das Pfarrhaus mit L-förmigem Grundriss den südwestlichen Arm des Gebäudekomplexes bildet. Über eine Freitreppe in der Nordwestecke mit Passage unter dem Dachgeschoss hindurch gelangt man von der Breitensteinstrasse her in den Innenhof, von welchem aus der Gebäudekomplex erschlossen ist. Seit dem Umbau von 1992 führt zudem eine eingestellte Wendeltreppe von der Passage direkt zur ehemaligen Sigristenwohnung im Dachgeschoss. Im Innenhof sind die Zugänge zum Foyer sowie zur Pfarrwohnung als Laubengänge unter dem von Schichtholzbindern und schlanken Betonstützen getragenen Dach ausgebildet und durch Bodenplatten von der übrigen Pflästerung abgesetzt [7]. Die Mauern sind in diesem Bereich nur spärlich mit Fenstern versehen, während die Südfassade des Foyers und die Westfassade des Kirchenraums zwischen Betonstreben verglast sind. Durch eine zweiflüglige, teilverglaste Holztür in der Mitte des nördlichen Flügels gelangt man in die Eingangshalle, wo die Grundidee des beherrschenden Dachs mit holzverkleideten Decken aufgenommen wird. Dieser von beiden Seiten belichtete Vorbereich weitet sich gegen die Strassenseite hin zu einem zweigeschossigen Luftraum mit kubischer, holzverkleideter Empore, welche ursprünglich den Zugang zur Wohnung im Obergeschoss bildete. Im Erdgeschoss gelangt man geradeaus in den für 350 Personen berechneten Kirchenraum. Sein Inneres, das auf eine Empore und eine Absetzung des Chors vom Schiff verzichtet, bildet im Grossen und Ganzen die äussere, zeltartig aufgespannte Dachform ab. Über dem Chorbereich erhebt sich diese steil aufragend, um sich in sieben Stufen über die gesamte Raumlänge hin bis zur gegenüberliegenden Hofmauer zu senken. Der gesamte Dachraum ist mit Holz verkleidet. Darunter sind die Wände weiss verputzt oder durchfenstert. Die Chorrückwand springt in zwei Ebenen zurück, wobei der Versatz jeweils mit einem Fenster versehen ist. In den Ecken der gegenüberliegenden Hofseite befinden sich würfelförmige Einbuchtungen, deren südliche den direkten Eingang vom Innenhof her aufnimmt. Wie bei der Innenausstattung wurde auch bei der Möblierung auf eine solide, dauerhafte Ausführung geachtet. Sitzbänke, Altar, Kanzel und Orgel zeigen dieselbe funktionale Formgebung, wobei sich die Orgel mit einem asymmetrischen Abschluss in die ihr zugedachte südöstliche Ecke des Kirchensaals einfügt. Nördlich schliesst der Kirchgemeindesaal an, der durch eine flexible Holztrennwand mit dem Kirchensaal zusammengeschaltet werden kann. Sein Innenraum ist mit einer zum Innenhof hin leicht abfallenden, holzverkleideten Decke analog gestaltet. Weiter befinden sich im Erdgeschoss neben dem Kirchgemeindesaal eine Küche und westlich des Foyers ein Unterrichtsraum. Fassadenvorsprünge und eine geringe Raumtiefe wirken sich hier positiv auf die Lichtverhältnisse aus. Über Treppen gelangt man im Obergeschoss zu einem einzelnen Zimmer und im Untergeschoss zu den Luftschutzräumen (ehemaliges Notspital auch über eine äussere Rampe zugänglich) und zu einem Seminarraum. Tonplatten bilden die Bodenbeläge (teilweise von jüngeren Renovationen stammend). Neben dem Kirchensaal steht im Südosten des Hofs der schlanke, ehemals betonsichtige Glockenturm, der einen hinter Betonlamellen verborgenen Schallraum besitzt. |
Anmerkungen: | [1] Wie es dazu kam, siehe Boner 1983, S. 259-260; Meier/Steigmeier 2008, S. 196. [2] Leuschner 1989, S. 114-117. [3] Josef Tremp 1969, S. 10-11. [4] Leuschner 1989, S. 115-116. [5] http://www.orgelbau.ch, Zugriff vom 18.02.2017. [6] Alle Angaben zur jüngeren Baugeschichte: Kantonale Denkmalpflege, Inventar Sakralbauten, Anke Köth 2009. [7] Angaben zur Dachkonstruktion aus: Kantonale Denkmalpflege, Inventar Sakralbauten, Anke Köth 2009. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Kantonale Denkmalpflege, Inventar der Sakralbauten 2009. |
Literatur: | - Georg Boner, Geschichte der Gemeinde Untersiggenthal, hrsg. v. Ortsbürgergemeinde Untersiggenthal, Untersiggenthal 1962, S. 223-226 (Abb.). - Georg Boner, Geschichte der Gemeinde Untersiggenthal, hrsg. v. Ortsbürgergemeinde Untersiggenthal, Untersiggenthal 1983, S. 259-263. - Immanuel Leuschner, Die reformierte Kirchgemeinde Baden, (Jubiläumsschrift "275 Jahre reformierte Kirche in Baden"), hrsg. v. Reformierte Kirchgemeinde Baden 1989, S. 114-117 (Abb.). - Bruno Meier/Andreas Steigmeier, Untersiggenthal. Eine Gemeinde im Umbruch, Untersiggenthal 2008, S. 196-198 (Abb.). - Josef Tremp, Moderne Kirchenbauten im Bezirk Baden, in: Badener Neujahrsblätter 1969, S. 3-15. |
Quellen: | - Kantonale Denkmalpflege, Kurzinventar Sakralbauten UNS003 (Anke Köth, 2009) |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=130322 |
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